REVIEW | Tallulah

Was ist das nur mit Ellen Page, Vornamen als Filmtiteln und dem Kinder kriegen? Erst wird sie in “Juno” schwanger und startet damit ihren Kino-Durchbruch, jetzt schlawinert sie auf Netflix umher und kidnapped sich als “Tallulah” mal eben ein Baby.

Der Netflix Original Movie kommt von Regisseurin Sian Heder, die zugleich auch Produzentin und Drehbuchautorin der hauseigenen Serie “Orange is the New Black” ist. Genau wie dort geht es in “Tallulah” immer mit einem strahlenden und einem tränenden Äuglein einher, Komödie und Drama geben sich hier die Hände. Ebenso wie in der Frauenknast-Serie überwiegt allerdings der dramatische Ton, der auch hier ab und an lediglich situationsbedingt aufgebrochen wird. Also dann doch wieder kein Vergleich zu “Juno”, ein Film, der das Drama eher in der Komödie versteckte.

Tallulah ist ein freies Kind der Straße, das in ihrem lieb gewonnenen Bulli lebt. Aber irgendwann braucht sie dann doch einmal Hilfe und sucht diese ausgerechnet bei der Mutter (Allison Janney) ihres Ex-Freundes. Mehr als ein Vogel-zeig ist aber nicht drin und schnell wird Tallulah wieder fortgeschickt. Wie gut, dass sie an eine andere Mutter gerät, die gerade frisch mit ihrem Baby kämpft, für das sie scheinbar überhaupt keine Zeit hat. Viel sehr ist sie mit ihrem eigenen Leben beschäftigt. Als sie dann spontan Tallulah zum babysitten einteilt und am Abend sturzbetrunken aufs Bett kippt, entscheidet das Mädchen zweierlei: diese Frau ist keine gute Mutter und mit dem Baby im Arm und der Behauptung es sei das Kind ihres Ex-Freundes, hat sie bei dessen Mutter weitaus größere Chancen ein bisschen Hilfe zu bekommen.

Zuletzt haben wir Ellen Page noch in der wichtigen Story “Freeheld” gesehen, bei dessen liebloser Inszenierung man sich aber schon fragte, wie der Film es auf die große Leinwand schaffen konnte und eben nicht im DVD Regal versauert ist. Jetzt wird der Spieß umgedreht. Mit “Tallulah” sehen wir Page in einer kinowürdigen Produktion – nicht etwa gigantisch beeindruckender Bilder wegen, sondern schlicht und ergreifend, weil dieser Film die Aufmerksamkeit eines fokussierten Kinovolks verdient gehabt hätte. Nun wird er aber vermutlich eher zum Streaming-Service Geheimtipp – was ja auch durchaus ein cooles Zeugnis sein kann. Es beweist aber nur umso mehr, was für ein Gespür Netflix in Sachen Film hat, sieht man mal von dem unsäglichen Deal ab, der mit Adam Sandler geschlossen worden ist und ihm ein Dauer-Abo für Netflix-Produktionen gibt.

Aber wenigstens gibt es für jeden Adam Sandler-Blödsinn einen Ausgleich wie eben jetzt “Tallulah”, wie “Umweg nach Hause” oder natürlich “Beasts of No Nation”.

Um noch einmal “Freeheld” heranzuziehen: eines der größten Probleme des Films war dort die fehlende Chemie zwischen den beiden großartigen Hauptdarstellerinnen Ellen Page und Julianne Moore. Jede für sich genommen hat eine großartige, emotionale Leistung innerhalb eines belanglosen Drehbuchs erbracht. Nur gemeinsam hat es nicht wirken wollen. Hier nun in “Tallulah” merkt man, wie sehr ein Film von einem passenden Miteinander leben kann, denn Page und Allison Janney liefern in amüsanter Zweisamkeit einen Schauspiel-Schlagabtausch ab, der das notwenige Gefühl von Authentizität vermittelt.

Hinzu kommt ein dickes, moralisches Dilemma, mit dem nicht nur Tallulah sich konfrontiert sieht, sondern auch die Zuschauer. Denn wenn sie ihrem Affekt nachgibt und das kleine Baby stiehlt, ist das natürlich höchst verwerflich, kriminell, nicht gutzuheißen. Dann aber…wie hätten wir wohl binnen fünf Sekunden reagiert, wenn wir eine solche Mutter erlebt hätten und daneben ein kleines, wehr- und schutzloses Kindlein? Wie handelt man in einem solchen Moment überhaupt richtig – ohne die Behörden einzuschalten, weil man selbst viel zu viel von denen zu befürchten hat?

“Tallulah” bietet eine originelle, schöne konstruierte, niemals langweilig werdende Story mit Schauspielerinnen, die sichtlich in ihren Film investiert sind.

Daumen hoch.


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