Vom Cyberkrieg zum Diktatursturz

Vom Cyberkrieg zum Diktatursturz

Wenn man 1959 Bourgiba, dem ersten Präsidenten Tunesiens, zu seiner Zeit zu erklären versucht hätte, dass ein Volk allein durch seinen waffenlosen Wunsch nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eine repressive Diktatur hätte stürzen wollen, hätte dieser wohl die Brot-Preise unverändert gelassen.

Eine solch friedliche und siegreiche Revolte erinnert zunächst an den Aufstand von Soweto zur Apartheidsperiode in Südafrika. Junge Leute demonstrieren um Gerechtigkeit, Polizisten lassen diese erschießen und schließlich wurde die Regierung doch zum Umdenken gezwungen.

Jeder gesunde Menschenverstand wird sich aber darüber einig sein, dass ein totalitärer Polizeistaat nicht von unbewaffneten Zivilisten in die Knie gezwungen werden kann. Zudem kann eine solche Regierung nicht gestürzt werden, wenn sie von Nachbarländern gestützt wird, die meinen, dass das Land demokratisch und frei sei. Geschweige denn, wenn die Zensur vorherrschend ist.

Und hier ist der Knackpunkt: Wie kann man internationale Hauptmedien wie Facebook und YouTube nutzen, wenn diese von der Regierung gesperrt wurden?

Anonymous, eine Freiheitsgruppierung die bereits Wikileaks unterstützte, entsandte einige Hacker, die die Regierungscomputer von Tunesien hacken und die Hauptmedien wieder freischalten sollte. Und das mit Erfolg: tausende mutige Tunesier verbreiten Neuigkeiten über die lokalen Geschehnisse. Meist nur in verschlüsselten Aussagen, aus Angst, von der Polizei verschleppt zu werden. Es gab aber auch andere anonymisierte und mutige User, die selbstgefilmte Videos online stellten. Nicht selten wurden solche beim Versuch von Scharfschützen per Kopfschuss niedergestreckt. Und so kam es mal wieder dazu, dass das Blut des Volkes an die Hände der Regierung gelangte. Nur dieses mal wurde die Korruption Ben Alis Regierung entlarvt und die Schattenherrschaft entblößt. Erst wurde sein Kabinett aufgelöst, dann nach Nachdruck des Volkes auch seine Vorherrschaft. Fliehen konnte dieser mit vielen anderen seiner Familie dennoch nach Saudi-Arabien, wo er mit offenen Armen empfangen wurde.

Ruhe trat im Land aber dennoch nicht ein. Der Akt wurde von Ben Ali nämlich lange zuvor geplant. Etwa 800 Fahrzeuge mit bewaffneten Milizen, die wild umher schossen und Zivilisten ermordeten, kamen, als Ben Ali ging. Die Parallelen sind offensichtlich. Nunmehr aber rechnet das Volk mit seinem unabhängigen Militär. Solange aber weiterhin die Partei RCD des Ex-Präsidenten im Parlament bleibt und kein rechtmäßiger Nachfolger gewählt werden kann, werden die andauernden Unruhen nicht Einhalt gebieten.


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