Viel Bio - aber weniger Geld (Berliner Zeitung)

Öko-Landwirte fürchten, dass sie bei den geplanten Einsparungen besonders leiden müssen.

Früher war vieles schlechter, es gab ungeahnte Probleme. Beispielsweise im Dörfchen Pretschen im heutigen Landkreis Dahme-Spreewald. Der große Gutshof prägt schon lange das Bild des Ortes. Nicht weit entfernt schlängelt sich die Pretschener Spree entlang. Sie bildete bis 1815 die Landesgrenze, so dass der Hof in Brandenburg stand, viele Äcker aber in Sachsen. "Bei Todesstrafe war es verboten, Lebensmittel einfach über die Grenze zu bringen", sagt Bauer Sascha Philipp. "Es war ein königlicher Erlass nötig, damit das Korn in die Scheune durfte."

Auch heute ist bei weitem nicht alles perfekt auf dem Landgut Pretschen, aber der Hof floriert, erwirtschaftet Gewinne. Philipp hat den defizitären Hof 1999 von einer Treuhandfirma übernommen, machte daraus einen Bio-Betrieb mit 830 Hektar und sicherte die 24 Arbeitsplätze. Er hat 650 Rinder, produziert Roggen, Braugerste, Erbsen, Futter - und Chicorée. "Der wurde nur ein Erfolg, weil wir vorher gefragt haben, was auf dem Berliner Markt fehlt", sagt er. Die erste Ernte im Jahr 2000 brachte 20 Tonnen von zwei Hektar. "Das war so viel, dass wir nach Niedersachsen verkaufen mussten." Inzwischen setzt er 110 Tonnen ab, fast die Hälfte geht nach Berlin. "Das zeigt, wie enorm der Markt in dieser Zeit gewachsen ist."

"Regional ist 1. Wahl"
Trotzdem hat auch Philipp seine Probleme - so wie die anderen fast 1.000 Firmen im Brandenburger Bio-Landbau. Zwar boomt die Branche seit Jahren und kann bei vielen Produkten gar nicht so viel anbauen, wie der Berliner Markt abnehmen würde. Doch es fehlen in der Region einfach Verarbeitungsfirmen, die die Milch, das Getreide und Obst und Gemüse zu verkaufsfertigen Lebensmitteln verarbeiten.

"Da gibt es ein riesiges Potenzial", sagt Vertriebsleiter Manuel Pundt von der Berliner Bio-Company - Werbespruch: Regional ist 1. Wahl. "Die Leute bevorzugen ganz klar regionale Produkte. Unser Umsatz wuchs im Vorjahr um 13 Prozent, der von Regionalprodukten aber um 28 Prozent." Es störe die Kunden auch nicht, wenn die Lebensmittel aus Brandenburg oft zehn Prozent teurer sind, weil die kleinen Hersteller viel weniger produzieren als die großen Marktführer aus den westlichen Bundesländern.

Viele Bio-Bauern fürchten nun, dass der Boom enden könnte. Denn das Land Brandenburg ist so arm, dass in allen Bereichen gespart wird - auch in der Landwirtschaft. Die Sparforderungen an den Agrarminister sollen sich auf 16,6 Millionen Euro pro Jahr belaufen.

Insgesamt bekommen alle Landwirte 380 Millionen Euro Förderung im Jahr, die Bio-Bauern erhalten aber wegen ihrer geringeren Erträge zusätzlich 16 Millionen Euro. "Wir befürchten, dass die Bio-Branche besonders unter den Streichungen leiden muss", sagt Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg. Das wäre unfair, weil die Bio-Bauern nicht nur gesunde Lebensmittel herstellen, sondern auch einen wichtigen gesamtgesellschaftlichen Beitrag leisten, weil sie gute Böden für die Zukunft schaffen.

16 werden zu 150 Millionen Euro
"Gleichzeitig kämpfen wir für alle Bauern", sagt Wimmer. "Denn Streichungen bei der Agrarförderung sind fatal, da sie immer nur eine Ko-Finanzierung ist und zehn Mal mehr Geld verloren geht." Er erklärt das am Rechenmodell der Öko-Förderung: Das Land zahlt nur acht Prozent des Geldes, dazu kommen zwölf Prozent vom Bund und 80 Prozent von der EU. "Bei einer Kürzung von 16 Millionen Euro würden so insgesamt fast 150 Millionen Euro wegfallen", sagt Wimmer.

Bio-Bauer Phillip sagt, dass er 100.000 Euro Förderung im Jahr bekommt. "Ohne diesen Zuschuss müsste ich dicht machen oder den Hof wieder auf konventionelle Landwirtschaft umstellen. Aber das will ich nicht. Ich bin doch Bio-Landwirt aus Überzeugung."

Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) beruhigt die Bio-Bauern: "Wir sind uns der schwierigen Situation bewusst, aber wir geben keine EU-Mittel zurück." Für das Jahr 2011 sei gesichert, dass das Geld an die Öko-Höfe gezahlt werden könne. Bei wem dann aber wie viel Geld gestrichen werden soll, werde derzeit geprüft und hänge auch von den Verhandlungen mit der EU über die neue Förderperiode ab 2014 ab.

Sascha Philipp glaubt weiter an den Bio-Landbau und sagt ganz nebenbei, dass es das logische Ziel sein sollte, irgendwann 100 Prozent Bio-Landwirtschaft zu haben. Er selbst will demnächst den enormen Bedarf der Berliner nach frischem regionalem Gemüse bedienen: Für vier Millionen Euro baut er ein zwei Hektar großes Gewächshaus. "Als Neugründung ist eine solch große Bio-Gärtnerei eine echte Neuheit in Brandenburg."

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Bundesweiter Spitzenreiter

In Brandenburg wird auf 139.868 Hektar Bio-Landbau betrieben. Das sind 10,8 Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche und neun Prozent aller Betriebe. Obwohl der Bio-Landbau in Brandenburg erst 1991 begann, ist das Land inzwischen Spitzenreiter aller Länder. Bundesweit bewirtschaften Biobauern nur knapp 5,6 Prozent der Flächen.

979 Unternehmen bauen in Brandenburg Bio-Lebensmittel und -Futter an oder sorgen für Verarbeitung, Lagerung oder Vermarktung. 2010 kamen 27 Betriebe und 5 000 Hektar dazu. Der Spreewald ist bundesweit die Region mit der größten Bio-Dichte. Mehr als 70 Prozent der etwa 29 000 Hektar im Biosphärenreservat Spreewald werden inzwischen nach den strengen Kriterien des Öko-Landbaus beackert.

Selbst im Krisenjahr 2009 wuchs bundesweit der Absatz von Bio-Lebensmitteln. Da gleichzeitig die Preise sanken, stagnierte der Umsatz bei 5,8 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr 2010 stieg der Umsatz des Naturkosthandels um neun Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

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