Skandal: Schokoladenpreise nicht marktgerecht!

Skandal! Es ist nicht nur so, dass wir armen Verbraucher bei der Miete oder beim Strom brutal, aber legal abgezockt werden – seit Jahren werden wir ausgerechnet bei Schokolade und anderen Süßkram übel über den Tisch gezogen: Nach Überzeugung des Bundeskartellamtes haben führende Süßwarenhersteller ihre Schoko-Produkte durch illegale Preisabsprachen zu überhöhten Preisen in den Markt gedrückt. Egal ob lila Milka-Kuh oder Quadratisch-praktisch-gut: Alles viel zu teuer! Wobei teuer ja nicht das eigentliche Problem ist, der Vorwurf lautet: Nicht marktgerecht.

Skandal! Schokoladenpreise nicht marktgerecht!

Skandal! Schokoladenpreise nicht marktgerecht! Hersteller müssen Millionenstrafen zahlen.

Denn marktgerecht kann ja durchaus teuer sein, solange das freie Marktorakel über das Preisniveau entscheidet und der heilige Wettbewerb gewährleistet ist. Aber teuer durch illegale Preisabsprache – das geht gar nicht. Denn dadurch wird ja der Wettbewerb ausgehebelt, der für marktgerechte Preise sorgt. Egal ob die Leute sie zahlen können oder nicht. Das ist schließlich nicht das Kriterium. Aber die Wettbewerber sollen halt einen richtigen Wettbewerb machen, darauf kommt es an. Und nicht, ob die Leute für ihre Geld was Vernünftiges bekommen oder nicht. Schließlich hat das Kartellamt nicht nachgesehen, ob die Schokolade für ihren Preis wenigstens eine ordentliche Qualität hat oder vielleicht zu viel billiger Dreck drin ist. Das besorgt demnächst vielleicht die Stiftung Warentest.

In diesem Fall war das Problem, dass sich die Schokoheimer auch noch beim Schummeln haben erwischen lassen. Und weil Strafe sein muss, hat die Aufsichtsbehörde insgesamt 60 Millionen Euro Bußgeld wegen illegaler Preisabsprachen gegen elf Unternehmen verhängt – damit sind große Teile der Branche betroffen. Die Süßwarenfabrikanten haben die Vorwürfe weitgehend akzeptiert; sechs der Bußgeldbescheide sind bereits rechtskräftig. Der schwäbische Schokoladen-Ritter allerdings weist die Vorwürfe entschieden zurück und kündigte Einspruch gegen die Strafen an. Mal sehen, was daraus wird.

Nach Ermittlungen der Kartellbehörde haben die Hersteller mehrfach telefonisch und bei regelmäßigen Treffen einer „Vierer-Runde“ (bestehend aus Ritter, Mars, Nestlé und Haribo) Preiserhöhungen für ihre Produkte abgesprochen. Außerdem gab es Sitzungen eines „Arbeitskreises Konditionenvereinigung“, die dazu genutzt wurden, um eigentlich vertrauliche Firmeninformationen, etwa über die jeweiligen Einzelhändler, auszutauschen. Laut der Pressemitteilung des Bundeskartellamts waren so ziemlich alle dabei: Neben Mars und Ritter auch Bahlsen (Hannover), Griesson de Beukelaar (Polch, Rheinland-Pfalz), Storck (Berlin), Katjes (Emmerich, NRW), Brands (Bonn), Feodora (Bremen), Piasten (Forchheim, Bayern) und Zentis (Aachen).

Die schlechte Nachricht für die Verbraucher ist, dass die Schokoladenpreise nun vermutlich nicht sinken werden, nur weil die Schololaden-Hersteller beim Preisgeschummel erwischt worden sind. Denn irgendwie müssen die Hersteller ja die ihnen auferlegten Strafen bezahlen. Ob abgesprochen oder nicht: Die nächste Preisrunde kommt bestimmt.

Warum aber ausgerechnet Schokolade ein dermaßen sensibles Gut und ihr Preis deshalb ein wichtiger Parameter für die herzustellende Stimmung im Volke ist, wurde mir vorhin klar, als ich den zweiten Band der Tagebücher von Victor Klemperer zu Ende las. Der letzte Satz vom Dezember 1939 lautet: “Die Pogrome im November 38 haben, glaube ich, weniger Eindruck auf das Volk gemacht als der Abstrich der Tafel Schokolade zu Weihnachten.”



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