Prospektpflicht light

Aufgrund des nicht zu leugnenden Erfolgs von Crowdfunding (Schwarmfinanzierung) im Bereich der Unternehmens- und Projektfinanzierung beginnt sich langsam aber sicher das Monster der Regulierung in Bewegung zu setzen. Als einen der jüngsten Regulierungsstreiche hat die Europäische Kommission nun die Mitglieder für das European Crowdfunding Stakeholder Forum veröffentlicht (vgl.: http://www.moneycab.com/mcc/2014/07/09/eu-kommission-waehlt-offizielles-experten-und-beratergremium-fuer-crowdfunding/, abgerufen am 15.07.2014 um 12:00 Uhr). Mit dabei sind u.a. deutsche Vertreter des German Crowdfunding Network. Sie sollen als Teil des von der Europäischen Kommission berufenen Beratungsgremiums die Europäische Union bei der Schaffung eines europaweit einheitlich regulierten Crowdfunding-Markts unterstützen. Prinzipiell ist dieses Ziel zu begrüßen und dürfte, im Erfolgsfall, ein enorm wichtiger Schritt für die Entwicklung von Crowdfunding bzw. Crowdinvesting in Europa sein.

Leider wird dieser Schritt, auch im Erfolgsfall, ein wesentliches Problem nicht lösen können: Crowdfunding (und damit auch Crowdinvesting) ist streng genommen weder eine Finanzierungsform noch handelt es sich um ein konkrete Form der Investition bzw. Kapitalanlage. Vielmehr handelt es sich um eine Methode, die den Abschluss beliebiger Beteiligungs-, Kauf-, Spenden-, Darlehens- oder Zeichnungsverträge über das Internet ermöglicht. Wenn man nun also Crowdfunding regulieren möchte, muss man entweder für jede denkbare Konstellation eine Lösung finden oder man führt Ausnahmen für bereits existierende Kapitalanlagen ein, sofern sie über das Internet per Schwarmfinanzierung getätigt werden sollen.

Lösungen für alle denkbaren Konstellationen wären vermutlich das, was Anlegerschützern am ehesten entgegenkäme. Allerdings ist dieses Vorhaben völlig utopisch. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass mit jeder neuen Entwicklung im Internet die existierenden Vorschriften neu geregelt werden müssten. Die Ausnahmen für Kapitalanlagen, die über das Internet per Schwarmfinanzierung vertrieben werden, erscheinen jedoch als machbar und auf den ersten Blick als sinnvoll.

Eine genauere Betrachtung der Ausnahmen bringt allerdings diverse Probleme zum Vorschein. Das erste Problem ist das Finden von Grenzen. Sollten sich diese Grenzen am Unternehmen orientieren oder am Investor? Oder vielleicht an beiden? Spätestens dann wird es kompliziert. Was soll als Grenze verwendet werden? Vermutlich wird man eine Grenze, die sich am einzusammelnden oder zu investierenden Kapital orientieren soll. Derartige Ausnahmen gibt es z.B. in Deutschland bisher für Kapitalanlagen bis maximal 100.000 € oder dann, wenn sie bestimmten Stückelungs- und Angebotsrestriktionen unterliegen. Gerne wird auch die Verfahrensweise aus den Vereinigten Staaten herangezogen. Beispielsweise tun das auch die beiden Autoren Lars Klöhn und Lars Hornuf in ihrem Aufsatz Crowdinvesting in Deutschland (vgl. ZBB 4/2012, S. 237-266). Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass diese Regelungen nicht explizit für Crowdfunding/Crowdinvesting geschaffen wurden, sondern vielmehr für alle Kapitalanlagen generell. Diese Freiheit liegt in der amerikanischen Mentalität begründet, die in Deutschland auf keinen Fall umsetzbar ist.

Ebenfalls von Interesse wäre eine einheitliche Form der Angebotspräsentation. Diese Vereinheitlichung existiert in Deutschland bereits im Rahmen der Prospektpflicht. Diese soll es Investoren ermöglichen, eine Kapitalanlage sinnvoll zu interpretieren und zu verstehen. Letztlich soll sie dem Anlegerschutz dienen und wird von Anlegerschützern gerne als DAS Instrument des Anlegerschutzes schlechthin präsentiert. Leider ist die Erstellung eines Wertpapierprospektes sehr teuer, die Billigung durch die BaFin ist ebenfalls völlig überteuert. Abgesehen davon: Ein Wertpapierprospekt, wie es in Deutschland verpflichtend ist, ist als Anlegerinformation mit dem Ziel des Anlegerschutzes nicht ansatzweise geeignet! Denn sein wir mal ehrlich: Welcher Privatanleger, der Aktien der Commerzbank hält, hat vor der Kaufentscheidung den Wertpapierprospekt mit über 600 Seiten vollständig gelesen und verstanden? Ein Wertpapierprospekt mit wesentlichen Informationen in klar verständlicher Sprache ist daher wesentlich besser geeignet als das, was derzeit gesetzlich verpflichtend ist! Leider verstehen die meisten Anlegerschützer nicht, dass der aktuelle Regulierungswahn mit noch mehr Regelungen nur noch undurchsichtiger wird.

Eine sinnvolle Alternative zur aktuellen Prospektpflicht und Ausnahmen für die Crowdfunding-Szene stellt eine Art Prospektpflicht light dar. Diese abgespeckte Prospektpflicht wurde auch schon an anderer Stelle gefordert. So stellt beispielsweise Lars Hornuf im Artikel “Braucht Deutschland ein Crowdinvesting Gesetz” im VentureCapital Magazin (vgl.: VentureCapital Magazin, 4/2014, S. 58-59.) eine abgespeckte Prospektpflicht für Crowdinvesting in den Raum. Einen ähnlichen Ansatz kann man im Artikel „Crowdfunding Information Feed Standard“ (vgl.: http://blog.smallcapservice.de/24/11/2013/crowdfunding-information-feed-standard/, abgerufen am 15.07.2014 um 13:49 Uhr) nachlesen. Darin wird eine standardisierte Form der Angebotspräsentation über das Internet in Ansätzen beschrieben. Allerdings als Werkzeug, welches die Branche selbst entwickelt und damit dem Gesetzgeber zuvorkommt.

Eine weitere Frage ist, welche Institution überwacht die gefundenen Regelungen, wer bezahlt diese Überwachung und was kostet sie? Derzeit werden die unterschiedlichen Instrumente, die beim Crowdfunding weitestgehend zur Anwendung kommen von insgesamt drei Behörden überwacht, wobei oftmals keine Klarheit über die Zuständigkeiten herrscht, wenn es um Konsequenzen aus Fehlverhaltensweisen geht. Sinnvoll wäre es daher, wenn eine zentrale Behörde in Europa diese Überwachung übernehmen würde, die ihren Handlungsspielraum auf nationale Institutionen der Mitgliedsstaaten delegieren würde. In Fall von Deutschland vermutlich auf die BaFin.

Fraglich ist darüber hinaus aber auch, ob eine Ausnahme nur für Schwarmfinanzierungsvorhaben über das Internet im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes überhaupt umsetzbar ist. Eine Aufweichung des Anlegerschutzes, der Prospektpflicht und anderer Regelungen nur für den Internetvertrieb stellt eine Übervorteilung eines Vertriebswegs dar. Eine Konsequenz ist daher, dass, wenn man denn Erleichterungen für per Crowdfunding vertriebene Kapitalanlagen möchte, auch andere Kapitalanlagen in gleichem Maße behandelt werden müssen. Das hieße, man müsste anderen Graumarktprodukten formelle Erleichterungen erteilen. Das hat die Politik derzeit aber sicherlich nicht auch nur ansatzweise vor. Ganz im Gegenteil! Vielmehr sollen sämtliche Kapitalanlagen künftig der Regulierung unterworfen werden und zukünftig auch die partiarischen Darlehen diesen Kontrollmechanismen unterliegen. So jedenfalls, wenn man den Plänen unserer Bundesminister Heiko Maas und Dr. Wolfgang Schäuble Glauben schenkt und ihre Pläne umgesetzt werden sollten.

Das Vorhaben der Schwarm-Lobbyisten, wenn man sie so nennen mag, eigene Crowdfunding-Gesetze oder Erleichterungen und Regeln speziell für Crowdfunding durchzusetzen, dürfte wenigstens als sportlich einzustufen sein.

Ein besserer Ansatz als Versuche der Schaffung von Insellösungen für bestimmte Crowdfunding-Varianten wäre das Vereinheitlichen ALLER Kapitalanlagen auf einen zeitgemäßen Standard. Dabei könnten die Schwarmfinanzierer ihre Fähigkeiten speziell im und hinsichtlich des Internets nutzen. Ein zeitgemäßer Standard für die Präsentation von Anlegerinformationen, wie einem Wertpapierprospekt, ist sicherlich kein Schriftstück oder reines PDF-Dokument. Dem Stand der Technik entsprechen vielmehr strukturierte Dokumententypen. Diese müssen von Webbrowsern so ausgegeben werden, dass man sie als Anleger logisch nachvollziehen und verstehen kann. Auf diese Weise könnten dann natürlich auch druckbare Dokumente, bspw. PDF-Dateien, erzeugt werden. Gleichzeitig wäre ein solches Dokument maschinenlesbar. Das bedeutet, dass sowohl Anleger die Inhalte erfassen und verstehen können als auch Computerprogramme. Damit wäre z.B. die Prüfung auf Vollständigkeit und Plausibilität der Inhalte sowie die formelle Prüfung bei der BaFin per Knopfdruck in Sekundenschnelle erledigt. Die Billigung dieses digitalen „Wertpapierprospekt light“ dürfte dann auch nur noch ca. 50 € kosten.

Ein derartiges Format sollte man für ALLE Wertpapiere und wertpapierähnliche Verträge rechtsverbindlich einführen und damit die aktuelle Prospektpflicht ersetzen! Ein standardisiertes Format für Werpapierprospekte, welches die oben beschriebenen Anforderungen erfüllt, ist XML-basiert eine Leichtigkeit in der Umsetzung. Weiterhin wäre das auch für die etablierte Finanzbranche ein sinnvolles Instrument, da es zu einer enormen Kostenreduktion führen würde!

Neben der Kostenreduktion für alle Emittenten von Wertpapieren werden die einzelnen Anlagen damit transparent und vergleichbar. Dieser Vorteil stellt echten Anlegerschutz in der Praxis dar. Außerdem wird der Kapitalmarkt so auch kleinen Unternehmen geöffnet, ohne eine Armee Berater und Juristen bezahlen zu müssen, da vermutlich ein einziger Fachanwalt maximal einen Tagessatz in Rechnung stellen kann. Gleichzeitig würde die Sicherheit für Investoren, die per Crowdfunding investieren wollen erhöht, da die Investition mit anderen Angeboten vergleichbar gemacht wird.

Anstelle weiterer Ausnahmen für Crowdfunding wäre eine derartige Vereinheitlichung für alle Kapitalanlagen erstrebenswert. Immerhin wurde mit Crowdfunding das Rad nicht neu erfunden, sondern lediglich ein neuer, wenn auch innovativer, Vertriebskanal geschaffen. Eine Rechtfertigung für Ausnahmen stellt das eigentlich nicht dar. Die Hohe Innovationskraft der Schwarmfinanzierer sollte allerdings genutzt werden, um auf die etablierte Regulierung gestalterisch Einfluss zu nehmen. Insbesondere die Tatsache, dass die Internetaffinität zukünftiger Generationen dazu führen wird, dass digitale Informationen der Standard schlechthin sein werden. Die verstaubten Vorstellungen der etablierten Finanzbranche und der bundesdeutschen Regulierer werden spätestens in 10 Jahren nicht mehr ansatzweise zeitgemäß sein. Wertpapierprospekte, die heute schon keine sau mehr liest, werden dann in etwa so praxisnah sein, wie heute die Verwendung von Brieftauben.


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