Julia meets Suicide Commando

Julia meets Suicide Commando"Nimm meine Hand, dann zeige ich dir die Unterwelt". So weit musste Julia nicht gehen, um ein Urgestein der Electro-Industrial Szene zu treffen: Johan van Roy alias "Suicide Commando". Auf dem diesjährigen Amphi Festival nahm er sich die Zeit und beantwortete alle Fragen, die Julia ihm stellte. Hier das Ergebnis.
Viel Spaß beim Lesen!


Julia: "Suicide Commando gibt es schon sensationelle 27 Jahre! Viele Künstler hätten es nicht mal bis zur Hälfte geschafft. Worin liegt deine Motivation immer weiter zu machen?" 
Johan van Roy: Erst einmal: Guten Tag (lacht). Also, meine Motivation liegt in der Liebe zur Musik. Ich bin aufgewachsen in der New-Wave und Cold-Wave Szene, Anfang der 1980er, mit Bands wie „The Cure“, „In Joy Devision“ und „Sisters Of Mercy“. Da habe ich irgendwann die Electromusik von „Depeche Mode“ und „Front 242“ entdeckt und das hat mich so begeistert, dass ich irgendwann beschlossen habe, auch Musik zu machen. Danach führte eins zum anderen und nach so vielen Jahren fasziniert mich die Musik immer noch und ist die treibende Kraft. 
Julia: "Wir können festhalten: Musik ist die treibende Kraft! Damals waren deine ersten Projekte noch auf Kassette aufgenommen. Nostalgikern geht jetzt das Herz auf. Wie hast du den technischen Fortschritt im Bereich Musik erlebt? Ist es eine Art Erleichterung gewesen oder wird man hin und wieder selbst nostalgisch?"
Johan v. Roy: "Eine Mischung aus beidem. Damals als ich 1986 angefangen habe, gab es ja gar nicht die Möglichkeiten, die man jetzt hat. Heute kauft man sich einen Laptop und eine Soundkarte und schon nach zwei Wochen kommt dann das erste Album. Das war damals total anders. Ich liebe noch die alte Vorgehensweise. Man musste damals noch viel mehr machen, um eben Musik zu machen. Heute ist das viel einfacher. Ein paar Plug-Ins und ein gutes Programm und schon kann man loslegen. Ich kann mich gut erinnern, dass man damals total bekloppte Sachen machen musste, um zwei Sekunden Musik aufzunehmen. Der Aufwand war riesengroß und heute wirst du ausgelacht, wenn du erzählst, was man alles machen musste. Aber ich liebe eben die alte Vorgehensweise, aber auch die Möglichkeiten die sich heute ergeben. Ich gehöre nicht zu den Leuten die sagen „damals war alles besser“. Da gibt es ja genug von. Man muss aus jeder Zeit das Beste raus holen. Ich habe es für mich immer versucht und meine Musik heute ist ja eine Mischung aus der alten Hardware mit Keyboard, Syntheziser etc. und modernen Mittel wie Computern. Ich verbinde beides gerne, auch wenn es vielen vielleicht nicht gefällt. Ich versuche eben das Gute aus den verschiedenen Zeiten zu verbinden." 
Julia meets Suicide CommandoJulia: "Mit der Zeit hat Suicide Commando auch eine musikalische Entwicklung durchlebt. Anfangs noch im Bereich Electro-Industrial beheimatet gab es in den 90ern den Wandel in den Bereich Aggrotech. Würdest du dieser Entwicklung zustimmen und was war der Auslöser für diesen Wandel?" 
Johan v. Roy: "Mir ist bekannt, dass viele Leute es genau so sehen, aber für mich war es eine ganz natürliche Entwicklung meiner Musik. Zu Beginn, als ich noch auf Kassette aufgenommen habe, habe ich noch gar nicht gesungen. Das kam erst später. Für mich war das eine normale Evolution und es stimmt, dass meine Musik heute anders ist als am Anfang. Aber ich liebe sowohl die alten als auch die neuen Sachen. Ich habe einfach immer das gemacht, was ich toll fand und was für mich wichtig war... und ich hab auch immer das Glück gehabt, genau das zu machen, was ich wollte. Erst war ich bei „Off Beat“ dann bei „Dependent“ und jetzt bei „Out Of Line“. Dort hatte ich immer die Freiheit zu tun, was ich wollte und man hat nie gesagt, in welche Richtung ich gehen musste. Genau das ist wichtig. Vielleicht ist genau das der Grund, warum es „Suicide Commando“ noch gibt. Denn wenn der Künstler Vorgaben kriegt und nicht 100%ig dahinter steht, dann macht es ja auch keinen Spaß mehr." 
Julia: "Kommen wir einmal zum Thema Gesang. Den Gesang würden viele als „shouten“ beschreiben. Ist es für die Stimme sehr anstrengend diese Leistung zu erbringen oder ist es reine Übungssache?" 
Johan v. Roy: "Als erstes muss ich sagen: ich fühle mich gar nicht als ein richtiger Sänger. Ich kann nicht gut singen, das gebe ich zu, aber ich versuche das Beste daraus zu machen... mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen. Ich fühle mich an erster Stelle als Musiker und nicht als Sänger. Wie schon erwähnt, waren die ersten Songs ohne Gesang, aber irgendwann wird es sehr schwer, das auf der Bühne rüber zubringen. Man muss den Leuten auch ein wenig bieten können, wenn man dann auf der Bühne ist. Wenn man nur instrumentale Songs spielt, wird es irgendwann langweilig, finde ich. Deswegen habe ich auch angefangen meine Stimme mit einzubinden und dann habe ich, nach vielem Experimentieren, meinen Stil gefunden und mir gefällt das. Aber ich fühle mich eben nicht als Sänger. Ich hab auch kein Problem damit, wenn die Leute sagen: „Das ist ja nur Gebrülle!“. Finde ich vollkommen in Ordnung." 
Julia: "Aber ist es denn nun eine Belastung für die Stimme immer diese Lage zu halten?" 
Johan v. Roy: "Eigentlich schon. Interessant ist, dass mich viele Leute fragen, welche Distortion (Verzerrer) ich benutzen würde und ich sage immer, dass ich keinen benutze . Ich benutze nur den Pitchifter Effekt für die Stimme. Deshalb ist es sehr belastend, da der Effekt eben meine Stimme ist. Ich könnte jetzt keine Tour machen wie z.B. „Combichrist“ oder andere. Meine Stimme würde das nicht schaffen. Es ist wirklich sehr belastend. 
Julia: "Erst einmal Respekt für diese Leistung. Deine Texte beinhalten Themen wie Mord, Suizid, Sterbehilfe und auch kritisieren sie die Gesellschaft. Woher nimmst du die Inspirationen für diese Themen?" 
Johan v. Roy: Ich hole diese Themen aus dem alltäglichem Leben. Man braucht nur den Fernseher einzuschalten und Nachrichten zu schauen... und man findet dutzende Sachen, die schief laufen auf der Welt und genau daher hole ich meine Inspirationen. Irgendwann findet man auch Interesse an den Themen. Bei mir hat es bei dem Serienmörder Dennis Rader angefangen. Dann habe ich mir DVDs, Artikel etc. gesucht und intensiv recherchiert. Dadurch hat sich eben alles entwickelt."
Julia: "Im Jahre 1999 warst du Mitbegründer von „Dependent Records“. Wie kam es dazu?" 
Johan v. Roy: "Das war nicht meine Idee. Es war Stefan Herwigs Idee, der ja bis zum Ende hinter „Dependent Records“ stand. Ich fand die Idee ganz toll und ich wollte schon immer ein Label führen, da ich es interessant fand, neue Bands zu entdecken und zu promoten. Als Stefan Herwig damals mit der Idee kam ein Label zu gründen, waren zu Beginn nur wenige Bands dabei: „Covenant“, „Velvet Acid Christ“, „VNV Nation“ und eben „Suicide Commando“. Damals fand ich die Idee toll, aber eigentlich geht das ganze Lob an Stefan Herwig. Es war seine Idee. 2006 hatte Stefan keine Lust mehr, da es zu viel Arbeit war und hat mit „Dependent Records“ aufgehört. So bin ich dann auch bei „Out Of Line“ gelandet und bin recht zufrieden. 
Julia: "Ein Kommen und Gehen. Das ist ja nun einmal so im Musikgeschäft..." 
Johan v. Roy: "Ich könnte gar nicht von einem Label zum anderen hüpfen. Wenn ich mich einmal bei einem Label wohlfühle, dann kann ich auch 20 Jahre dabei bleiben. Zum Ende hin haben Stefan und ich uns auch ganz oft deswegen gestritten. Aber das ist nun einmal so. Bei „Dependent Records“ war alles mehr familiär, während es bei „Out Of Line“ mehr ums Geschäft geht. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Es ist ja auch das größte Electrolabel in Deutschland und ich kann mich nicht beschweren." 
Julia: "Machen wir mal einen großen Sprung in die Gegenwart. Dieses Jahr kam das neue Album „When Evil Speaks“ heraus. Darunter ist auch der deutsche Titel „Unterwelt“ zu finden. Wird es jetzt auch vermehrt deutsche Texte geben oder wird der Schwerpunkt in der englischen Sprache bleiben?"
Johan v. Roy: "Der Schwerpunkt wird in der englischen Sprache bleiben. Ich bin zwar jetzt mit einer deutschen Frau verheiratet, aber deutsche Texte schreiben ist für mich sehr schwer. Ich komme aus dem flämischen Teil Belgiens und ich würde gerne mal ein Lied auf flämisch schreiben, aber das ist eine Sprache die komisch klingt. Vielleicht mache ich ja einen Song auf flämisch. „Unterwelt“ ist ein neuer Song, aber auf deutsch hatte ich schon „Dein Herz, meine Gier“ und „Sterbehilfe“ geschrieben. Ich fand es war mal wieder Zeit für einen deutschen Song und ich freue mich immer, wenn er gut ankommt." 
Julia: "Von deinen Songs gibt es ja diverse Remix-Versionen. Nehmen wir als Beispiel „Attention Whore“. Wie kann man sich den Prozess vorstellen, wie ein Remix zustande kommt? Kommen die Bands auf dich zu?" 
Johan v. Roy: "Viele neue Bands fragen an und bitten auch teilweise: „Darf ich bitte einen Remix machen?“. Dann gibt es auch Bands, die ich eingeladen habe. Bei „Attention Whore“ waren das zum Beispiel „Nachtmahr“ und „XRX“, da habe ich angefragt. Es ist also verschieden." 
Julia: "Hast du im Moment einen Lieblingsremix?" 
Johan v. Roy: "Oh, das ist schwierig…wirklich schwierig. Vielleicht nicht so bekannt, aber der „Absolute Body Control Remix“ von „My Blasphemy“ ist wirklich gut, weil er auch anders ist. Das soll jetzt keine Kritik sein, aber viele Bands trauen sich nicht vom Originalen wegzugehen und bleiben so gut es geht nah dran, das ist auch gut, aber ich finde es schöner, wenn Musiker versuchen, etwas komplett anderes zu machen und das hat Eric von „Absolutly Body Control“ eben gemacht. Er hat ja einen Oldschool Flair hineingegeben und das fasziniert mich eben mehr,... wenn man was komplett anderes mit dem Song macht."
Julia: "Also: Mut zur Kreativität!" 
Johan v. Roy: "Ich weiß ja selbst wie schwer das ist. Wenn ich einen Remix mache für andere Bands, dann bleibe ich auch oft nah am Original. Es ist sehr schwer, was eigenes daraus zu machen. Vor allem wenn man den Song schon kennt. Eigentlich müsste man den Bands nur Fragmente eines Songs schicken und dann sagen jetzt mach mal einen Remix dafür. Das wäre interessant, aber man kennt doch schon meist den Song und dann wird es schwer, was Neues daraus zu machen."
Julia: "Wir dürfen dich ja auch live auf der Bühne hier beim „Amphi 2013“ erleben. Ist es für dich ein anderes Gefühl, vor deutschem Publikum zu spielen als vor beispielsweise kanadischem Publikum?" 
Johan v. Roy: "Ja und nein. Natürlich spielt man hier für viel mehr Leute. In Kanada („Kinetik Festival“) kommen dann vielleicht 600-700 Leute. Das Publikum ist also viel kleiner als das deutsche Publikum. Ich finde es auch schön u.a. in Mexiko aufzutreten. Dort sind die Menschen nicht so verwöhnt wie das deutsche Publikum. Denn hier kann man fast jedes Wochenende auf eine Veranstaltung mit elektronischer Musik gehen und die meisten werden auch „Suicide Commando“ ein bis zweimal schon gesehen haben. In Amerika und in Mexiko kommen vielleicht ein- bis zweimal im Jahr Bands aus diesem Genre. Die Menschen sind deswegen auch sehr dankbar und das spürt man stark. Ansonsten spürt man keinen großen Unterschied. Ich trete genauso gerne auf dem „Amphi Festival“ auf, wie in einem Club mit vielleicht 45 Leuten. Das macht mir nichts aus... solange die Leute eben Spaß haben, denn das ist das Wichtigste." 
Julia: "Kannst du dich an deinen ersten Live Auftritt erinnern?" 
Johan v. Roy: "Ja, das kann ich! Das war damals zusammen mit „Plastice Niose Experience“. Da trat ich noch als Vorband auf. Das war irgendwo in einem belgischen Club in einem Keller. Aber es war lustig und es hat mir damals so viel Spaß gemacht, dass ich eben weiter gemacht habe. Ich bin heute noch nervös vor jeder Show. Ich finde das muss auch so sein, denn wenn man nicht mehr nervös ist, dann sieht man nur noch die Arbeit darin oder gar eine Verpflichtung. Ich finde es gut, dass ich immer noch nervös bin vor einer Show, denn es macht ja auch Spaß. Natürlich bin ich auch manchmal genervt, wenn etwas nicht ganz funktioniert, da könnte ich oft böse Sachen machen, aber das ist eben auch das Adrenalin das raus muss. Wenn ich dann auf der Bühne stehe, bin ich auch komplett jemand anderes." 
Julia: ""Suicide Commando" feiert ja bald 30-jähriges Jubiläum. Dürfen wir uns da auf was Spezielles freuen oder ist in dieser Sache noch nichts geplant?" 
Johan v. Roy: "Das wird 2016 sein, also hab ich noch ungefähr drei Jahre Zeit. Ich habe darüber noch nicht nachgedacht. Es bedeutet ja auch einerseits, dass man alt wird. Das ist natürlich kein schöner Gedanke. Ich werde mir darüber noch Gedanken machen,... es wird also was Besonderes geben."


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