„Die Hollars“ ist eine berührende Familien-Tragikomödie

In 2009 gab Schauspieler John Krasinski (aus der amerikanischen The Office-Serie) sein wenig beachtetes Regie-Debüt mit dem Film Brief Interviews with Hideous Men. Jetzt legt er mit Die Hollars nach, der den unschönen deutschen Beititel “Eine Wahnsinnsfamilie” erhalten hat. Das erinnert allerdings eher an die Chevy Chase Komödien der 80er Jahre, obwohl sich Krasinskis Film viel mehr wie Robert Downey Jrs Nicht-Marvel-Iron Man-Auftritt in Der Richter aus 2014 anfühlt.

Der wenig erfolgreiche New Yorker Graphic Novel-Zeichner John (Krasinski) erfährt, dass seiner Mutter (Margo Martindale) ein Gehirntumor diagnostiziert wurde. Er lässt daraufhin die Großstadt und seine schwangere Freundin (Anna Kendrick) zurück um sich gemeinsam mit seinem Bruder Ron (Sharlto Copley) und seinem Vater (Richard Jenkins) um die Mutter zu kümmern. Dabei kommen allerdings allerhand alte Familiengeschichten hoch. Zu allem Überfluss scheint auch seine alte Kleinstadt-Flamme (Mary Elizabeth Winstead) trotz Ehemann und Kind noch auf John zu stehen.

Wenn man den Film nun als Komödie missverstehen möchte, geht allerhand verloren. Denn im Kern erzählt Die Hollars von reichlich Charakteren, die zumindest glauben, in ihrem Leben gescheitert zu sein. So gesteht sich die Mutter auf dem Krankenbett ein, dass die Ehe mit ihrem Mann vielleicht ein Fehler gewesen ist, wodurch John wiederum an sich selbst zweifelt. Wenn seine Eltern mit ihrer Ehe gescheitert sind, wie wird er sich dann mit seiner Freundin anstellen, die gerade ein Kind von ihm erwartet?

Die Hollars

„Die Hollars“ sind Richard Jenkins, Sharlto Copley & John Krasinski (v.l.n.r.)

Dann muss John auch noch Zeit mit seinem Bruder verbringen. Sharlto Copley bringt neben Margo Martindale das Leben in diesen Film. Die beiden bekommen aber auch die besten und intensivsten Momente vom Drehbuch geschenkt. Bruder Ron ist in allen Lebenslagen gescheitert. Seine Ehe ist kaputt, er wird von seinem eigenen Vater aus der Firma geschmissen und stalked inzwischen als arbeitsloser Zuhause-Wohner seine Ex-Ehefrau. Als John es dann auch noch mit seiner eigenen Ex-Freundin zu tun bekommt, die das Wort “Ehe” auch nicht allzu ernst zu nehmen scheint, bricht vermutlich jede romantische Vorstellung von einer glücklichen und erfolgreichen Ehe für ihn zusammen.

John Krasinski leitet uns als Regisseur und Hauptdarsteller durch dieses Chaos und beweist dabei eine ganze Menge Herz. Durch die Verknüpfung dieser oftmals ins tragikomische rutschenden Geschichten und seinen fast schon romantisch anmutenden Erkundungen der alten Kleinstadt-Heimat bekommt Die Hollars dieses Indie-Feeling, wie man es von vielen Sundance Premierenfilmen kennt und irgendwie auch lieb gewonnen hat.

Natürlich gibt es dazu dann auch die verträumte Indie-Musik Playlist von The Head and the Heart bis zu The Indigo Girls, die immer dann gespielt wird, wenn die Kamera durch sonnengeflutete Bilder schwenkt und nachdenklich-verträumt-traurige Menschen zeigt.

Die Hollars

John (John Krasinski) zu Besuch bei seiner Ex (Mary Elizabeth Winstead) und ihrem Ehemann (Charlie Day)

Das Schauspiel ist von allen Beteiligten absolut großartig umgesetzt. Es kommt recht schnell diese familiär-angespannte Stimmung auf, ohne dass es an irgendeiner Stelle nach zu viel des Guten wirkt. Während sich Regisseur Krasinski mit Anna Kendrick und Mary Elizabeth Winstead sicherlich einen Lebenstraum erfüllt hat, diese beiden talentierten Damen zu seiner aktuellen und Ex-Freundin zu ernennen, sind es allerdings vor allem bereits genannter Sharlto Copley und Mutter-Figur Margo Martindale, die uns hier emotional in die Handlung ziehen.

Martindale spielt die Mutter auch noch im schlimmsten Krankheitsfall mit aller Stärke. Sie ist das große Herz und die gute Stimme, die die Familie zusammenhält. Es gibt aber diesen Moment kurz vor ihrer Operation, in der sie die Kontrolle verliert. Es bricht uns als Zuschauer das Herz, diese uns so stark erscheinende Person mit purer Angst in den Augen auf den ungewissen Ausgang der OP blicken zu sehen. Und das ist allein Martindales Verdienst, dass uns in diesem Moment schlicht die Luft wegbleibt.

Die Hollars mag auf den ersten Blick wie eine leichte Komödie erscheinen, ist auf dem zweiten Blick aber eine berührende Familiengeschichte, die andere Vertreter dieser Gattung, wie Sieben verdammt lange Tage oder Im August in Osage County hinter sich zurücklassen kann.


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