Die Euro-Krise als Glaubensfrage

Von Stefan Sasse
Ein Leser machte mich letzthin auf die Bogenberger Erklärung einiger Ökonomen aufmerksam, in der diese ihre Sicht der Euro-Krise und der daraus für sie resultierenden Handlungsnotwendigkeiten aufzeigten. Wir wollen an dieser Stelle gar nicht ins Detail gehen - wen die Argumentation interessiert, der kann sich gerne das verlinkte .pdf runterladen und sie durchlesen, interessant ist sie allemal. Was mir viel mehr auffällt ist, dass die Euro-Krise letztlich eine einzige Glaubensfrage geworden ist. Es gibt Zahlen von Haushalten, Schuldenquoten, Inflationsraten und Zinsen, und wenn man all diese Zahlen nimmt und sie analysiert kommt man zu Schlussfolgerungen über die Ursachen der Krise und kann daraus Handlungsanweisungen entwickeln. Genau das tun die meisten Beobachter und Akteure ja auch permanent, und sie kommen dabei zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Die einen wollen die Notenbanken als "lender of last ressort", die anderen erachten darin den Untergang des Abendlandes. Die einen wollen einen Austeritätsplan "fiskalischer Verantwortung" für alle, die anderen wollen Abgaben erhöhen und notfalls mit Konjunkturprogrammen die Wirtschaft stützen. Für die einen ist der Euro schon tot, weil Maastricht nicht hart genug war, für die anderen ist er tot, weil die Ideen von Maastricht von vornherein Unfug waren. Alle arbeiten mit demselben Zahlenmaterial, und alle behaupten die ökonomische Wahrheit auf ihrer Seite zu haben. 
Als Laie, der nie Wirtschaft studiert hat, kann ich allenfalls unter denjenigen, die sich die Mühe machen ihre Positionen und Analysen allgemeinverständlich zu schreiben diejenige auswählen, die mich am meisten überzeugt. Wirklich verstehen kann ich sie nicht, das merke ich jedes Mal, wenn Krugman auf seinem Blog etwa ökonomisch-spezifischer wird. Obwohl ich seit Beginn der Krise versuche, sie zu verstehen, bin ich keinen Schritt weitergekommen. Ich weiß heute noch nicht, woher die Euro-Krise eigentlich kommt. Ist es Griechenland? Ist es Maastricht? Ist es die deutsche Exportweltmeisterei? Ist es die fehlende "fiskalische Verantwortung"? Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass der Weg der Austerität eine Sackgasse ist, dass die Inflationsfurcht eine Schimäre ist, aber habe ich tatsächlich belastbare Argumente, kann ich tatsächlich mehr als "glauben", dass dem so ist? Nein. Die Euro-Krise ist zu einer reinen Glaubensfrage geworden, in der widerstreitende Weltanschauungen in einem Kampf sind, einen quasi-religiösen Streit austragen. Austerität gegen Expansion, Konjunkturstütze gegen Schuldenbremse. 
Vermutlich liegt in der Natur dieser Auseinandersetzung auch das Demokratiedefizit begraben, das gerade so drückend wahrgenommen wird. Egal wie kompliziert internationale Verträge waren, so ließen sie sich doch meistens halbwegs so herabbrechen, dass man ihren Sinn verstand. Über die Ostpolitik konnte man diskutieren, ohne die jeweiligen Details zu kennen, und auch Abrüstungsverträge lassen sich grundlegend debattieren. Aber diese ökonomischen Fragen entziehen sich mehr und mehr dem Verständnis, weil niemand vollständig versteht, verstehen kann, was eigentlich vor sich geht. Selbst Experten und Entscheidungsträger können nur "glauben", das zeigen allein die völlig divergierenden Einschätzungen von ausgezeichneten Ökonomen beider Lager. Sie unterfüttern ihre Meinungen und ihren Glauben mit mehr Zahlen und Fachbegriffen, aber so etwas wie allgemein anerkannte Fakten scheinen überhaupt nicht mehr zu existieren. Das daraus resultierende Unbehagen, das Gefühl des Ausgeliefertseins, ist sehr real. Es ist gefährlich für uns alle. Und ich sehe keinen Ausweg daraus.


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