Probleme begrifflicher Klarfassung am Beispiel der realsozialistischen Diktaturen

Probleme begrifflicher Klarfassung am Beispiel der realsozialistischen Diktaturen

Feierlichkeiten zum 40jährigen Jahrestag der DDR-Gründung

Ein immer wiederkehrendes Problem, mit dem man als Historiker zu tun hat, ist die Verwendung von Begrifflichkeiten. Wenn man einen bestimmten Begriff verwendet, was exakt ist damit gemeint? Benutzt man eine eigene Interpretation, stützt man sich auf einen breiteren Konsens, und gibt es vielleicht Gruppen, die den Begriff völlig anders nutzen? Nur ein Beispiel: wer sind die "Nazis"? Sind es alle Mitglieder der NSDAP? Handelt es sich nur um die oberste Führungsriege? Oder sind es alle Personen, die irgendwie mit den Verbrechen des Regimes verknüpft sind, unabhängig von der eigentlichen Parteimitgliedschaft? Die Verwendung ist fließend. Dieses Problem ist besonders virulent, wo es um die Betrachtung der ostdeutschen beziehungsweise sowjetischen Geschichte geht, denn viele der Begrifflichkeiten sind höchst aktuellen politischen Kämpfen unterworfen und dienen häufig dazu, den politischen Gegner gleich mit zu diskreditieren. Ich will deswegen versuchen, dieses Thema ein wenig ausführlicher anzugehen. 
Im englischen Sprachraum sind alle Länder des ehemaligen Ostblocks "communists". Auch die Westdeutschen sprachen gerne und pejorativ von "den Kommunisten", wenn sie über die DDR sprachen. Das ist insofern bemerkenswert, als diese Zuschreibung nicht von den Angesprochenen geteilt wurde; diese bezeichneten sich als "Sozialisten", da der Kommunismus ein utopisches Fernziel darstellte, das man irgendwann nach dem unvermeidlichen Ausbruch der Weltrevolution zu erreichen gedachte. Begrifflichkeiten wie die "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" oder der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" unterstreichen das. Wir können aber nicht einfach den Begriff "Sozialisten" für die Politiker der DDR verwenden, weil einerseits durch die Einbindung der Blockparteien auch dezidiert nicht-sozialistische Politiker involviert waren und andererseits immer noch viele Sozialisten heute existieren, die häufig eine Ähnlichkeit ihrer Programme mit der Realität der DDR weit von sich weisen. Wer also beharrlich  darauf verweist, dass die DDR "sozialistisch" war, benutzt dies häufig zur Diskreditierung ähnlicher Ansätze etwa der Partei der LINKEn, für die die DDR ein beständiges Politikum bleibt. 

Probleme begrifflicher Klarfassung am Beispiel der realsozialistischen Diktaturen

Chruschtschow auf dem SED-Parteitag 1958

Es ist deswegen in diesem Zusammenhang notwendig, eine Sprache zu gebrauchen, die nicht sofort von tagesaktuellen politischen Kämpfen missbraucht werden kann. Ich selbst verwende gerne die Begriffe "realsozialistisch" und "Ostblock". Letzteres steht für die von der Sowjetunion dominierte Gruppe von Staaten, die in der Nachkriegsordnung zu militärischen und politischen Bündnissen mit Moskau gezwungen worden waren - von der DDR über Polen bis Bulgarien - und die im Warschauer Pakt militärisch organisiert waren. Diese Zuschreibung war zwar durchaus pejorativ gebräuchlich, wird aber heute nicht mehr verwendet. Zudem waren die "Blöcke" im allgemeinen Sprachgebrauch der DDR selbst ein fester Bestandteil. Die Verwendung erscheint daher angemessen. Die Sache ist mit "realsozialistisch" schwieriger. Der "real existierende Sozialismus" war eine Formel der SED, mit der man die eigene, offensichtlich von der Theorie abweichende Gesellschaftsform zu erden gedachte. Im westlichen Sprachgebrauch wird dieser Begriff eher spöttisch und pejorativ verwendet; meist jedoch überhaupt nicht, da man das eindeutigere "sozialistisch" oder "kommunistisch" als abwertende Zuschreibung bevorzugt. 
Mir ist es jedoch wichtig, die Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis zu machen, die die DDR-Führung selbst durchgeführt hat. Tatsächlich haben moderne Vertreter des Sozialismus und Kommunismus darin Recht, als dass die Diktaturen des Ostblocks wenig mit diesen Theorien zu tun hatten. Tatsächlich handelte es sich um planwirtschaftlich-autoritäre Kader-Diktaturen, die zur Legitimation auf die sozialistische Theorie gestützt waren. In der Praxis spielte diese Theorie allerdings eine eher untergeordnete Rolle. Es macht daher Sinn, die Realität dieser Staaten von ihrer Legitimationsgrundlage zu trennen. Obwohl meines Wissens nach die DDR der einzige Staat war, der sich als "realsozialistisch" bezeichnete, ist die Zuschreibung auch für die anderen Staaten des Ostblocks sinnvoll. Da sich heute weder ein "Block" bildet noch irgendjemand "realsozialistisch" nennt, scheinen diese Zuschreibungen den politischen Kämpfen enthobener als die Alternativen und damit der historischen Betrachtung zugänglicher.


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