BAG: Kündigung “fristgemäß” mit falsche Kündigungsfrist

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer kündigt und in der Kündigungserklärung eine falsche Kündigungsfrist angibt. Dies kann auf einen bloßen Berechnungsfehler beruhen aber auch darauf, dass zum Beispiel-bei der Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 622 BGB – einfach die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers falsch ermittelt wurde.

 falsche Frist – Kündigung wirksam oder unwirksam?

In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob dadurch die Kündigung insgesamt unwirksam ist oder man im Wege der Auslegung dazu kommt, dass man den Willen des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung erkennt, dass er wenigstens zu rechtlich „richtigen“ Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis beenden wollte.

 Auslegung der Kündigungserklärung des Arbeitgebers

Bei dieser Auslegung ist das Bundesarbeitsgericht (2. Senat) bisher recht großzügig. Die Arbeitsgerichte legen von daher regelmäßig Kündigungserklärungen von Arbeitgebern, in denen die ordentliche Kündigungsfrist falsch angegeben ist, dahingehend aus, dass der Arbeitgeber wenigstens mit der richtigen Kündigungsfrist kündigen wollte.

 Entscheidung des Bundesarbeitsgericht – Kündigung “fristgemäß”

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigte und in der Kündigungserklärung schrieb „hiermit kündigen wir fristgemäß zum 30.9.2009“.

Die Kündigungsfrist hatte der Arbeitgeber falsch berechnet. Richtig wäre gewesen, dass mit ordentlicher Frist-aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers-das Arbeitsverhältnis erst zum 31.12.2009 ordentlich beendet war gewesen wäre. Dabei ist zu beachten, dass im hiesigen Fall kein Tarifvertrag Anwendung fand und sich die Kündigungsfrist allein aus der gesetzlichen Regelung des § 622 BGB ergab.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage.

 BAG – Auslegung dahingehend, dass man gesetzlicher Frist gekündigt werden sollte

Das Bundesarbeitsgericht (BAG Urteil vom 15.5.2013, 5 AZR 130/12) führt in seiner Entscheidung nochmals die Grundsätze der Auslegung von ordentlichen Kündigungserklärungen mit falsch berechneter der Kündigungsfrist auf. Im Ergebnis bejahte das BAG die Wirksamkeit der Kündigung zum gesetzlichen Beendigungszeitpunkt. Das Hauptargument war, dass man im Rahmen der Auslegung ermitteln konnte, dass der Arbeitgeber mit der gesetzlichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis beenden wollte. Die Berechnung der Frist ist aufgrund der Anwendbarkeit des Paragraphen 622 BGB bloße „Kalkulation“. Anders wäre es wohl, wenn jede nicht klar wäre, ob die Kündigungsfrist aus einem Tarifvertrag Anwendung findet oder aus der gesetzlichen Regelung. Zu der oben dargestellten Auslegung kam das Bundesarbeitsgericht aufgrund der Verwendung des Wortes „fristgemäß“ durch den Arbeitgeber in der Kündigungserklärung und aufgrund der Tatsache, dass hier nur die gesetzliche Regelung zur Berechnung der Kündigungsfrist in Betracht (und keine tarifliche Regelung) kam.

Das Bundesarbeitsrecht führt aus:

Ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, hängt davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Das ist der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in ein anderes Rechtsgeschäft, nämlich in eine Kündigung mit zulässiger Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen Termin“, wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege (§ 4 Satz 1, § 6 KSchG) geltend gemacht worden ist (BAG 1. September 2010 – 5 AZR 700/09 – Rn. 20, BAGE 135, 255; vgl. auch APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 66 ff.; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 4 KSchG Rn. 5; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 6 KSchG Rn. 18 ff.; KR/Rost 10. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3b und KR/Friedrich 10. Aufl. § 13 KSchG Rn. 289; Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71, jeweils mwN zum Streitstand im Schrifttum). Insoweit besteht entgegen der Auffassung des Klägers keine Divergenz zwischen dem Fünften und dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 9. September 2010 – 2 AZR 714/08 – Rn. 12, BAGE 135, 278).

3. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat allerdings in der Vergangenheit angenommen, die Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigung mit fehlerhafter Kündigungsfrist als solche zum richtigen Kündigungstermin sei der Regelfall. Denn der Empfänger der Kündigungserklärung dürfe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern müsse seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen. Bei einer ordentlichen Kündigung sei für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren wolle, weil er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden sei (BAG 15. Dezember 2005 – 2 AZR 148/05 – Rn. 25 ff., BAGE 116, 336; dem folgend: BAG 9. Februar 2006 – 6 AZR 283/05 – Rn. 32, BAGE 117, 68; ausdrücklich offengelassen: BAG 21. August 2008 – 8 AZR 201/07 – Rn. 31; nicht entscheidungserheblich: BAG 9. September 2010 – 2 AZR 714/08 – Rn. 13, BAGE 135, 278). Einer solchen Auslegungsregel fehlt die hinreichende Tatsachenbasis. Ob Arbeitgeber tatsächlich stets – und für die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger erkennbar – die objektive einzuhaltende Kündigungsfrist wahren wollen, ist bislang empirisch unerforscht geblieben. Zudem ist eine Kündigung zum 30. September ein anderes Rechtsgeschäft als eine solche zum 31. Dezember. Das Risiko, einen ausdrücklich genannten Kündigungstermin rechtlich zutreffend bestimmt zu haben, darf nicht auf den Empfänger der Kündigungserklärung abgewälzt werden (zutr. Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71; vgl. auch vHH/L/Linck 15. Aufl. § 4 KSchG Rn. 22a).

4. Ob eine ordentliche Kündigung mit objektiv fehlerhafter Kündigungsfrist im Regelfall als eine solche mit rechtlich zutreffender Kündigungsfrist ausgelegt werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Im Streitfall kann die Kündigung der Beklagten nach ihrem Inhalt und den festgestellten Begleitumständen als eine solche zum 31. Dezember 2009 ausgelegt werden.

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungserklärung der Beklagten nicht ausgelegt, sondern ist durch Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts ohne nähere Begründung der Auslegungsregel des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts gefolgt, obwohl es in der Berufungsverhandlung zur Erläuterung seines Vergleichsvorschlags noch auf – vermeintlich – „unterschiedliche Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts“ hingewiesen hatte. Die Auslegung der atypischen Willenserklärung kann der Senat aber selbst vornehmen, weil der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 1. September 2010 – 5 AZR 700/09 – Rn. 24 mwN, BAGE 135, 225).

b) Gegen eine Auslegung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 spricht, dass die Kündigungserklärung ausdrücklich das Datum 30. September 2009 enthält. Damit hat die Beklagte den Wirkungszeitpunkt ihrer Willenserklärung bestimmt und grundsätzlich das Risiko der rechtlichen Zulässigkeit des Termins übernommen. Das Datum relativiert sich aber durch den Zusatz „fristgemäß zum“. Damit lässt die Kündigungserklärung erkennen, dass die Beklagte auch Wert darauf legte, die maßgebliche Kündigungsfrist einzuhalten (insoweit aA Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71). Ob es der Beklagten entscheidend auf das Datum oder die Einhaltung der „richtigen“ Kündigungsfrist angekommen ist, erschließt sich aus den vom Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung festgestellten, außerhalb der Kündigungserklärung liegenden Begleitumständen. Diese bieten hinreichende Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe die Kündigung (auch) zu einem anderen Termin gewollt als (nur) zu dem im Kündigungsschreiben festgehaltenen Datum. Denn bei der Übergabe des Kündigungsschreibens wurde dem Kläger auf sein Begehr, keine außerordentliche Kündigung zu erhalten, von dem damaligen Inhaber der Beklagten versichert, er habe dies geprüft, die ordnungsgemäße Frist sei im Kündigungsschreiben benannt. Daraus ist – für den Kläger erkennbar – deutlich geworden, dass es der Beklagten wesentlich um die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist ging und sich das in das Kündigungsschreiben aufgenommene Datum lediglich als das Ergebnis einer fehlerhaften Berechnung der zutreffenden Kündigungsfrist erweist.

c) Einer Auslegung der Kündigungserklärung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 steht das Bestimmtheitsgebot nicht entgegen. Danach muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (BAG 15. Dezember 2005 – 2 AZR 148/05 – Rn. 24, BAGE 116, 336), ohne dass der Arbeitnehmer darüber rätseln muss, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung genannten Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte (BAG 1. September 2010 – 5 AZR 700/09 – Rn. 27, BAGE 135, 225). Dem genügt die Kündigung der Beklagten. Sie enthält nicht nur ein bestimmtes Datum, sondern den Zusatz „fristgemäß zum“. Nachdem zwischen den Parteien außer Streit steht, dass für ihr Arbeitsverhältnis keine anderen als die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten, kann der Kläger anhand von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB in einem einfachen Rechenschritt die maßgebliche Kündigungsfrist selbst berechnen, ohne dass er von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB in die Irre geführt werden könnte.

Anwalt A. Martin



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