Der Wiener Fotograf Reiner Riedler dokumentierte weltweit künstliche Ferienparadiese, in denen Realität und inszenierte Wunschwelt verschmelzen. Herausgekommen ist dabei eine Dokumentation von Südseeinseln in Brandenburg, Indoor-Skihallen in Dubai oder Niagarafällen in China. Bis zum 17. April wird die Ausstellung in Ulm gezeigt.
Ankündigungstext
Vor zehn Jahren stellte im Stadthaus eine Ausstellung zum Thema „Die Inszenierung der Freizeit“ die Architektur von Freizeitparks in den Mittelpunkt. Inzwischen baute die Freizeitindustrie noch absurdere Formen solcher Erholungsfabriken: Südseeinseln in Brandenburg, Indoor-Skihallen in Dubai, Niagarafälle in China. Nichts scheint unmöglich zu sein. Die Illusion wird mit großem materiellem und logistischem Aufwand aufrechterhalten, der Gast zahlt gut für anstrengungsloses Erlebnis – in der Regel abgekoppelt von Umgebung, Umwelt und Wetter und vor allem frei von allen vermeidbaren Risiken.
In „Fake Holidays“ untersucht der Fotograf Reiner Riedler mit dem Blick des Anthropologen solche hybriden Orte und ihre Besucher. Dabei findet er ironische, witzige, aber auch nachdenklich stimmende Bilder aus diesen schrillen und bunten Wunderwelten, die besonders dann aufmerken lassen, wenn die Inszenierung misslingt. Als Beobachter sucht Riedler nach Bildern, die die Brüche offenlegen, und rückt in den Mittelpunkt, was der zahlende Besucher dieser Traumwelten lieber aus der Wahrnehmung ausblendet.
Die Erlebnishungrigen werden nicht nur mit Schauspiel unterhalten, können sogar selbst in Kostüme schlüpfen und ihre Träume in solchen Umgebungen ausprobieren, analog zu Rollenspielen im Internet. Auch diese Selbstinszenierungen dokumentiert Riedler in Bildern – mit teilweise überraschenden Einblicken, die jedoch immer die Würde der Abgebildeten wahren.
Keiner der Urlauber geht bei solchen Aktivitäten ein Wagnis ein, wirklich neue Erfahrungen zu machen ist fast unmöglich und der Erholungseffekt scheint zweifelhaft.
Wer kommt dennoch wieder? Wirken diese vermeintlich perfekten Erholungsumwelten auf die Alltagswahrnehmung oder die Erwartungen der Besucher an die Vorbilder dieser Scheinwelten? Wie groß mag die Enttäuschung sein, wenn ein Gast des Hotels Venetian in Las Vegas sich zum Flug nach Italien durchringt, hier bei unklimatisierter, heißer Wetterlage mit den echten Kanälen Venedigs konfrontiert wird, die zwar das Auge erfreuen, aber die Nase beleidigen – und alle Eingeborenen sprechen italienisch?
Wer jedoch in der Bottroper Indoor-Skihalle wirklich das Skifahren übt und nicht ausschließlich bei der inszenierten Hüttengaudi versackt, kann es durchaus bis zum Skilehrer in den (echten) Alpen bringen – und schont sein CO2-Konto auf dem Weg dahin.
Quelle: Stadthaus Ulm
- Website des Fotografen Reiner Riedler
- Einführungsrede der Projektleiterin Annette Schellenberg (PDF-Datei)
Buchveröffentlichung
Reiner Riedler
Fake Holidays
mit Essays von Bill Kouwenhoven und Jens Lindworsky
Moser Verlag
München 2009
144 Seiten, 59,– Euro
ISBN 978-3-9812344-4-2
Ausstellung
Ulmer Stadthaus
Münsterplatz 50
89073 Ulm
10. Dezember 2010 – 17. April 2011
Sonntag, 6. Februar 2011
13.30 Uhr: Führung durch die Ausstellung mit Annette Schellenberg
15.00 Uhr: Die Truman Show. Filmnachmittag
Sonntag, 17. April 2011
13.30 Uhr Führung durch die Ausstellung mit Annette Schellenberg