Abgeknickte Straßenlaternen

Abgeknickte Straßenlaternen

Foto copyright by Manfred Wöller / pixelio.de

Wir waren wieder in unserem Alltag angekommen. Der gleiche Trott wie immer. Morgens nach dem Aufstehen die Kinder für die Schule/KiTa fertig machen, sie in den Frühdienst bringen, dann schnellstens zur Arbeit, gute Arbeit abliefern, nach Feierabend wieder die Kinder abholen, einkaufen gehen, Haushalt machen, mit den Kindern spielen, Abendessen, die Kinder ins Bett bringen...dann...endlich... Zeit für mich.
Gerne wäre ich mal wieder ausgegangen. Aber ein Babysitter war finanziell einfach nicht machbar, und so saß ich Abend für Abend alleine zuhause. Auch hätte ich gegen einen neuen Mann in meinem Leben nichts einzuwenden gehabt, doch es ergab sich einfach nicht. Wie auch? Wenn ich nicht arbeiten war, dann war ich zuhause. Wo und wie sollte ich mit diesem Tagesablauf einen Mann kennenlernen? Das Internet existierte noch nicht. Ich hätte es höchstens über Kleinanzeigen probieren können, doch irgendwie war das nicht mein Ding. Nein, das wollte ich nicht, da blieb ich lieber alleine. Und so war es dann auch.... ich blieb alleine. Das war zwar einerseits traurig, aber andererseits auch ok. Ich hatte nämlich auch Angst, mich wieder in den Falschen zu verlieben. Nein, so etwas wie meine gescheiterte Ehe wollte ich keinesfalls nochmals erleben. Gegen diese Ehe war das alleine sein das kleinere Übel.
So lebten wir drei einigermaßen zufrieden. Bis zu dem Tag, an dem mir Bianca sagte:"Mama, ich sehe nicht mehr richtig. Ich sehe mit dem linken Auge kleine schwarze Flecken. Was ist das?"
Zuerst machte ich mir keine große Sorgen und antwortete:"Vielleicht ist Dir beim Spielen etwas Sand oder Dreck in die Augen gekommen. Das geht bestimmt wieder von selbst weg." Ich schaute mir ihr Auge genau an, konnte aber keine Auffälligkeiten feststellen und so beließ ich es dabei.
Die nächsten Tage klagte Bianca nicht mehr und ich dachte auch nicht mehr daran.
Doch dann kam Bianca erneut auf mich zu und sagte:"Mama, wenn ich mein rechtes Auge schließe und nur mit dem linken Auge schaue, dann haben die parkenden Autos am Straßenrand plötzlich große eingedrückte Beulen. Außerdem sind dann auch alle Straßenlaternen abgeknickt. Warum ist das so?"
Jetzt horchte ich doch auf. Sie sah Autos mit großen eingedrückten Beulen und Straßenlaternen mit einem Knick? Zuvor schwarze Flecken beim Sehen? Sowas hatte ich ja noch nie gehört. Was war das? Um das heraus zu finden machte ich einen Termin beim Augenarzt.
Ein paar Tage später, es war ein Freitag, saßen Bianca, Marco und ich im Wartezimmer der Augenärztin, bei der ich den Termin bekommen hatte. Ich musste Marco mitnehmen, er war noch zu klein, ich konnte ihn noch nicht alleine zuhause lassen.
Die Augenärztin machte einen guten Eindruck auf mich. Sie ging sehr gut mit Bianca um, erklärte ihr alles, was sie machte. "Du bekommst jetzt Augentropfen, damit sich Deine Pupillen erweitern und ich besser in Dein Auge sehen kann. Das kann ein bisschen brennen, ist aber überhaupt nicht schlimm!" sagte sie mit einem freundlichen und beruhigenden Lächeln zu Bianca. Die fasste Vertrauen und ließ alles widerstandslos über sich ergehen.
Als die Tropfen ihre Arbeit getan hatten und Biancas Pupillen erweitert waren, begannen die Untersuchungen. In einem abgedunkelten Zimmer wurde ihr ins Auge geleuchtet, der Augendruck gemessen, es wurde wieder getropft, wieder untersucht...
Ich bemerkte, wie die Ärztin einen besorgten Gesichtsausdruck bekam. Endlich, als sie die Untersuchungen abgeschlossen hatte, sprach sie über ihre Diagnose.
"Ihre Tochter hat im Augenhintergrund eine Einblutung. Vermutlich rührt sie daher, dass der Sehnerv entzündet und geschwollen ist. Die Schwellung drückt auf die feinen Blutäderchen und dadurch ist wohl eines geplatzt. Die Blutung an sich macht mir keine Sorgen, aber der entzündete Sehnerv. Es müssen sofort weitere Untersuchungen in der Augenklinik des Katharinenhospitals gemacht werden. Ich kann Ihnen in diesem Fall leider nicht weiter helfen. Sie müssen mit ihrer Tochter schnellstens in die Augenklinik. Am besten sofort. Bei einer Sehnervenentzündung ist es sehr wichtig, schnellstmöglich eine entsprechende Therapie zu beginnen, denn schlimmstenfalls könnte ihre Tochter erblinden."
Ich wollte meinen Ohren nicht trauen! Was redete die Augenärztin da? Bianca war sehr krank und es bestand die Gefahr, dass sie erblindete? Diese Wahrheit traf mich wie ein Schlag und ich war geschockt. Am liebsten hätte ich geheult. Doch ich musste stark sein für meine Kinder, vor allem für meine Tochter. So versuchte ich, so gefasst wie möglich zu reagieren. Die Ärztin telefonierte sofort mit der Augenklinik und meldete uns dort an. Sie gab mir den Einweisungsschein und schickte uns mit ihren besten Wünschen auf den Weg. Wie in Trance fuhr ich mit den Kindern dahin. Wir wurden schon erwartet, mussten aber trotzdem noch sehr lange warten, bis Bianca dran kam. Ein Notfall war soeben hereingekommen und die ambulanten Patienten mussten warten.
Insgesamt waren wir 7 Stunden in der Augenklinik.Bianca wurde genauestens untersucht, immer und immer wieder. Sie bekam Augentropfen, dann musste sie warten, bis die Tropfen wirkten, dann kam eine Untersuchung, danach wieder Augentropfen, wieder warten, wieder eine Untersuchung. So ging es stundenlang. Es wurde ein Gesichtsfeld gemacht und diverse Tests mit Lichtern. Die Diagnose der Ärztin wurde bestätigt. Es handelte sich um eine gravierende Sehnervenentzündung, die einen besonders schlimmen  Verlauf hatte. Die Ärzte baten darum, Biancas Augenhintergrund fotografieren zu dürfen, um diesen Fall mit ihren Ärzten in Ausbildung zu erörtern. Bianca war ein tapferes Mädchen und stimmte dem Ganzen zu.
Es war mittlerweile Freitag abend, 22 Uhr. Die Ärzte wollten Bianca sofort auf Station behalten. Als Bianca hörte, dass sie im Krankenhaus bleiben musste, fing sie bitterlich zu weinen an. Bis jetzt hatte sie alles tapfer durchgestanden, aber nun wurde es ihr zuviel. Sie weigerte sich vehement, in diesem Krankenhaus alleine zu bleiben. Ich konnte ja nicht bei ihr bleiben, ich hatte ja noch Marco, der mich auch brauchte. Ich konnte mich nicht zweiteilen! Also fragte ich die Ärzte, was denn an diesem Abend mit Bianca noch geplant wäre. Nichts, sagten die Ärzte und ich frage sie, ob es denn dann nicht besser wäre, wenn ich Bianca mit nach Hause nehmen würde und am nächsten Tag mit ihr ins Krankenhaus zurück kehren würde. Doch auch damit war Bianca überhaupt nicht einverstanden. Sie wollte in diesem Krankenhaus einfach nicht bleiben. Immer wieder sprach sie davon, dass sie nur in ein Krankenhaus mit Kindern gehen würde. Also fragte ich die Ärzte, ob Bianca nicht auch im "Olgäle", dem Kinderkrankenhaus Stuttgarts, behandelt werden konnte. Begeistert waren die Ärzte von dieser Lösung nicht. Doch sie sahen ein, dass Bianca traumatisiert werden würde, wenn man sie jetzt gegen ihren Willen alleine hier behalten würde. Und so willigten sie zähneknirschend ein. Ich musste unterschreiben, dass ich Bianca auf eigene Gefahr wieder mit nach Hause nahm. Und ich musste versprechen, gleich am nächsten Morgen mit ihr ins Olgäle zu gehen.
Es wurde eine schlaflose Nacht. Beide Kinder waren durcheinander, vor allem Bianca. Sie verstand zwar nicht genau, was da gerade vor sich ging, sie wusste aber, dass mit ihrem Auge etwas nicht stimmte und sie deswegen ins Krankenhaus musste, das erste Mal in ihrem Leben. Das war ihr unheimlich und so suchte sie in dieser Nacht ganz besonders meine Nähe. Auch Marco wollte nicht alleine in seinem Zimmer bleiben, und so schliefen wir alle drei im Wohnzimmer auf der ausgezogenen Schlafcouch. Links und rechts hatte ich je ein Kind im Arm, beide schmiegten sich eng an mich und suchten Wärme und Trost bei mir. Ich traute mich kaum, mich zu bewegen. Die Kinder schliefen bald ein, sie waren total übermüdet. Ich konnte nicht schlafen. Immer und immer wieder ging mir das Erlebte, die Diagnose und die Frage, was weiter geschen würde und wie Bianca das Ganze überstehen würde, durch den Kopf. Fast die ganze Nacht lag ich wach, irgendwann im Morgengrauen schlief dann auch ich noch für ein paar Stunden ein.
Der Wecker klingelte um 7 Uhr. Total erschlagen stand ich auf und bereitete das Frühstück für die Kinder und mich. Um 9 Uhr wollte ich im Olgäle sein. Ich weckte die Kinder. Bianca fing sofort wieder an zu weinen. Sie wollte nicht ins Krankenhaus. Mit Engelszungen redete ich auf sie ein und bald hatte ich sie soweit, dass sie sich mit mir und Marco ohne weiteres Weinen auf den Weg ins Kinderkrankenhaus machte.
Dort kamen wir schnell dran, wir mussten kaum warten. Der aufnehmende Arzt las den Bericht der Augenklinik, machte nochmals einige Untersuchungen und sagte dann:" Wir haben hier im Haus zwar eine Neurologie, aber keine Augenklinik. Wir können ihre Tochter aufnehmen, aber dann müsste sie zu den speziellen Untersuchungen immer von hier aus mit dem Krankenwagen in die Augenklinik gefahren werden. Wenn Ihnen das nicht zuviel wird, dann können wir das so machen."
Bianca war nach wie vor nicht bereit, in der Augenklinik auf Station zu gehen und so entschied ich mich für diese Lösung.
Weiter sagte der Arzt:"Jetzt haben wir Wochenende. Heute und morgen würden wir keinerlei Untersuchungen bei ihrer Tochter durchführen. Daher befürworte ich es, dass sie mit Ihrer Tochter nochmals ein schönes Wochenende erleben und am Montag um 8 Uhr wieder bei uns zur stationären Aufnahme vorstellig werden."
Ich war dem Arzt sehr dankbar, dass er das so sah. Jetzt hatte ich mehr Zeit, Bianca schonend auf ihren Krankenhausaufenthalt vorzubereiten. Sie war so glücklich, dass sie wieder mit Marco und mir nach Hause durfte! Der Arzt sagte noch, sollte sich ihr Sehvermögen verändern, müssten wir aber sofort wieder in die Augenklinik gehen. Sonst gab er uns nur noch als Einschränkung mit, dass Bianca sich nicht anstrengen sollte, keinen Sport machen sollte. Dann waren wir entlassen.
So unterschiedlich sahen also die Ärzte Biancas Situation. Da war einerseits die Augenärztin, die uns sofort ins Krankenhaus einwies. Dann die Ärzte in der Augenklinik, die Bianca direkt auf  Station legen wollten, obwohl durch das Wochenende keinerlei Untersuchungen gemacht wurden und dadurch auch noch keine Therapie begonnen werden sollte. Und da war der Kinderarzt vom Olgäle, der für das Wochenende keine Gefahr für Bianca sah und ihr erlaubte, ein schönes Wochenende im Kreise ihrer Familie zu erleben.
Die letzte Lösung war die Beste. Am Samstag gingen wir in die Wihelma und am Sonntag ins Kino. Bianca und Marco waren glücklich und vergaßen in dieser Zeit Biancas erkranktes Auge. Mich begleitete die Sorge um Bianca durch das ganze Wochenende. Ich beobachtete sie mit Argusaugen, achtete auf jede Kleinigkeit, aber sie gab sich wie immer, es schien ihr unverändert gut zu gehen.
Am Montag dann machten wir uns auf, um Bianca endgültig im Olgäle stationär aufnehmen zu lassen.


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