We Disappear / i-camp Theater / 29.11.2013 Performative Inszenierung von Alexander Griesche, Mirko Hecktor, Tarun Kade und Nadia Fisterol

Das Stück endet mit der Weltschöpfung, evoziert über eine anonyme Stimme, die Projektionen begleiten. Von der seriellen Mutation mikrobischer Urzustände ausgehend, steigert sich die einberufene neue Welt bis in den Redestrom einer monoton-rhythmisierten und dichtgedrängten Professionalisiertheit der Begriffe. Dieser Allgemeinplatz erhält jedoch in der konstruierenden Rückschau durchaus seine Berechtigung, denn er ist der runde Schluss eines durchgängig antiklimatisch angelegten Performancestückes.

Die anonymen Figuren tragen futuristische Sportkostüme wie Engineers of Daily Life. Die sportive Geste ist dann auch das einzige, was an Haltung übrig bleibt, wenn das Zelebrieren polymorphen Begehrens nur mit und durch die Einsicht geschieht, dass wir daran auch Schaden nehmen (könnten). Während denn noch in der Mitte des Stückes zwei der vier Figuren am Rand der mit schwarzer, dicker PVC-Folie ausgelegten Bühne unbefangen Zigaretten rauchen, steht Mirko Hecktor in einem überkörpergroßen, aufgeblasenen Ball, mit einer Nebelmaschine in der Hand und einem immer verschwommener werdenden, aber konstant blinkendem Stirnlicht daneben: keine Szene einer einschnürenden Ausweglosigkeit, sondern das Publikum ist ob der Nonchalance amüsiert.

So wie das Ende des Stücks den Anfang einer abrufbaren Spule aufgreift, beginnt es mit dem programmatisch verhinderten Urknall eines durch einen Kompressor aufgeblasenen Ballons. Das Spiel mit Erwartung und Vorhersehbarkeit wird dort neckend, wo der Zuschauer mit dem eigenen Sicherheitsdenken konfrontiert wird, indem wir uns die Ohren umsonst zugehalten haben oder die eingangs bereitgestellten Ohrstöpsel doch nicht brauchen. Als nicht ganz so nutzlos stellt sich letztendlich die Sonnenbrille heraus, ebenfalls ein Gegenstand der Comfort-Zone. Sie führt uns vor Augen, dass wir in der Ausgesetztheit in einer extremen und spektakulären Situation – in diesem Fall das grelle, blendende Licht eines Stroboskop – in diesem Experiment nicht nur Mächtige sind. Vielmehr irritiert es, dass unsere Souveränität nicht wirklich eine Rolle spielt, oder wir vielmehr den richtigen Moment verpasst haben, die Sonnenbrille aufzusetzen.

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Das Versprechen einer gewillten, adoleszenten Gleichgültigkeit (Coolness) bleibt also genauso uneingelöst wie die theatralische Katastrophe der Bühne. Was übrig bleibt, ist Ping Pong, das mit Pacman verschmilzt, das Aufsammeln der losgetretenen Tischtennis-Lawine, die Hits unserer Tage, mal in Cover-, mal in Radioversion und Environment als Envisionment.

Und hier sind wir bei der eigentlichen Aktualität des Autoren-Stückes: Das Lebensgefühl der Mitte-Dreißiger wird hier verhandelt, für die die Illusion einer Teilhabe damit ausgedrückt werden kann, dass man seine eigenen Blasen aufgeblasen hat und in diesem Stück in einem durchgängig dichten Geflecht gespiegelt wird. Die provozierten Affekte und damit die schauspielerische Leistung sowie die intellektuelle Anforderungen der Bilder sind vielfältig und diffizil und das macht die eigentliche Raffinesse und Qualität des Stückes aus, das mit wenigen, aber ausgesuchten Mitteln der künstlerischen Abstraktion einen Diskurs über eine post-postmoderne Befindlichkeit erschafft. Als Koproduktion wird es noch im Theater Bremen am 1. Februar 2014 aufgeführt werden und im Mousonturm in Frankfurt am 03. und 04. Mai 2014 zu sehen sein.


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