“Fräulein Julie” von August Strindberg; Regie: Marco Molinarius

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Kellerkälte, Glühwein, Brot und ein Metzgervorhang.
Beim Betreten des „HAUS DER KLEINEN KÜNSTE“ zu „Fräulein Julie“ könnte man meinen der Einlassbereich wäre bereits Teil des Bühnenbildes – nämlich der Küche, dem Ort des Geschehens – in einem der von August Strindbergs meistaufgeführtesten Stücke.
Ein Schrei der Protagonisten ersetzt das übliche Theaterklingeln und mit dem wärmenden Wintergetränk in unseren Händen betreten wir: Einen Raum mit Ofen und Sofa – das Wohnzimmer.

 

Jean (Daniele di Lorenzo), der Diener des Hauses, von der ersten Sekunde an der Gelassene und doch gleichzeitig Dominierende Part des Dreiergespanns hört vom Sofa aus zu, wie seine Angetraute (Laura Götz) uns in die Geschichte einführt.
Seine Angetraute, das ist in diesem Fall die „Köchin“ Strindbergs, die sich gleich zu Beginn in eine beobachtende Rolle begibt, indem sie sich auf Seiten der Zuschauer stellt.
Dass sie seine Angetraute ist, wird im Verlauf des Stückes klar: Hier hatte der junge Regisseur Marco Molinarius die großartige Idee ihr Teile von Jeans Texten zu geben, bzw. die beiden im Chor sprechen zu lassen. Die im Gegensatz zur Protagonisten kindlich anmutende Angetraute spricht aus, was er nicht sagen kann. Macht deutlich, dass das ganze Spiel nur darauf abzielt gemeinsam Julie (Natalie Gabriela Müller) zu manipulieren, damit sie ihnen hilft den niederen Stand zu verlassen. Ihr Fuß ruht auf Julies Körper, als diese sagt „Sie reden, als ständen sie bereits über mir“.
Ja, die kindlich angetraute trägt die ganze Zeit eine Puppe mit sich herum – aber das ist okay, trotz ihrem naiven Beobachten wird sie zur schlauen und sympathischen Komplizin Jeans und gleichzeitig zur Identifikationsfigur für den Zuschauer.
Julies unnahbare Dominanz, ihre fast anmaßende Aufdringlichkeit gegenüber Jean wird durch eben seine ruhige Art gebremst – er spiegelt wundervoll den Charme wieder, den diese Figur braucht, damit eine Grafen-Tochter wie Julie ihm verfallen kann. -Bleibt nur die Frage warum. Warum tauscht er diese liebenswerte, ihn gänzlich verstehende Angetraute gegen das kalte, übermütige Wesen Julie?

 

Die Tatsache, dass sich der Regisseur das viel diskutierte Musikvideo „Wrecking Ball“ von Miley Cyrus zur Inspiration nahm, lässt vermuten, dass Julie hier ein bisschen zu ambitioniert eine Haltung eingenommen hat, die schon von Anfang an klar ist und selbst dann keine Steigerung findet, wenn sie am Ende mehrfach gegen die Wand rennt.
Wie in “Wrecking Ball” gibt es einen kleinen Moment, in dem man aufatmen kann, weil man kurz Julies Seele sieht, kurz Mitleid hat – aber spätestens als das Schweineherz mit der Axt zerschlagen wird und Julie den Raum durch den Metzgervorhang verlässt sind wir froh, dass Jean – wie auch immer es weitergehen wird – mit seiner Angetrauten zurückbleibt und  ihre Welt – ihre ist es nämlich, die in Wahrheit die Gehobene ist – wieder für sich ist.
Schade nur, dass Julies Vater, der Graf, hier nur für den kleinen Moment eines Telefonats und nur auf Jean allein, Macht auf diese Szene ausübt. Und Julies Zerrissenheit somit nur dadurch deutlich wird, dass sie einen blutigen Verband ums Handgelenk trägt.

 

Das blutende Schweinherz ist nicht das einzige überraschende Bild dieser Inszenierung. Es ist unbedingt sehenwert, mit welch kleinen und feinen Ideen ein grauer Kellerraum zur Bühne wird: Der Lichtschalter, das Blut und die stillen Momente, von denen diese Dreier-Beziehung lebt, können und sollten vorerst noch am 9./10./11. Januar im Haus der kleinen Künste in der Buttermelcherstraße 18 bewundert werden. Aber Vorsicht: Es gibt nur wenige Plätze und die Premiere war gefüllt mit einem tollen Publikum. Vielen Dank für diesen schönen Abend.

 


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