Was der Mensch dem Menschen antut

Anja Reschke von den "Tagesthemen" hatte grundsätzlich recht. Auschwitz sollte als Mahnung nie enden. Was damals geschah, muss weiterhin in den Köpfen der Menschen präsent bleiben. Man darf nicht so tun, als gehe es uns ach so moderne Menschen nichts mehr an, was unser ruppiger Generationenvorgänger da angestellt hat.

Was der Mensch dem Menschen antutSie hätte vielleicht mehr über die Qualität des Gedenkens sprechen sollen. Das habe ich hier schon ziemlich oft getan. Ich glaube, seitdem es diese Plattform hier gibt, war das ein Thema. Mit ein wenig "Nie wieder!" kriegen wir das Bewusstsein nicht mehr in die Köpfe. Es reicht nicht, wenn an Tagen, da sich Ereignisse von damals jähren, der gute Anzug aus dem Kleiderschrank geholt wird und man Demut vor der Geschichte zeigt. Wenn wir es ernst meinen, dass Auschwitz sich nicht wiederholen darf, dann fängt der Kampf um Menschenrechte und Menschenwürde im Alltag an. Dort wo Bundespolizei besonders nach Schwarzfahrern fahndet, die genau das sind: Schwarz. Zum Beispiel. Oder wenn rechte Parteien mit dem Slogan "Gas geben!" werben und exakt diese Parteien jetzt mit der Mittelschicht durch Deutschlands Straßen marschieren ... "die Reihen fest geschlossen [...] mit ruhig festem Schritt."
Reschke sagte weiter, sie schäme sich für die Bilder, die aus den Konzentrationslagern kommen. Das finde ich gut. Sie schäme sich als Deutsche. Das finde ich albern. Man sollte sich als Mensch dafür schämen, was sein Artgenosse so alles mit seiner eigenen Spezies anstellen kann. Ob es Teil heutiger deutscher Identitäten sein muss, dass man sich dafür schämt, wage ich stark zu bezweifeln. Gut, das sagen die modernen Bürger, die natürlich nicht rechts sein wollen, es aber verkappt sind, ja auch. Reschke hat auch ordentlich Zunder bekommen, weil sie den Deutschen mal wieder einen Schuldkomplex einflüsterte - aber so meine ich das gar nicht. Ist die strafrechtliche Verfolg homosexueller Männer in der Adenauerzeit denn etwa auch deutsche Identität? Die Spießigkeit und ihre Enge von damals - auch Identität? Die Spiegel-Affäre und Ohnesorg? Alles Teil deutscher Selbstwahrnehmung für Leute, die 1988 geboren sind?
Es geht auch überhaupt nicht mehr darum, was Deutschen der Welt angetan haben. Aber was der Mensch dem Menschen antut, darüber sollte man immer und immer wieder sprechen. Sich zu erinnern hat heute nichts mehr mit Schuld zu tun. Und in gewissem Sinne muss niemand, der weit nach dem Krieg in Deutschland geboren ist, seine Identität an die Shoa heften. Aber er sollte sie kennen, moralisch verinnerlichen und immer daran denken, was geschehen kann, wenn man die Würde des Menschen aus den Augen verliert. Geschichtliche Ereignisse werden im Laufe der Zeit generalisiert und bleiben dann von den Basisdaten enthoben. Das ist normal. Keiner macht heute mehr den Spaniern persönlich Vorwürfe für ihre limpieza de sangre. Man sagt nur: Seht her, wohin das führt, wenn vermeintliche Fortschrittsmenschen auf vermeintliche Primitive treffen. So endet der Mist dann. Lernt daraus.
Ich halte es auch für dringend notwendig, dass man Geschichte nach einer gewissen Zeit von Vorwürfen und Rollenverteilungen entblättert, um daraus einen ethischen Imperativ machen zu können. Reschke hat ja richtig erkannt, dass Auschwitz nicht als ethische Schule aufgebraucht sein sollte, dass es in unserer gesellschaftlichen Verantwortung liegt, auch weiterhin auf die damaligen Geschehnisse hinzuweisen. Aber das deutsche Schamgefühl sollte es heute nicht mehr anfachen. Nicht aus Vergessenheit oder weil das Damalige jetzt plötzlich verzeihlich wäre, sondern weil die Zeit reif ist, die Dinge mit etwas mehr Abstand zu betrachten. Ein Abstand natürlich, den die Patrioten auf den Straßen jetzt anders definieren. Sie wollen den Völkermord auf Abstand halten. Und genau das meine ich nicht. Wir müssen ihn immer wieder heranholen. Aber ohne Rollenmuster. Denn die Tore zu Auschwitz können überall sein. Mit der Singularität der Ereignisse entzieht man dem Stoff die Substanz, die dazu führt, doch ein klein wenig aus der Geschichte zu lernen.


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