Großartiger Kooperationsgeist

Auch ein Nachruf.
Ausgangssubstanz für Agent Orange war 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure. Der US-Konzern Dow Chemical bezog sie von der deutschen Firma Boehringer. Bei der Herstellung der T-Säure fällt giftiges Dioxin (TCDD) an. Damit man es in der Forstwirtschaft überhaupt einsetzen kann, muss man es aufwändig von dem Gift reinigen. Aber Dow Chemical war daran nicht interessiert. Denn aus der Mischung der dioxinhaltigen Substanz mit 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure entsteht das Entlaubungsmittel Agent Orange. Und das sollte in Vietnam für Durchblick sorgen. Für einen herbstlichen Dschungel, der sein Blattkleid abwirft.
Großartiger KooperationsgeistBei Boehringer wusste man in etwa, wofür die T-Säure geordert wurde. Innerhalb von 1962 bis 1970 warf man 57.000 Tonnen Agent Orange auf Vietnam und Laos. Der Kontakt mit dem Dioxin führte zu schweren Erkrankungen der Haut und des Nervensystems. Menschen erblindeten und langfristig wuchs in dieser Weltregion die Krebsrate an. 3 Millionen Menschen sollen unmittelbar an den Folgen des Gifteinsatzes in Vietnam gestorben oder erkrankt sein. 4,4 Millionen erlagen den Folgen nach 1970. Und das sind nur alte Zahlen von 1997. Fehlgeburten bestimmten fortan die Fertilität. 50.000 gab es alleine zwischen 1975 und 1985. Kinder ohne Beine oder Arme oder mit offenem Rücken. Die gesamte Grausamkeit des letzten Jahrhunderts schien in dieser Episode der Menschheitsgeschichte zu kulminieren.

Dow Chemical lobte noch Jahre später den »großartigen Kooperationsgeist« des deutschen Partners. Ein Mitglied der Geschäftsführung von Boehringer notierte sich 1967: »Solange der Vietnamkrieg andauert, sind keine Absatzschwierigkeiten zu erwarten.« Man wusste also durchaus, wo die T-Säure angewandt wurde. Aber Geschäft war Geschäft. Und was der Endverbraucher mit dem Produkt anstellte, war schließlich und endlich seine Sache. Wer Feuerzeuge verkauft, kann doch auch nichts dafür, wenn der Käufer damit ein Mehrfamilienhaus in Flammen setzt.
Ein Mitglied aus der sechsköpfigen Geschäftsführung, die für den Giftgas-Deal verantwortlich war, schied schon Ende 1966 bei Boehringer aus. Zwei Jahre vorher war er bereits Präsident des Evangelischen Kirchentages geworden. Fortan widmete er sich verstärkt der Politik. Der Mann hieß Richard von Weizsäcker. Später in seinem Leben sprach er von der Kultur des Erinnerns und das war fürwahr keine kleine Sache damals in den Achtzigern. Das gebührt Anerkennung. Aber die Erinnerungen, die man sich über ihn so erzählt, streifen selten Agent Orange.
Ist das ein Nachruf? Klar. Aber über Tote sollte man bekanntlich nichts Schlechtes sagen. Einverstanden. Jedenfalls nicht unmittelbar nach dem Tod. Das ist pietätlos. Aber andererseits ist es auch fern jeglicher Pietät, wenn man den Verstorbenen so einseitig zeichnet, wie sie es jetzt tun. Natürlich hat der Mann als Bundespräsident einige kluge Dinge gesagt. Besseres als der, der heute in dem Bett ratzt, in dem von Weizsäcker mal schlief. Aber er war ein Kind des letzten Jahrhunderts. Und daher verbandelt in die Irrungen und Wirrungen der Welt. Hatte den Puls ganz nah am Geschäft mit dem Tod. Daran sollte man auch mal erinnern. Dieser großartige Kooperationsgeist war auch ein Stückchen seines Lebens. Ein Heiliger ging nicht von uns.
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