Von Möchtergern-Profis und Schulterklopfern

Fitnessstudios sind voller skuriler Gestalten. Da wären zum einen die Pumper, die zwar oft ziemlich laut stöhnen, aber sonst niemanden stören. Die Mädels, die den Gang von der Freihantelfläche zum Cardiobereich mit einem Laufsteg verwechseln, kraftlose Gelegenheitssportler oder unmotivierte Frauen, die mit ihrer Zeitschrift auf dem Crosstrainer eben nicht schwitzen sind weitere Kandidaten, die man sieht, den Kopf schüttelt und sie wieder vergisst. Wer mir im Gedächtnis bleibt? Das sind definitiv die Möchtegern-Sportler, die während ihrer “Sporteinheit” nicht nur keinen Schweiß ausdünsten, sondern auch noch Tage danach stolz darauf sind.

“Na, schon fertig für heute?”
Ich drehe erschrocken meinen Kopf herum, so dass der Schweiß nur so aus meinen Haaren spritzt. Mit gläserigen Augen und schwer atmend blicke ich in das taufrische Gesicht eines Mannes, von dem ich eigentlich bisher dachte, er wäre eine Dekorationsfigur aus Pappmaché – platziert am Tresen im Fitnesstudio, stets einen rosafarbenen Eiweißshake vor sich.
“Ähhhh?”, frage ich atemlos, nachdem ich gerade ein zwanzigminütiges Zirkeltraining hinter mir habe. Meine Arme brennen, mein Shirt ist nassgeschwitzt und meine Beine zittern noch immer vom Hügellauf, den ich schon hinter mir habe.
“Na, lange hast du aber nicht trainiert heute!”, sagt die dicke Pseudo-Deko-Figur und sein Proteinshake-Bart wackelt beim Lachen. Ich betrachte sein T-Shirt, das nicht einen nassen Fleck hat. Überhaupt sieht er noch verdammt frisch aus. Stolz wie Oskar guckt er auf die Uhr. Lächelt. Guckt mich an. “Ich bin ja schon seit drei Stunden hier. Gleich gehe ich nochmal aufs Laufband. Das solltest du auch tun. Cardio als Abschluss ist super effektiv!” Ich reibe mir den Schweiß aus den Augen, um seinen Bierbauch genauer betrachten zu können und wünsche mir, ich könnte irgendwo auch ein paar von diesen Pillen bekommen, die er sich eingeworfen haben muss.

Solche Typen kennt ihr bestimmt auch: Sie stehen im Fitnessstudio meist nur herum, quatschen, trinken Shakes oder Zuckergetränke, um den Energieverbrauch auszugleichen, der durch das inkompetente Belehren von wirklich ambitionierten Freizeitsportlern entsteht. Manchmal erwischt man sie auch auf dem Fahrrad-Ergometer, mit einem Buch oder dem Blick auf Eurosport, aber in jedem Fall nie ernsthaft schwitzend. Nicht selten lungern sie auch auf einem Trainingsgerät herum und hören Musik, völlig unbekümmert dessen, dass sich vor dem Gerät schon eine Schlange ziemlich angesäuerter Sportler gebildet hat. Verschlägt es sie in den freien Trainingsbereich, blühen sie so richtig auf und geben alles: Sie rollen sich auf ihrer Matte herum, stemmen 1 Kilo-Hanteln oder hängen locker in den TRX-Seilen, ohne auch nur irgendeinen einzigen Muskel zu spüren. Und das beste: Das tun sie nicht erst seit gestern, sondern im schlimmsten Fall schon immer. Und sie lassen sich auch nicht davon irritieren, dass sie seit fünf Jahren kein Gramm Fett verloren, geschweige denn Muskeln aufgebaut, haben und sie von Trainern immer wieder angeleitet werden, ihr Training doch lieber kürzer, dafür aber effektiver zu gestalten. Doch Hilfestellungen von anderen sind unerwünscht – denn sie wissen sowieso alles besser. Vielleicht trainineren sie auch einfach gerne nach dem Margarinenmotto “Ich will so bleiben wie ich bin”.

Im Grunde könnte es mir egal sein, wer im Studio wie und warum falsch (oder gar nicht!) trainiert. Sobald ich aber unter einer Gardine von Schweiß, der über mein Gesicht rinnt, meine letzte Atemkraft dafür opfern muss, mich vor einem solchen Trainingsverweigerer zu rechtfertigen, wieso ich denn “schon” fertig für heute bin, würde ich mich am liebsten in ein wütendes Hulk-Mädchen verwandeln und den Kerl durch den Fitnessclub jagen – dann wüsste er auch endlich mal, was diese sonderbare Flüssigkeit ist, die mir nach ein paar Minuten Zirkeltraining schon in Bächen aus den Schweißdrüsen läuft.

Nicht ganz so hoch im Aggretionspotential, aber mindestens genauso nervig sind die Leute, die einen durch Plaudereien vom Traninig abhalten wollen. Ich komme ins Studio, um zu trainieren, und nicht, um den neuesten Klatsch und Tratsch auszutauschen. Meine 90 Minuten Trainingszeit sind knapp getimed – und jeder geplauderte Satz kostet mich mindestens eine Übung.

Am Tag nach meiner Begegnung mit dem schweißlosen Shaketrinker komme ich – mit höllischem Muskelkater, die Kniebeugen beim Zirkeltraining haben sich ganz offensichtlich dazu entschlossen, mich zu verfolgen – zur Arbeit. Nichts neues eigentlich, denn “sore is the new sexy”, und dank des regelmäßigen Trainings bin ich es gewohnt, häufig Muskelkater zu haben. Ganz anders sind die One-Hit-Wonder, die sich dank spontan gewachsener guter Vorsätze plötzlich gestern ebenfalls zum Sport gequält haben. Vielleicht sind es auch die, die sonst nur ins Fitnessstudio gehen, um Shakes zu trinken, denn wo kommt sonst plötzlich die Clubmotgliedschaft her? Man weiß es nicht. In jedem Fall fühlen sich die spontan Fitgewordenen dazu bemüßigt, jedem zu von ihrem grandiosen Workout zu erzählen, egal ob man es hören möchte, oder nicht. Als hätten sie am vergangenen Abend ein Land vor der Unterdrückung befreit, brüsten sie sich; egal ob in der Teeküche, in der Kanine, mitten auf dem Flur; überall heischen die besagten Saisonsportler nach anerkennenden Schulterklopfern. “Ich war am Wochenende laufen”, geben  sie an und tun so, als kämen die zwei halbherzig abgerissenen Kilometer einer Marathonleistung gleich; oder freuen sich wie Bolle, dass sie es ganze zwei Mal im Monat zum Krafttraining ins Fitnessstudio geschafft haben. Mehr ging nun wirklich nicht, wegen der ganzen Arbeit und überhaupt – soo nötig haben sie es ja eigentlich gar nicht, sagen sie, und lassen die nicht vorhandenen Bizepsmuskeln spielen. Und weil sie es nicht so nötig haben, gehen sie dann auch nicht mehr hin – jedenfalls bis zum nächsten Mal, wenn sie sich in sechs Monaten mal wieder aufspielen wollen. Würde ich jedes Mal, wenn ich beim Sport gewesen bin, so einen Affentanz aufführen, hätten mich meine Freunde und Kollegen wohl schon längst vor Genervtheit erdrosselt.

Einige ganz subtile schnallen sich übrigens auch einen Schrittzähler ans Handgelenk, um den Kollegen zu zeigen, wie furchtbar aktiv sie heute schon waren. Grandios! Und die rotten sich dann auch gern mal zusammen, um sich gegenseitig zu bewundern – denn eins ist klar: Leute, die ernsthaft Sport betreiben, sei es Laufen oder Fitness,  können hier nur müde über die zurückgelegten 1100 Meter lächeln. Und auch ich weiß: Der Typ mit dem Fuelband, der im Büro den Aufzug statt der Treppe nimmt, ist genau der Kerl, der mich morgen mit Shakebart vom Tresen aus angrinsen wird.


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