Valle Grande

Ich schaue auf die Uhr: Die Sonne steht zu hoch, befinden wir beide – aber beide waren wir noch nie so weit im Süden unseres Planeten, und Sebastian noch nie so weit weg von zu hause. Ich liege im Zelt, er draußen im Schatten. Tagträume, im Spanischen gibt es kein Wort hierfür, dafür kennt es mehr Begriffe für Frühstück, oder Rindfleisch. Gedanken kleben an Sonnencreme. Fliegen krabbeln über meine Beuge, ihre Rüssel stechen in Schweißtropfen. Wir haben zu wenig Trinkwasser mitgenommen, dafür zwei Flaschen Wein. Aber schlechter Rotwein ist wie eine Nummer, die man später bereut. Sebastian schnarcht. Der Wind schneidet sich an den Kakteen.

Komisch. Die beiden Steinchen passen zueinander, obwohl sie ihrer Gestalt nach unterschiedlich sind. Das Steinchen in meiner linken Hand ist dunkler, es hat eine gröberer Struktur. Vielleicht hätten auch viele anderen Steinchen zu ihm gepasst, vielleicht aber auch war es Zufall, dass ich gerade dieses Kleinere, Weißliche auflas. Ich kann sie noch so stark aneinander drücken, der Riss bleibt sichtbar. Dann schleudre ich sie nacheinander in das gleißende Licht, in den Stausee. Aber der ist zu weit weg. Trotz der Höhe auf der ich sitze. Das Wasser glitzert, es kräuselt sich. Dann ist die Brise verflogen und die Haut beginnt wieder zu brennen. Vielleicht haben sie sich aber auch erst verändert, als sie getrennt wurden. Die Felsen schweigen.

Endlich berührt der Schatten den Dornenbusch. Während wir sprechen, errichte ich einen Wall aus Steinchen. Das bemerke ich aber erst viel später. Immer wieder fällt er zusammen. Was groß ist, möchte man noch größer machen. Und dann fällt er ganz zusammen. Es ist immer das Steinchen zu viel. Sebastian ist unruhig – hier oben ist man nur mit sich und seinen Gedanken.

Es wird rot. Je näher die Sonne dem Horizont kommt, umso schneller scheint sie nach unten zu fallen – Zeit ist langsam, wenn man alleine ist. Immer deutlicher zeichnen sich die Anden ab, aus einem bläulichen Grau wird ein Dunkelblaues. Über ihnen liegt ein Wolkendecke. Der Rauch eines Vulkans durchbricht sie. Und für einen kurzen Augenblick wird der Wind heftig. Die Sonne ist nicht mehr zu sehen. Ihr Licht ist es noch. Der Horizont blutet. Das glimmende Rot gerinnt zu einem Orange, dass allmählich seine Intensität an ein Gelb verliert. Das Gelb wiederum ist golden und je höher es in den Himmel steigt, umso mehr verblasst es. In dieses gelbliche, später gräuliche Weiß mischt sich Blau. Ein kindliches Blau anfangs, das immer dunkler, immer schwärzer wird, bis die ersten Sterne zu leuchten beginnen. Später zählen wir Sternschnuppen, auf Matten im Freien liegend. Und noch später fragen wir uns, ob der Nebel die Milchstraße ist. Knistern. Es reicht nach verbrannten Gewürzen. Auf den Steinen tanzen die Schatten der Flammen.

Winde holten uns aus dem Schlaf. Büsche kratzen am Zelt, welches hin und her geworfen wird. Das Mondlicht schimmert auf dem schwarzen See.

Die Sonne kommt spät. Wieder erleuchtet alles in Farben, die einen an der Realität zweifeln lassen. So etwas träumt man nur. Und dann erkennen wir einen Regenbogen.

-

Sebastian geht nach zehn Tagen. Sichtlich beeindruckt. Wir verabschieden uns am Busbahnhof. Es ist kühl geworden, aber immer noch irritierend warm. Das Gold in den Baumkronen verblasst. Die Bäume sind nackter geworden. Sebastian geht, aber er wird nicht wiederkommen.


wallpaper-1019588
[Comic] Sandman Albtraumland [2]
wallpaper-1019588
Reiseziele Januar
wallpaper-1019588
My Hero Academia S07: Teaser zur ersten Episode veröffentlicht
wallpaper-1019588
The Strongest Magician: Neuer Teaser veröffentlicht