Spinat mit Käsesoße

„NSU-Prozess für Mittagspause unterbrochen“, meldete am Montag die Nachrichtenagentur dpa. „Schreiben die auch, was es zu essen gibt?“, rief eine Redakteur durch den Großraum des „nd“. Über das Mittagsmenü am Münchner Oberlandesgericht erfuhr man nichts, alle anderen Belanglosigkeiten hingegen schon.

Wer am Dienstagmorgen die Zeitung aufschlug, mag den Eindruck gewonnen haben, nicht einer der wichtigsten Terrorprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte, sondern eine Modenschau für Businesskleidung habe tags zuvor im Münchner Oberlandesgericht stattgefunden: Zschäpe mit schwarzem Kostüm und getöntem Haar. Zschäpe streng mit verschränkten Armen. Zschäpe, die lässig ihr Haar zurückwirft. Zschäpe, deren Hintern gegen einen Stuhl drückt.

„Zschäpe lächelt“, erfährt man in „Die Zeit“ gleich in der Überschrift. „Es ist kein herzliches Lächeln“, folgt die mimisch korrekte Einordnung wenig später. Es ist jene Wochenzeitung, die sich laut über den Verlust ihres Presseplatzes beschwert hatte, die nun „Zschäpes Auftritt zur „größten Überraschung an diesem Tage“ erklärt. Andere „Leitmedien“ der Republik machen es nicht besser.

Wer wartete nach der Aufdeckung von zehn Morden und unzähligen Verfassungsschutzskandalen nicht auf Informationen wie jene, dass die Angeklagte mit „Kopf im Nacken“ ein Kaugummi kaut (TAZ). In der FAZ lutscht Zschäpe hingegen ein Bonbon, während sie „Späßchen mit ihren Verteidigern austauscht“. Es ist jene Zeitung, die den Verlust des Presseplatzes zuvor noch mit der eigenen journalistischen Kompetenz für die Analyse des Prozesses skandalisierte.

Wie es um jene Kompetenz bestellt ist, beweist auch der „Spiegel“: Gisela Friedrichsen macht den Eindruck, als hätte nicht der "Stern", sondern sie den Platz von der (und für die) „Brigitte“ übernommen. Akribischer als die renommierte Gerichtsreporterin hätte die viel gescholtene Frauenzeitschrift, die zum Inbegriff der absurden Sitzplatzvergabe für Pressevertreter geworden war, die Modevorlieben der Angeklagten nicht beschreiben können. Vom Hemdmuster bis zur Ohrringgröße: „Schwarzer Hosenanzug, weiße Bluse, frisch geföhntes langes dunkles Haar.“ Fehlt nur noch die Verlinkung auf das passende Zalando-Angebot. Wie groß war das Gejammer deutscher Leitmedien über den Dilettantismus des Münchner Gerichts bei der Pressevergabe. All die Aufregung dafür, dass das Interesse um Aufklärung dann endet, wenn NPD-Funktionär Ralf Wohlleben seine Anwältin „mit rostrotem Haar und grüner Brille“ auf die Wange küsst?

Natürlich ist die Berichterstattung über einen Prozess, in dem das öffentliche Interesse im krassen Widerspruch zum geringen Unterhaltungswert juristischer Formalia steht, keine leichte Aufgabe. Aber genau jene Anträge, die ständigen Beratungspausen und juristisches Details sind das, was das Münchner Kapitel in der Geschichte der NSU-Aufklärung besonders macht. Nach Jahren des Schredderns, Vertuschens und Kollaborierens, in denen erst ein Haus in Zwickau und dann der Glaube an den deutschen Rechtsstaat in sich zusammenfiel, ist der Münchner Prozess ein kleiner Hoffnungsschimmer auf Rechtsstaatlichkeit. Genau dies hatten Medien zwischen „Dönermorden“ und V-Männern auf tausenden Seiten vehement eingefordert und opfern es nun einer Berichterstattung über Hosenanzug und Mittagsessen.

Von letzterem erfuhr man übrigens doch noch - im „nd“. Es gab Spinatpflanzerl mit Käsesoße.


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