Reichsarbeitsdienst 2.0

So kann es gehen: Da fordert ein CDU-Politiker die Wiedereinführung des Reichsarbeitsdienstes, und vor lauter Finanzkrisen, Flüchtlingsdramen und verstrahlten News aus Fukushima bekomme ich das erst Tage später mit. Aber egal, das Thema wird uns nicht so schnell wieder abhanden kommen. Dass die Leute gefälligst was tun sollen, wenn sie sich schon von der Allgemeinheit durchfüttern lassen, ist ja kein besonders origineller Gedanke, den kann man an jedem Stammtisch hören. Aber wenn ein Politiker das sagt, dann sollte man sich das schon mal genauer anhören. Selbst wenn es nicht neu ist.

MdB Uwe Schummer fordert, genau wie die Linke auch, ein Ende von Hartz IV: Die ‘Agenda 2010′ sei abgearbeitet. Nun gehe es um „eine neue bildungsorientierte Beschäftigungspolitik.“ So steht es Schummers Internetseite. Schummer, stellvertretender Vorsitzender der etwa 90-köpfigen CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Deutschen Bundestag, will statt dessen ein Bürgergeld einführen, dass diejenigen bekommen sollen, die im erwerbsfähigen Alter weniger als das Existenzminimum „verdienen“. (Ich setze das mal in Anführungszeichen, denn es verdient ja kein Mensch, unterhalb des Existenzminimums abgefertigt zu werden.) Das will die Linke allerdings nicht, sie will statt dessen ein bedingungsloses Grundeinkommen ohne Arbeitszwang.

Aber zurück zu Schummer: Um Mitnahmen durch künstlich niedrig gehaltene Löhne zu verhindern, schlägt der Unionsparteien-Arbeitnehmerflügel vor, den tariflichen Mindestlohn in der Zeit­arbeit auf alle Branchen auszuweiten. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Der Zeitarbeiter-Mindestlohn soll also ein Instrument gegen künstlich niedrig gehaltene Löhne sein! Da fragt man sich wohl besser nicht, was denn sonst in den Augen eines Mitglieds des Deutschen Bundestags ein „künstlich niedrig gehaltener Lohn“ sein soll. Zeitarbeit ist doch ein super Instrument um Löhne künstlich niedrig zu halten!

Es ist nämlich keineswegs so, dass 7,79 (im Osten 6,89) Euro pro Stunde kein Niedriglohn wäre: Da kommt man für eine 40-Stunden-Vollzeit-Stelle auf gerade mal etwa 1300 bzw. 1100 Euro brutto monatlich. Ein herkömmlicher Facharbeiter mit ordentlichem Tariflohn dagegen bekäme fast das Dreifache. Soviel zu künstlich niedrig gehaltenen Löhnen. Nett wäre, den Mindestlohn für alle wenigstens soweit anzuheben, dass die Leute wirklich davon leben können. Und nicht nur irgendwie überleben. Keine Arbeit unter 15 Euro pro Stunde, das wäre doch mal ein Anfang. Aber solche Forderungen gelten hierzulande ja schon als linksradikal.

Viel besser wäre natürlich, überhaupt nicht mehr für Geld arbeiten zu müssen. Sondern nur noch für die Gesellschaft. Dann müsste man sich nämlich überhaupt nicht mehr dafür interessieren, ob sich etwas rechnet oder nicht, oder ob man sich etwas leisten kann oder nicht. Dann wäre die Frage nur noch, ob man sich die Arbeit machen will, um dieses oder jenes zu haben. Man könnte aber auch vieles einfach aus Vergnügen tun, weil man selbst und andere daran Freude haben. Okay, aber solche Gedanken sind nicht nur den Konservativen fremd.

Natürlich fordert ein CDU/CSU-Arbeitnehmerflügel so etwas nicht. Dafür haben sie eine andere alte Idee ausgegraben: Wer Bürgergeld erhalte und erwerbsfähig sei, dem solle eine „Bürger­arbeit als Gegenleistung für die Gemeinschaft“ zuge­wiesen werden. In der Nazizeit nannte man das „Ehrendienst am Volke“.

Damals mussten junge Männer zwischen 18 und 25 ein halbes Jahr zum RAD. Dort bekamen sie einen Spaten in die Hand und mussten Moore trocken legen, Ackerland bearbeiten oder an den neuen Reichsautobahnen mit bauen. Eine militärische Grundausbildung gab es gratis dazu. Nachdem Beginn des 2. WK wurde der RAD dann auch für die Mädchen verpflichtend. Der Verdienst für die teilweise wirklich sehr harte Arbeit lag kaum über der kümmerlichen Arbeitslosenunterstützung. Aber jetzt ist das natürlich eine demokratische Übung, das kann man überhaupt
nicht vergleichen. Man muss die Bürgerarbeit machen, weil man sonst sogar die kümmerliche Unterstützung gestrichen bekommt, aber als Dank für ein Leben in Freiheit kann man da ja wohl mal ein paar Abstriche im persönlichen Bereich machen. Wenigstens kommt man heute nicht ins KZ wenn man eine andere Meinung hat. Manche kommen damit sogar in die Talkshow.

Immerhin sollen bei der modernen Form von Bürgerarbeit diejenigen ausgenommen werden, die häusliche Erziehungs- oder Pflegeleistungen erbringen. In der Berliner Qualitätszeitung BZ erklärte Schummer, wie er sich das vorstellt: „Die Betroffenen sollen aus der Arbeitslosigkeit herausgeholt und durch Fallmanager der Jobcenter so lange unterstützt werden, bis sie selbstständig wieder marktfähig sind“. Denn bekanntlich ist es das Problem der nicht marktfähigen Leute, dass sie arbeitslos sind und nicht der Wirtschaftslage im Lande. Denn die Arbeitgeber würden die Leute doch liebend gern einstellen, wenn sie doch nur genau die hochqualifizierten Fachkräfte wären, nach denen sie gerade so dringend suchen.

Aber es gibt ja noch so viel anderes zu tun. Die weniger qualifizierten Tätigkeiten beispielsweise, für die keiner bezahlen will. Deshalb sollen aus den Hartz-IV-Empfängern „Bürgerarbeiter“ werden. Das Modell Bürgerarbeit wurde von unserer lieben Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bereits entwickelt und es wird bis Ende des Jahres in ausgewählten Kreisen geprüft. Es sieht bisher vor, Langzeitarbeitslose in eine gemeinnützige Tätigkeit zu vermitteln, die natürlich total zusätzlich sind. Wie das Vorlesen für alte Menschen, die Begleitung von Behinderten, die Pflege von Naturlehrpfaden – aber es wird durchaus eingeräumt, dass die Bürgerarbeiter nun die billigen und willigen Zivis ersetzen müssen, die es durch den Wegfall der Wehrpflicht ja auch nicht mehr gibt. Das hat der Plagiator von und zu der Gesellschaft auch noch eingebrockt.

Der Verdienst für die Bürgerarbeiter beträgt bei 30 Wochenstunden 900 Euro brutto, was nicht gerade üppig ist. Das Arbeitsministerium rechnet eigentlich mit 34.000 öffentlich geförderten Jobs, bis Juni gab es laut BZ erst 7000. Als Hauptgrund wird angegeben, dass den Betroffenen der Verdienst zu gering sei.

Das ist natürlich eine Frechheit. Da dürfen die Leute schon fast zum Mindestlohn für Leiharbeiter jeden Morgen antreten und finden, dass das zu wenig sei! Warum freuen die sich nicht einfach dass sie noch gebraucht werden?! Da muss die Bundesregierung noch ein wenig an ihrer Kommunikationsstrategie feilen. Die Leute kapieren einfach nicht, dass man es nur gut mit ihnen meint.



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