Niemand hat die Absicht, Elternvertreter zu werden

Ein kollektiver Stoßseufzer der Erleichterung in Windstärke 8 geht durch die Kehlen von Millionen Eltern: Endlich sind überall die Sommerferien vorbei und die Kinder müssen nicht länger rund um die Uhr bespaßt und bei Laune gehalten werden. Stattdessen werden sie nun wieder durch die Beschäftigungstherapie ‚Schule‘ auf Trab gehalten.

Aber die Eltern sollten nicht zu ekstatisch werden. Denn mit Beginn des neuen Schuljahres steht auch wieder das Unvermeidliche vor der Tür: Der Elternabend!

Nichts ist so erlabend, wie ein Elternabend. Außer barfuß in Lego zu treten.

Nichts ist so erlabend, wie ein Elternabend. Außer barfuß in Lego zu treten.

Erstklässler-Eltern haben möglicherweise eine naiv-romantische Vorstellung von Elternabenden und denken, man trifft sich dort in entspannter Atmosphäre, es werden Getränke und Knabbereien gereicht, man plaudert ein wenig über dieses und jenes und zum Abschluss geht es gemeinsam zum Griechen um die Ecke auf ein Glas Wein. Ich kann Ihnen versichern, solche Elternabende existieren nicht. Höchstens in einem Paralleluniversum, aber nicht in der Realität. Im echten Leben regieren auf Elternabenden Dumpf- und Wahnsinn in einer unheilvollen Koalition, durch eine Anomalie im Raum-Zeit-Kontinuum bewegt sich dort der Sekundenzeiger im Minutentakt und es gibt keine Nichtigkeit, die trivial genug ist, um nicht in aller Ausführlichkeit diskutiert zu werden. Dabei werden Fragen erörtert, bei denen man sich am liebsten in Embryonalstellung in eine Ecke legen möchte, um sich hospitalisierend wippend ins Koma zu wimmern.

Während eines Elternabends möchte ich der Aussage „Es gibt keine doofen Fragen“ nicht uneingeschränkt zustimmen.

— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 9. September 2014

Mit besonderer Vorsicht ist der erste Elternabend nach den großen Ferien zu genießen. An diesem Termin steht die Wahl zum Elternvertreter an. Ein Amt, das selbst masochistisch veranlagte Menschen meiden wie Mario Barth eine originelle Pointe. Elternsprecher müssen Elternabende einberufen, Geld für Lehrer-Geschenke einsammeln, die sie dann zu besorgen haben, die Klassenliste muss gepflegt, Klassenausflüge begleitet und Lehrergespräche geführt werden. Außerdem verbringen Elternvertreter die Hälfte ihres Tages damit verbringen, Nerv tötende E-Mails von helikopternden Eltern zu beantworten, die energisch darauf drängen, dass ihr für die Allgemeinheit vollkommen irrelevantes Thema auf dem nächsten Elternabend besprochen wird. („Herr Müller hat Lisa-Marie eine 1- auf ihr Bild gegeben und sie ist jetzt in psychiatrischer Behandlung. Wir sollten darüber abstimmen, dass er einen Eintrag in seine Personalakte bekommt und ein Seminar in gewaltfreier Kommunikation belegen muss.“)

Sie verstehen also, dass Sie unter allen Umständen verhindern wollen, Elternvertreter zu werden. Wenn Sie das Amt erstmal bekleiden, wird es wie Kaugummi an einer Schuhsohle kleben und Sie werden es nie wieder los. Ich spreche da aus Erfahrung. („Christian, Ihr habt das im letzten Jahr so toll gemacht, da müssen wir doch keine neuen Elternvertreter wählen.“ Danach brach unter den anderen Eltern tosender Applaus aus, so dass meine Worte der Ablehnung und Verneinung nicht mehr zu hören waren.)

Als hilfsbereiter und serviceorientierter Familienblogger sowie zweifacher Vater, dessen Kinder schon in die 5. und 8. Klasse gehen, bin ich gerne bereit, einige Tipps und Strategien mit Ihnen teilen, wie Sie sich davor bewahren können, zum Elternsprecher gewählt zu werden.

1) Seien Sie stets wachsam!

Es ist unabdingbar, dass Sie an diesem speziellen Elternabend von der ersten bis zur letzten Minute geistig voll auf der Höhe sind. Sonst passiert es Ihnen unweigerlich, dass Sie plötzlich Ihren Namen hören und mit einem zögerlichen „Ja?“ reagieren. Alle anderen Eltern werden diese Gelegenheit sofort nutzen, indem sie dies böswillig als affirmative Äußerung Ihrerseits missinterpretieren und bestimmen Sie flugs in einer offenen Wahl per Akklamation zum Elternvertreter.

Daher sollten Sie zur Erhöhung Ihrer Wachsamkeit über den Tag verteilt mehrere Liter Espresso, Mate und diverse Taurin-basierte Getränke zu sich nehmen. Experimentieren Sie außerdem mit Ginsengwurzeln, Guaranakeksen und Gingko biloba-Blättern. Besorgen Sie sich zusätzlich auf dem pharmazeutischen Schwarzmarkt Modafinil, ein Arzneimittel, das bei Narkolepsie hilft und US-Soldaten zur Erhöhung der Konzentration und Ausdauer verabreicht wird.

Einige übervorsichtige Bedenkenträger werden Sie wahrscheinlich auf die gesundheitlichen Gefahren dieser Substanzen hinweisen, aber glauben Sie mir, dieses Risiko ist gegenüber den psychischen und physischen Nebenwirkungen, die das Amt des Elternvertreters mit sich bringt, zu vernachlässigen.

2) Vertrauen Sie niemandem!

Sie dürfen sich nicht der Illusion hingeben, dass sie auf dem Elternabend auf nette Menschen treffen, die Ihnen wohlgesonnen sind. Nein, nein und nochmals nein. Alle Personen verfolgen nur ein Ziel: Nicht Elternvertreter zu werden! Und da es sich um ein Nullsummen-Spiel handelt, bei dem man nur gewinnen kann, wenn ein anderer verliert, ist dabei jedes Mittel recht. Nicht umsonst spricht der Volksmund davon, dass im Krieg, in der Liebe und auf Elternabenden alles erlaubt ist. Es wird geschmeichelt („Niemand kann das besser als du.“), gelogen („Ich kann das Amt nicht übernehmen. Ich wurde von der Fremdenlegion rekrutiert und habe demnächst für mehrere Monate einen geheimen Auslandseinsatz.“) und mitunter subtile Drohungen eingesetzt („Ich weiß übrigens, wo dein Auto steht.“)

Betrachten Sie daher alle Anwesenden im Klassenzimmer als Ihre Rivalen, wenn nicht gar Feinde. Diese sind nur darauf aus, Sie zum Elternvertreter zu küren, um selbst diesem Schicksal zu entgehen. Wappnen Sie sich daher für den Elternabend durch die Lektüre von Sunzis „Die Kunst des Krieges“ (vorzugsweise im chinesischen Original), ein Werk aus dem fünften Jahrhundert vor Christus, das bis heute weltweit von Militärstrategen und leitenden Managern im ostasiatischen Raum rezipiert wird.

Vermeiden Sie außerdem auf dem Elternabend jeglichen sozialen Kontakt mit anderen Eltern, damit diese Sie nicht verbal einlullen und damit argumentativ in Bedrängnis bringen („Du kannst so gut mit Menschen umgehen, wer könnte da ein geeigneterer Elternvertreter sein als du.“). Aus dem gleichen Grund sollten sie in den Tagen vor dem Elternabend keine Anrufe annehmen, wenn eine Nummer von der Klassenliste im Display aufleuchtet. Dabei kann es sich nur um einen plumpen Versuch handeln, Sie zu überreden, sich als Elternvertreter vorschlagen zu lassen. Um auf der sicheren Seite zu sein, blockieren Sie auf Ihrem Handy alle Nummern von der Klassenliste. Heben Sie die Sperre erst auf, wenn Ihr Kind Abitur gemacht hat.

3) Machen Sie den Papagei

Nun kann es passieren, dass Sie durch unglückliche Umstände doch als Elternvertreter vorgeschlagen werden. Für diese Situation müssen Sie zwingend den folgenden Satz einüben: „Nein, ich möchte das nicht.“

Wenn es dazu kommt, dass Sie aufgefordert werden, sich zum Elternvertreter wählen zu lassen, schalten Sie in den Papagei-Modus und wiederholen bei jeder Äußerung immer wieder und wieder diesen Satz.

„Du kannst doch Elternvertreter werden.“
„Nein, ich möchte das nicht.“

„So aufwändig ist das gar nicht.“
„Nein, ich möchte das nicht.“

„Da hat man einen guten Draht zu allen Lehrern.“
„Nein, ich möchte das nicht.“

„Im nächsten Jahr wird dann jemand anderes Elternvertreter.“
„Nein, ich möchte das nicht.“
(Insbesondere bei dieser Äußerung müssen Sie standhaft bleiben, denn es ist natürlich die größte Lüge der Menschheitsgeschichte, außer der Beteuerung beim Zahnarzt man habe regelmäßig Zahnseide benutzt.)

Den Papageien-Modus durchzuhalten, ist gar nicht so einfach und erfordert höchste mentale Belastungsfähigkeit. Ihre Partnerin oder Ihr Partner sollte Sie bei der Vorbereitung unterstützen und Sie immer wieder in überraschenden Momenten unvermittelt mit der Frage konfrontieren, ob Sie nicht Elternvertreter werden wollen. Erst wenn Sie mit einer Reaktionszeit von deutlich weniger als einer Zehntelsekunde antworten, „Nein, ich möchte das nicht.“, sind Sie bereit, auf den Elternabend zu gehen.

4) Seien Sie überengagiert!

Bedenken Sie, dass sich alle Anwesenden minutiös und penibel auf den Abend vorbereiten und die Papageien-Taktik unter Umständen nicht verfängt. Es ist beispielsweise nicht auszuschließen, dass andere Eltern ein Seminar bei einem ehemaligen CIA-Verhörspezialisten belegt haben, der sie darauf gedrillt hat, immer wieder und wieder die gleich Frage zu stellen: „Möchtest du nicht Elternvertreter werden?“

Für diesen Fall müssen Sie eine Gegenstrategie parat haben. Schrecken Sie die anderen Eltern ab, indem Sie sich erfreut zeigen, Elternvertreter zu werden, damit Sie gemeinsam mit der gesamten Elternschaft diverse überambitionierte Projekte umsetzen können. Zu diesem Zwecke lassen Sie sich von einem McKinsey-Berater eine 240 Folien umfassende Präsentation erstellen, mit der Sie ausführlich erläutern, wie sie das Klassenzimmer neu gestalten, einen Schulgarten anlegen, ein Eltern-Schüler-Café ins Leben rufen und einen Schulkiosk organisieren wollen, der ausschließlich von Eltern betrieben wird. Ihrer Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, sofern Sie immer wieder unterstreichen, dass sie für diese Unternehmungen auf das Engagement aller Eltern zählen. Dabei bietet es sich an, bekannte politische Appelle in den Vortrag einfließen zu lassen. („Frage nicht, was die Elternschaft für dich tun kann, sondern was du für die Elternschaft tun kannst.“, „Wir schaffen das!“)

Nehmen Sie sich bei Ihrer Präsentation Fidel Castro zum Vorbild, der auf den Kongressen der Kommunistischen Partei auf Kuba gerne mal sechs Stunden und länger auf seine Compradres einredete, bis diese dehydriert und mumifiziert nur noch vor sich hinvegetieren. Spätestens nach drei Stunden Ihrer Ausführungen wird einer der anderen Eltern einknicken und sich bereit erklären, Elternsprecher zu werden, einfach um sie zum Schweigen zu bringen.

5) Fliegen Sie über das Kuckucksnest

Sicherlich kennen Sie den Spruch: „You never get a second chance to make a first impression.” In diesem Sinne sollten Sie von der ersten Sekunde an, in der Sie das Klassenzimmer betreten, deutlich machen, dass sie als Elternvertreter so ungeeignet sind wie Donald Trump für das Amt des amerikanischen Präsidenten. Studieren sie dazu genauestens das Auftreten von Jack Nicholson in „Einer flog über das Kuckucksnest“ und imitieren Sie dessen Auftreten, Mimik und Gestik. Niemand wird dann noch auf die Idee kommen, sie als Elternvertreter zu nominieren.

Sollte es Ihnen allerdings an schauspielerischem Talent auf Oscar-reifem Niveau mangeln, können sie durch verschiedene Hilfstaktiken ähnliche Ergebnisse erzielen. Trinken Sie über den Tag verteilt mindestens vier Liter Wasser, aber gehen Sie unter keinen Umständen auf Toilette. Ihr verkniffener Gesichtsausdruck, verursacht durch Ihre zum Bersten gefüllte Blase, sollte eine abschreckende Wirkung entfalten. Um diese zu verstärken, gehen Sie kurz vor dem Elternabend eine Stunde ins Schwimmbad und tauchen Sie so viel und ausdauernd wie möglich, bis ihre Augen stark gerötet sind wie bei einem albinistischen Kaninchen. Zu guter Letzt machen Sie direkt vor Betreten des Klassenzimmers für eine Viertelstunde einen Kopfstand, so dass die kleinen Äderchen in ihren Wangen platzen, so dass der Eindruck entsteht, dass Sie schon seit Jahren Ihr Frühstücksmüsli mit Mariacron zu sich nehmen. Während des Elternabends fangen Sie immer wieder mit Ihren Händen imaginäre Fliegen in Ihrer Umgebung, die Sie sich in den Mund stecken, um dann irre zu kichern: „Hab‘ ich dich, du kleines Biest, da hab‘ ich dich.“ Halten Sie das zwei bis drei Stunden durch und die Wahrscheinlichkeit geht gegen Null, dass irgendjemand auf die Idee kommt, sie als Elternvertreter in Erwägung zu ziehen.

###

Ich hoffe, diese praxiserprobten Tipps und Ratschläge helfen Ihnen und bewahren Sie davor, in das Amt des Elternsprechers zu rutschen. Gerne können Sie auch mein dreitägiges Vorbereitungsseminar „Niemand hat die Absicht Elternvertreter zu werden“ besuchen. Die Kosten liegen bei überschaubaren 3.999 Euro. (Für Eltern aus den Klassen meiner Kinder bei 9.999 Euro.) Eine mehr als lohnenswerte Investition, mit der sie sich Freiheit und Seelenheil kaufen!


wallpaper-1019588
Helck: Manga JAM Session stellt neue Lizenz vor
wallpaper-1019588
An Archdemon’s Dilemma: Dokico holt Manga nach Deutschland
wallpaper-1019588
RankensteinSEO Rockt: Die Top Monster-Hits für SEO Meister
wallpaper-1019588
Mononoke: Neuer Trailer zum Film veröffentlicht