Misanthropie, Teil 3

img_9955Welche Misanthropen gibt es?

Paradoxerweise mögen einige Verächter der Menschheit dann doch einer Gemeinschaft angehören… und zwar der der Misanthropen. Oft liest man in den Kommentaren so etwas widersprüchliches wie: „Ich bin erleichtert zu lesen, dass ich zumindest nicht allein dastehe mit diesem beklemmenden Gefühl das ich gegenüber meine Mitmenschen hege.“ Hier zeigt sich, dass unter dem vermeintlichen Hass doch so etwas wie eine Sehnsucht nach Dazugehörigkeit schlummert. Schopenhauer hat das mit seinem Gleichnis der Stachelschweine beschrieben:
„So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.“ (Die Stachelschweine)
Jenseits der Bedürfnisse der Stachelschweine gibt es noch ganz handfeste und jeweils verschiedene Motivationen, die Menschheit zu verachten oder sie mindestens zu meiden.

1. Schüchterne Einzelgänger und Introvertierte

Keine wirklichen Misanthropen sind die unter uns, die es einfach schwer haben, sich anderen zu öffnen, weil sie schüchtern sind oder aus anderen Gründen der Persönlichkeit den gesellschaftlichen Erfordernissen des Zusammenseins nicht genügen können, die den Smalltalk fürchten und der Überstimulation durch Gruppen aus dem Weg gehen wollen.
Hier wird ganz klar gesagt, dass keine weltanschaulichen oder philosophischen Gründe für eine Verachtung der Menschheit vorliegen, ja dass es gar keine Verachtung gibt, sondern dass eine sich selbst zugeschriebene Unzulänglichkeit zum Rückzug aus der Gesellschaft führte. Solchen Menschen fehlt die Wut, der Hass, sie sind eher ängstlich und es liegt ihnen fern, andere zu verachten.

2. Existentialisten in schwarzem Pullover, mit Zigarette und Kaffee

Ganz anders die Möchtegern-Philosophen unter den Verächtern der Massen. Sie sind elitär und stolz auf ihr Einzelgängertum. Auch ihrer Einstellung mag eine charakterliche Disposition (z.B. Introversion) zugrunde liegen. Aber sie sind nicht ängstlich oder schüchtern, sondern grenzen sich selbstbewusst von der als durchschnittlich empfundenen Masse ab. Da sie über allem stehen, durch und durch elitär sind, würden sie auf einem Blog auch keine Kommentare hinterlassen, also kann ich keine Beispiele bringen. Sie sehen sich selbst als Nihilisten und meinen, dass im Menschen die kosmische Sinnlosigkeit zu ihrem eigenen Bewusstsein gekommen ist. Sich dazu zu äußern, würde diese Sinnlosigkeit nur noch toppen. Also rauchen sie ganz allein noch eine und hoffen, dass bald das Licht ausgeht.

3. Misanthrop statt Naturschützer

Für mich absolut nachvollziehbar ist die Positionen derer, die sich um die Natur als unsere Lebensgrundlage sorgen oder auch um die Natur um ihrer selbst willen, weil sie schön ist und göttlich. Sie werden wütend und verzweifeln, weil die Menschheit als Ganzes diese Schönheit nicht achtet oder gar nicht erst sieht. Ein Beispiel:
„Unendlich wichtiger als alles, was unser fürchterliches Miteinander unter Unseresgleichen angeht, ist der Planet, auf dem wir leben. Und die Mitlebewesen, die diesen Planeten mit uns teilen müssen. Diesen atemberaubend schönen Planeten Erde, mit seinem perfekt harmonierenden, natürlichen Gleichgewicht, in dem jedes dieser vielen, unglaublichen, faszinierenden Lebenwesen seinen Platz und seine Funktion hat, in dem keines schädlich ist und sich perfekt in dieses grossartige System einfügt und einbringt, in diesem endlosen, wunderbaren Kreislauf des Lebens.

So war das, bis wir kamen. Wir, diese unsägliche Seuche, die wir mit inzwischen fast 8 Mrd. zerstörerischen und sich immer weiter vermehrenden, parasitären Einzelorganismen die Oberfläche dieses Planeten überziehen, zubetonieren, ihm restlos alles aus den Eingeweiden reissen, pumpen, saugen, alles töten, verdrecken, zerstören, unersättlich und gefrässig an ihm schmarotzen, und nichts als Gift, Dreck und Tod hinterlassen.
Der Mensch als Parasit ist ihr Leitbild. Und was mit Parasiten geschieht – zumindest aus der menschlichen Perspektive – ist auch klar: Sie werden exterminiert. Hier zeigt sich wieder die latente Widersprüchlichkeit in der Argumentation. Dem Naturschutz-Misanthropen fällt nichts besseres ein, als eine ganz legitime natürliche Funktion im Ökosystem, nämlich die des Parasiten, zu diskreditieren und ihr mit Ausrottung zu drohen. Damit befindet sich dieser Misanthrop ganz im Einklang mit den Impulsen der Menschlichkeit, die er eigentlich ablehnt. Er ist noch nicht im letzten Stadium der Trauer, in der Akzeptanz des großen Ganzen angekommen. Erst dieses Ankommen würde ihn befähigen, seinen Zustand der Verachtung in etwas Produktives zu verwandeln und Verbesserungen herbeizuführen.

Fortsetzung folgt…


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