Join Kritik sorgt für Aufregung

Auf dem Youtube-Kanal von Netzzeit ist die Rede von einem Shitstorm der Medien, der über die Macher und ihr Werk “Join” hereinbrach. Auch unsere Kritik ließ die Emotionen zumindest bei Michael Scheidl, dem Regisseur und netzzeit-Chef, hochgehen. In einer Debatte, die zum Teil per Mail und per Telefon geführt wurde, bzw. noch geführt wird, dreht es sich immer wieder um das Thema: “Was darf die Kritik und können Rezensionen und deren SchreiberInnen die Freiheit der Kunst beschränken”. Hier können Sie die Kritik noch einmal nachlesen: Join – oder lieber doch nicht!

E-Mail von Michael Scheidl vom 15. Mai 2013 – 08:47
Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich bin ich immer froh, wenn Kritiker klar ihre Meinung äußern, welche diese auch immer sein mag. In diesem Sinne habe ich mich über Ihre Kritik an der Oper AMAZONAS/TILT und AMAZONAS/A QUEDA DO CEU ebenso erfreut, wie ich mich auch an Ihrer Kritik über JOIN! hätte erfreuen können, auch wenn diese alles andere als positiv ausfiel. Leider war das nicht möglich, weil die Autorin/der Autor mich als Regisseur (und implizierend auch alle anderen, deren Arbeit offenbar nicht gefallen hat) “vor den Kadi zitiert” wissen möchte. Ich möchte mich nicht detailliert darüber auslassen, welches besonders traurige Beispiel die Geschichte aufweist, wo Künstler von Gerichten be- und verurteilt wurden, weil sie Kunst produziert haben, die diversen Menschen mißfiel. Das ist eine Form von Entgleisung, die die Frage aufkommen lässt, inwieweit Ihre Seite überhaupt berechtigt ist, sich European CULTURAL News zu nennen. Oder umgekehrt: Wie weit ist es mit der europäischen Kultur gekommen, wenn deren Medien derartige Anschläge auf demokratische Grundregeln und die Freiheit der Kunst verbreiten, die eigentlich ins rechtsrechte Lager gehören? Ihre AutorInnen könnten sich wenigstens von den hier angesprochenen Exponenten demokratiefeindlicher politischer Gruppierungen unterscheiden, dass sie mindestens so viel Courage besitzen, Ihre Namen unter Ihre Artikel zu setzen.

Mit sehr enttäuschten Grüßen

Michael Scheidl

Antwort des Administrators an Herrn Scheidl:

Sehr geehrter Herr Scheidl,

vielen Dank für Ihre Mail bezüglich “Join”. Als technischer Administrator ist es mir hochnotpeinlich, da ich bei der letzten Umstellung schlicht vergessen habe, die Ansicht des Autoren zu aktivieren. Dies ist natürlich sofort korrigiert worden, da es eine der Maximen der European Cultural News ist mit dem Namen zu seiner Auffassung und Meinung zu stehen. Die Autorin wird sich heute am Nachmittag persönlich bei Ihnen melden.

Mit größtem Bedauern

Michael Preiner

Antwort von Herrn Scheidl an den Administrator Na, dann blicke ich der Antwort der Autorin, die Künstler vor Gericht bringen möchte, wenn deren Arbeit ihren Vorstellungen nicht entspricht entgegen. Wenn es nach Anderen gegangen wäre, hätte ich diese Anmutung längst beim Presserat hinterbringen müssen.

MFG

Michael Scheidl

Antwort der Autorin an Herrn Scheidl
Sehr geehrter Herr Scheidl,

ich scheue keine persönliche Kontaktaufnahme in Fällen von kommunikativer Dissonanz, konnte Sie aber unter der bei netzzeit angegebenen Telefonnummer leider nicht erreichen. Deswegen wähle ich die etwas unpersönlichere Schriftform um auf Ihre Mails – das untenstehende und das an den Administrator gerichtete, das dieser selbstverständlich an mich weitergeleitet hat, zu antworten.

Grundsätzlich bin ich Ihnen dankbar, dass Sie uns auf unser technisches Missgeschick aufmerksam gemacht haben, welches das Aufscheinen meines Autorennamens bei diesem Artikel verhindert hat. Wir haben dies wenige Minuten nach Ihrer Mail sofort geändert. Ich stehe jederzeit mit meinem Namen für meine Artikel ein, auch wenn diese, wie im Fall von “Join”, nicht immer überschwänglich positiv ausfallen.

Um nun auf den Inhalt Ihres Mails näher einzugehen, möchte ich explizit aussprechen, dass es mir leid tut, dass Sie mit der Formulierung “vor den Kadi zitieren” den Reichsgerichtshof assoziieren, was weder meine Intention war, noch mein Verständnis dieser Formulierung widerspiegelt. Für mich bedeutet diese Formulierung, in einer Rezension benutzt, dass die Verantwortlichen sich mit ihrem Werk den Fragen einer kritischen Öffentlichkeit stellen sollten.  Meine persönliche subjektive Kritik, die per se keine Objektivität beanspruchen will, ist im Weiteren im Artikel offengelegt und es steht Ihnen selbstverständlich jederzeit das Recht zu, diese zu kritisieren.
Was mich nun doch sehr irritiert ist, dass Sie, wie im zweiten Mail dargelegt, aufgefordert wurden, meine Rezension vor den Presserat zu bringen, denn das käme nach meiner Auffassung nach einem Versuch gleich, meine Meinungsfreiheit einschränken zu wollen. Allerdings sähe ich der Anrufung des Presserates gelassen entgegen,
da ich weder explizit noch implizit zur Verfolgung oder Unterdrückung der künstlerischen Freiheit aufgerufen und dies bis jetzt auch noch nie getan habe und auch nie tun werde. Die künstlerische Freiheit stellt für mich – ähnlich wie die Meinungsfreiheit – eines der höchsten Güter einer Demokratie dar.
Ich bin der Meinung, dass das Journal “European-Cultural-News” ohne Unterlass eben für diese Freiheit eintritt und künstlerisches Schaffen durch die Veröffentlichung von Kritiken von sich aus auch wesentlich unterstützt. Das können Sie auch aus vielen unserer Artikel, veröffentlicht in den letzten Jahren, deutlich herauslesen.  Ich bin mir sicher, dass sich darunter auch nicht ein einziger befindet, der in irgendeiner Art und Weise mit rechtslastigem oder undemokratischem Gedankengut in Verbindung zu bringen ist.

Allerdings finde ich die Diskussion für unsere Leserinnen und Leser höchst interessant und bitte Sie deshalb, unsere Korrespondenz im Original auf unserem Portal veröffentlichen zu dürfen. Gerne bin ich auch bereit, mit Ihnen ein schriftliches Interview zu führen, in welchem Sie Ihre Beweggründe für die Inszenierung ausführlich erläutern können. Ich hoffe damit, das Missverständnis, bezüglich meiner Sie und andere offensichtlich in Ihrem Demokratieverständnis negativ getroffenen “Kadi-Aussage”, ausgeräumt zu haben.

Mit kunstvollen Grüßen,
Michaela Preiner

Antwort von Herrn Scheidl
Sg. Frau Preiner!

Was ich in unserem Telefonat vielleicht nicht ganz klar rübergebracht habe an Sie: Sie beharren darauf, ein Kritiker sei Richter. Gleichzeitig beharren Sie auf dem Recht der subjektiven Meinung. Da werden Sie sich entscheiden müssen. Ein Richter vetrtritt das Gesetz. Und hat auch danach zu urteilen. Gottseidank nicht nach seiner subjektiven Meinung. Also – überlegen Sie sich, wofür Sie sich entscheiden wollen. Dort wo Richter nach ihrem Gutdünken Urteile fällen können, nennt man das Ganze Diktatur.

MFG

Michael Scheidl

Antwort European Cultural News
Sehr geehrter Herr Scheidl,

ich bin froh, dass wir gestern in unserem Telefonat zumindest den Konsens “we agree to differ” feststellen konnten und bedanke mich auch für Ihre Zusage, unsere schriftliche Diskussion veröffentlichen zu dürfen. Ihre kurze Mail von heute beinhaltet ein großes Beantwortungspotenzial. Wie ich gestern versuchte aufzuzeigen, sind meine Kritiken zwangsläufig subjektiv gefärbt, was nicht ausschließt, dass sie – natürlich im metaphorischen Sinn – auch einem Richterspruch gleichkommen. Das von Ihnen geforderte Entweder-Oder kommt somit lediglich einer suggestiven Richtungsbeeinflusung gleich, der ich mich jedoch entziehen muss. Allerdings möchte ich dies noch ein wenig erläutern.

Wenn ich ihrer Aussage zustimmte, dass die Rezension tatsächlich einem Richterspruch gleich käme, dann müsste man die Metaphorik komplett außer Acht lassen und die Position des Richters nur auf den rein juristischen Begriff beschränken. Was in diesem Zusammenhang etwas befremdlich ist. Und dennoch – um ihrer Argumentation noch ein wenig entgegenzusetzen – ist auch ein Richter vor Subjektivität nicht gefeit – was in seinem Subjekt ja schon begründet liegt. Darüberhinaus hat jeder Richter – vom Gesetz so vorgesehen – bei seinen Urteilen einen gewissen Ermessensspielraum und gerade in Strafprozessen fließt auch ein gehöriges Maß an subjektiver Beurteilung mit ein. Dieser kurze Ausflug hat für mich jedoch keine wirkliche Relevanz, was meine Kritik an der Produktion anlangt, um dies noch einemal festzuhalten. Da ich weder Strafen verhängen will, noch kann, aber trotzdem eine “Musterung” (Rezension) durchführe und mein “Urteil” fälle, stellt der metaphorische Gebrauch der Redewendung “vor den Kadi zitieren” eine sehr eindeutige Positionierung dar. Zum Abschluss dieses Komplexes möchte ich eine vielleicht noch provokante Frage stellen. Nehmen wir an, ich hätte mich entschieden zu antworten, dass meine Position tatsächlich einer juristisch richterlichen gleichkomme. Was bitte müsste man dann als “Gesetz” bezeichnen nachdem ich handeln müsste. Oder anders formuliert: Welches Gesetz habe ich mit meiner Rezension gebrochen? Gibt es “Gesetze” die das Verfassen von Kulturkritiken regeln, die Verbote aufstellen und die Freiheit meiner Meinungsäußerung einschränken? Sind dies vielleicht ungeschriebene Gesetze, so etwas wie ein “common sense”, den ich mit meiner Kritik durchbrochen habe?

Wichtig jedoch ist, dass ich meine subjektive Meinung weder als allgemeingültig noch als objektiv darzustellen versuche, womit der Hinweis auf eine Diktatur für mich völlig ins Leere läuft. Sie deuten immer wieder an und sprechen immer wieder davon, dass es unzulässig sei und die Grenze des Zumutbaren mit der Aussage überschritten wäre dass auch Sie vor den Kadi zitiert gehörten und empfinden enormes Unbehaben wegen dieser Wortwahl. Dabei scheinen Sie ganz zu vergessen, dass auch Sie als Theatermacher ständig Urteile fällen müssen. Sie beurteilen die Stücke, die in Ihrem Theater gespielt werden. Sie und Ihre KollegInnen besetzen Rollen usw., deshalb nehmen auch Sie eine Beurteilungsrolle ein und sind in diesem Kontext ein metaphorischer Richter, ja ich behaupte sogar, dass ihr Einfluss im Theatergeschehen weit höher anzusetzen ist als der meine und dass Sie über mehr Macht verfügen als ein Rezensent oder eine Kritikerin, entscheiden Sie doch unmittelbar über die künstlerische und wirtschaftliche Zukunft von KünstlerInnen und Kunstschaffenden.

Ich selbst bin mir allerdings meiner öffentlichen Postion sehr bewusst und mache mir auch deswegen meine Beurteilung einer künstlerischen Produktion nicht leicht, was Sie aus den Texten von mir vielleicht auch herauslesen können. Jeder und jede im Kulturbetrieb im weitesten Sinne Tätige, sollte über die eigene Machtposition reflektieren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Ich persönlich unterscheide prinzipiell zwischen Kunstschaffenden, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen und solchen, die schon lange in ihrem Metier arbeiten. Denn ich bin der Meinung, dass es einen großen Unterschied macht, ob ich die Arbeit von jungen Menschen analysiere, oder solche von Erfahrenen, wie es im Fall von “Join” gewesen ist. Im zweiteren Fall gehe ich davon aus, dass das Erfahrensspektrum ein wesentlich höheres ist und auch dementsprechend in eine Arbeit einfließt und die Wirkungen einer Kritik von den ProtagonistInnen anders aufgefasst und beurteilt wird als dies bei “Newcomern” zu erwarten ist. Ich bin mir auch bewusst, dass diese Mail für weiteren Diskussionsbedarf sorgen wird, aber genau dies ist meine Absicht, denn nur so kann ein Diskurs über die unterschiedlichen Positionen geführt werden.

Mit kunstvollen Grüßen

Michaela Preiner

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