Johanna Adorján. Geteiltes Vergnügen

adorján_geteiltes_vergnügenGeteiltes Vergnügen ist ein Roman, den ich in rasantem Tempo und kaum ohne anzuhalten durchlese, der mich erfrischt und auf eine seltsame Weise glücklich macht. Ist es ein Liebesroman? Ein Beziehungsdrama? Vielleicht ist es einfach eine alltägliche Geschichte darüber, wie eine Frau und ein Mann sich begegnen, sich ineinander verlieben und versuchen, das Beste draus zu machen. Es ist das übliche Spiel von Anziehung und Abstoßung, das die beiden spielen. Nein, falsch, es ist das Spiel, das er spielt. Denn Tom macht total auf unverbindlich.

Etwa in der Hälfte der Story – die Beziehung zwischen ihm und seiner Freundin scheint bestens zu laufen – sagt Tom zu ihr, dass er mit ihr der Mensch sei, der er immer gern gewesen wäre. Etwas anderes will sie eigentlich nicht hören. Schließlich heißt das doch, er hat alle Freiheit, die er braucht, er darf der sein, der er ist. Dank ihrer Großzügigkeit. Klingt erstmal positiv. Ist es das auch? Ich weiß nicht. Ich traue Tom nicht! Und was ist überhaupt mit ihrer Freiheit? Ihren Sehnsüchten?

Tom ist mir einfach zu geheimnisvoll. Er ist mir zu gut aussehend. In den Augen anderer Frauen ist Tom ein Hallodri, ein Filou, ein Mann, der Frauen sammelt wie Schmetterlinge. Er schnupft zu viel Kokain. Diskussionen über das weitere Zusammenleben weicht er aus und die abrupten Wechsel von intensiver Nähe und tagelangem Schweigen sind mir suspekt. Tom allein bestimmt, wann Zeit für Sex ist. Doch was ist mit ihren Bedürfnissen nach mehr Nähe, nach Aufmerksamkeit, nach gemeinsamen Abenteuern, Reisen etc. Reicht Sex allein – und sei er noch so gut! – für eine funktionierende Beziehung?

Die 1971 in Stockholm geborene Johanna Adorján erzählt diese Geschichte in herrlich erfrischendem und provokantem Ton. Und natürlich gelingt es der Autorin, dass mir Tom irgendwie sympathisch ist. Im echten Leben würde auch ich ihn möglicherweise begehren, seinem Blick oder einer einzigen Berührung von ihm erliegen. Denn so alt wie die Liebe, so alt ist die Sehnsucht nach Zärtlichkeit. Und vielleicht wird am Ende ja doch alles gut, ändert Tom sich irgendwann …

Dann erkrankt seine Mutter schwer. Tom taucht wieder für ewige Zeit ab, verlangt Verständnis von seiner Freundin. Plötzlich dreht sich alles um die Mutter. Der Verlauf der Handlung ändert sich jetzt abrupt. Tom ist komplett mit der Situation überfordert. Fast tut er mir leid –
Überraschenderweise macht dann schließlich nicht Tom, sondern seine vereinsamte Freundin eine Therapie. Eine gute Entscheidung! Der weitsichtige Blick ihrer Mediatorin, die die Kraft eines Mediums besitzt, öffnen der jungen Ich-Erzählerin die Augen. Ich hoffe und bete mit ihr, dass sie das diesmal durchzieht. Männer wie Tom haben Frauen wie sie einfach nicht verdient. Basta.

Eine Liebesgeschichte ganz anderer Art – die Geschichte ihrer jüdischen Großeltern, die Hand in Hand im Ehebett in den Freitod gehen – erzählt Johanna Adorján in ihrem 2009 erschienen Roman Eine exklusive Liebe. Für ihre Großeltern Vera und István war es unvorstellbar, sich jemals zu trennen oder nach dem Tod des einen allein weiter zu leben. Zwei Romane der selben Autorin, die doch unterschiedlicher kaum sein könnten. Wer mit Geteiltes Vergnügen eine ähnlich tiefsinnige Liebesgeschichte erwartet, wie die der Großeltern, könnte hier enttäuscht sein. Was Geteiltes Vergnügen aber macht, ist, dass der Roman einem ein wunderbar kurzweiliges Lesevergnügen schenkt. Und eine Portion Power, falls man mal wieder den Mann fürs Leben verpasst hat.

Johanna Adorján. Geteiltes Vergnügen. Hanser Berlin 2016. 208 Seiten. 19,90 €



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