Goodbye Garten

Ziemlich genau vor einem Jahr habe ich mich gefreut, dass wir einen Kleingarten angeboten bekommen haben.

Das Beste für die Kinder, viel draußen zu spielen, im geschützten kindgerecht gestalteten Bereich, während ich in der Sonne sitzen kann oder ein bisschen Gartenarbeit machen - das waren für mich klar die Vorteile, die auf der Hand lagen. Verpflichtend ein paar Stunden im Jahr Gemeinschaftsarbeit leisten und auf den Feierlichkeiten des Vereins mitzuhelfen, ach - was sind schon die paar Stunden im Jahr, das schaffe ich auch mit den Kindern bzw. ohne, wenn sie mal ein paar Stündchen beim Papa bleiben. Die Kosten, die für den Garten anfallen, halten sich wirklich in Grenzen: Pacht und Umlage für Strom und Wasser, mehr nicht.

Mein Mann war da komplett anderer Meinung und von Anfang an mehr oder weniger gegen den Garten, hat aber letztendlich zugestimmt und meine Entscheidung zumindest akzeptiert, wenn auch nicht voll Überzeugung. „Er ist ja nicht den ganzen Tag die ganze Woche mit den Kindern zusammen, deshalb sieht er die Vorteile vielleicht nicht so" und „Er muss ja die Arbeit nicht machen", dachte ich und versuchte immer wieder, ihn zu überzeugen. Überzeugen ließ er sich nicht. „Ein Garten ist immer viel Arbeit" und „Letztendlich bleibt es an mir hängen" waren seine Befürchtungen.

Heute, fast genau ein Jahr später, muss ich zugeben: es ist nicht das Richtige für uns und glücklicherweise haben wir bzw. der Vereinsvorsitzende einen freundlichen Herrn mit Interesse und Spaß an Gartenarbeit, Zeit und vielen kreativen Ideen gefunden, der unseren Garten übernehmen möchte. Ich gebe zu, dass mein Mann Recht hatte in seiner Aussage, dass der Garten auch bzw. vorrangig Arbeit bedeutet. Natürlich kann man den Garten pflegeleicht gestalten und auch mal Fünfe gerade sein lassen, sodass der Rasen nicht wie mit der Nagelschere geschnitten aussieht, aber auch ein pflegeleichter Garten braucht Pflege, Zeit und Mühe. Ich habe nicht gewollt, dass die Arbeit an ihm hängen bleibt, aber ich habe es auch nicht allein geschafft. Wenn ich nicht die lieben Gartennachbarn und Vereinsmitglieder gehabt hätte, die für mich ab und zu den Rasen gemäht haben, die Bäume und Sträucher zurück geschnitten und beide Augen zugedrückt haben bei den zu leistenden Pflichtstunden, dann wäre ich echt verloren gewesen. Sie haben ein Herz für eine Mama mit zwei kleinen Kindern und vollstes Verständnis, dass ich sie zeitweise um Hilfe gebeten habe. Auch mein Mann hat trotz seiner Befürchtungen einiges dort gemacht, wofür ich dankbar bin. Für mich war es ein großer Schritt, überhaupt nach Hilfe zu fragen, weil ich eher der Typ bin, alles allein schaffen zu wollen (was mir meist irgendwie gelingt). Ich bin unendlich dankbar, dass das Nötigste gemacht wurde, wenn ich es nicht schaffte, denn sonst wäre der ganze Garten wahrscheinlich eher mit einem Feld zu vergleichen oder unsere Beziehung kaputt oder ich kaputt oder die Kinder vernachlässigt oder alles gleichzeitig. Ich bin froh, dass es Menschen gibt, die Hilfe ohne Aufrechnung und einfach mal so anbieten oder eine Anfrage nach Hilfe ohne große Worte erfüllen. Ich wusste nie, wer wann etwas gemacht hat - es war einfach gemacht. Das ist eine Gemeinschaft, die ich selten erlebt habe. Das spricht eindeutig für den Verein und den Zusammenhalt. Ich fühlte mich immer schlecht, weil ich nie wusste, wo ich mich jetzt bedanken oder vielleicht sogar erkenntlich zeigen sollte - es wurde nie erwartet und ich glaube, es wurde dort auch nicht schlecht über mich geredet - und das, obwohl sie dazu meiner Meinung nach sogar viele Gründe gehabt hätten, weil ich die Pflichten nicht erfüllt habe. Das hat mir in dem ganzen Jahr niemand vorgeworfen.

Goodbye Garten Goodbye Garten

Goodbye Garten Goodbye Garten Goodbye Garten

Ich habe mich und uns unter Druck gesetzt, dadurch, dass wir den Garten haben. Und ich habe uns eingeschränkt, denn sobald schönes Wetter war, sah ich es für nötig und sinnvoll, in den Garten zu gehen: „Wofür haben wir ihn denn sonst?" Die Große wollte aber viel lieber auf den Spielplatz und es war jedes Mal ein Überzeugungsakt, sie am Spielplatz vorbei in den Garten zu bitten. „Ok, 1 x schaukeln, eine Runde auf dem Dreirad fahren und dann gehen wir in den Garten". Sie stimmte zu, wäre aber viel lieber 100 x geschaukelt, die Rutsche hochgeklettert und runtergerutscht und hätte stundenlang im Sandkasten gespielt, statt mit Mama in den Garten zu gehen, auch wenn sie dort einen Sandkasten hat, Kinder-Werkzeug für den Garten, Wasserpistolen, Malkreide, Kinderrutsche, usw. Es gibt rund um unsere Wohnung und in unserer Stadt so viele Unternehmungsmöglichkeiten bei gutem Wetter, dass der Garten zur letzten Option wurde. Ich hatte nicht die Energie und nicht die zündende Idee, wie ich es wirklich gestalten möchte und schon gar nicht die Zeit. Ein Trampolin, ein Kinder-Spielhaus und ein kleines Gemüsebeet, bei dem die Kinder sehen können, wie selbst Gepflanztes wächst und gedeiht, wenn es gut gepflegt wird. Ich hatte nicht die Muße, es einfach mal anzugehen und habe es nicht geschafft, die Gartenarbeit in unseren ständig wechselnden Rhythmus sinnvoll zu integrieren. Handwerklich bin ich nicht die Begabteste und schon gar nicht die Mutigste, sodass auch meine Pläne, etwas selbst zu bauen, auch daran scheiterten, es einfach mal in Angriff zu nehmen. Aber ganz ehrlich: wann auch? Die Kinder sind immer bei mir und ich könnte mir nicht vorstellen, so ein größeres Projekt wie ein Holzhäuschen für Kinder mal so nebenbei zu bauen, während die Kinder sich selbst beschäftigen ohne immer wieder zu mir zu kommen: „Was machst Du da?" „Was ist das?" „Darf ich auch mal" - da wäre ich dann mehr mit meinen Augen dabei, die Kinder zu beobachten, dass sie Hammer und Säge nicht selbst ansetzen oder die Kleine die Nägel mal probiert oder sonst irgendwas. Und die Kinder dafür betreuen zu lassen, um das in Ruhe zu erledigen, widerspricht meiner Einstellung, dass ich bisher alles zusammen mit den Kindern schaffte und das auch so möchte.

Jeden Tag gab es Gründe, es nicht anzugehen
  • Die Kleine weinte anfangs im Kinderwagen, sobald der Rasenmäher, der zugegebenermaßen nicht gerade leise war, los ging
  • Die Große hatte natürlich ausgerechnet dann, wenn ich was machen wollte, keine Lust allein im Sandkasten zu spielen, sondern wollte mit mir ein Buch anschauen, etwas essen oder mit mir zusammen spielen
  • Es regnet in Strömen
  • Mindestens ein Kind ist krank
  • Wir hatten einen Besuch bei der Familie geplant
  • Spielgruppe, Musikkurs, Schwimmen oder Ponyreiten
  • Verabredung mit Freunden
  • Kinderarzt-Termin, Friseur-Termin, Arzttermine
  • Heute kommt Papa früher von der Arbeit
  • Abendessen muss noch vorbereitet werden
  • Wir unternehmen heute einen Tagesausflug
  • Die Große will lieber auf den Spielplatz oder Laufrad fahren oder oder oder . . .

Kurz gesagt: Irgendwas ist immer - und all das hielt mich davon ab, wirklich was anzugehen. Und all die oben aufgeführten Gründe sind wahrscheinlich nur Ausreden, weil ich es nicht aus tiefster Überzeugung wirklich wollte! Ich verbuche dieses Jahr mit Garten als Erfahrung, denn daraus habe ich gelernt, dass es nicht gut ist, solche Entscheidungen kurzentschlossen zu treffen. Zwischen Angebot des Gartens und Übernahme lag nämlich weniger als eine Woche, weil ich ihn unbedingt noch vor der Geburt der Kleinen haben wollte. Und ich habe daraus gelernt, dass ich zurzeit nicht der Garten-Typ bin und das nicht in meine aktuelle Lebenssituation passt.

Deshalb fällt mir ein Stein vom Herzen, dass sich genauso schnell wie ich den Garten bekommen habe, jemand anders gefunden hat, der mit Herz und Verstand und aus tiefster Überzeugung diesen Garten übernehmen, gestalten und pflegen möchte: er hat den Elan und die Zeit dazu. Und trotzdem kommt es mir vor wie ein Déjà vu, denn er hat mir erzählt, dass seine Frau gesagt hat, dass sie nichts mit dem Garten zu tun haben will und sie nicht dahin gehen wird. Er möchte sie mit Taten überzeugen und für sie etwas Tolles dort gestalten, sodass sie sich wohl fühlt und den Garten zu schätzen weiß. Ich denke, da hätte ich noch so tolle Ideen haben können, meinen Mann hätte ich mit nichts überzeugt, was ich in meiner begrenzten Zeit überhaupt hätte hinbekommen können - geschweige denn dass ich überhaupt die passende Idee gehabt hätte. Weder für einen Bagger noch ein Schwein hätten wir eine Genehmigung bekommen - das hätte ihm am ehesten gefallen, ist aber laut Vereinssatzung nicht erlaubt.

Irgendwie stand es immer zwischen uns, das Thema. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich dort im Garten zu wenig mache und dass ich ihn doch bitte, mich zu unterstützen, obwohl ich anfangs gesagt habe, er muss da ja nichts machen. Und er sagte oder zumindest dachte „boh - schon wieder irgendwas mit ihrem Garten, was ICH jetzt machen soll". Es führte nicht nur einmal zu Meinungsverschiedenheiten und sogar auch zu Streit. Als ich ihm dann sagte, dass sich jemand gefunden hat, der den Garten übernimmt, war er mindestens genauso erleichtert wie ich. Ein Streitthema weniger - heißt aber nicht, dass wir jetzt sieben Tage die Woche, 52 Wochen, 365 Tage lang friedlich zusammen leben. Das wär doch langweilig, oder? Irgendwas ist immer - und das bleibt bestimmt auch so. Goodbye Garten

Die Große war zuerst ein bisschen traurig, als ich ihr sagte, dass der Herr jetzt den Garten von uns übernehmen wird und er dann nicht mehr uns gehört. Sie sagte heute Morgen noch „Ich will den Garten behalten". Sie war bei den Treffen dabei und er hat mit ihr Witze gemacht, versucht, sie aus der Reserve zu locken und hat uns sogar eingeladen auf ne Limo, wenn er alles fertig hat. Beim letzten Treffen vor der Unterschrift hat sie ihm sogar freiwillig die Hand gegeben. Irgendwie bin ich ja schon gespannt, was man daraus machen kann, wenn man genug Zeit und Elan hat.

Als ich ihr dann erzählte, was wir alles stattdessen machen können, war sie nicht mehr traurig.

Goodbye GartenGoodbye GartenGoodbye Garten Wie üblich sind alle Bilder mein Eigentum und dürfen nur mit meiner Zustimmung gespeichert und genutzt werden: "© Mamis Blog" Goodbye Garten

Fazit: es war gut, dass ich diese Erfahrung gemacht habe - ich bereue sie nicht. Es war ein schönes Jahr mit dem Garten: die Große konnte geschützt und frei spielen, Natur entdecken, Früchte direkt von den Sträuchern und Bäumen essen, hat eigene Erdbeerpflänzchen gepflegt und sofort die kleinen Erdbeeren gefuttert.

Ich brauchte mir keine Sorgen machen, dass die Große wegläuft und ich wegen dem Stillen des Babys nicht schnell genug hinterherkomme oder nicht mitbekomme, wo sie gerade ist.

Habt Ihr auch schon einmal eine Entscheidung getroffen, bei der Ihr dann zugeben musstet, dass sie nicht passend war? Und die vielleicht sogar gegen den Wunsch Eures Partners durchgezogen wurde und Ihr nachher doch „kleinlaut" zugeben musstet, dass er Recht hatte? Wie seid Ihr damit umgegangen? Ich freue mich auf Eure Erfahrungen in den Kommentaren. Eure Renate

Es ist genauso gut, dass es jetzt vorbei ist, denn ich möchte mich dadurch nicht einschränken lassen, sondern jeden Tag auf's Neue entscheiden, wo wir hingehen. Die Möglichkeiten, die sich rund um unseren Wohnort ergeben, sind so vielfältig, dass es zu schade wäre, sich nur auf den Garten zu begrenzen.Traurig bin ich nicht - sondern wirklich froh, dass der Garten nun jemandem gehört, der sich auskennt und das mit Herz und Verstand und genug Zeit angeht. So halbherzig ist nicht mein Ding - hätte ich vorher eigentlich auch schon wissen sollen, aber nachher ist man immer schlauer. Und ich bin sehr sicher, dass wir diese hinzugewonnen Freiheit ohne schlechtes Gewissen, dass da noch ein Garten auf uns wartet, zu schätzen wissen und tolle Sachen in der Natur unternehmen können. Ich freu mich darauf.

Auf dem Spielplatz trifft man immer andere Eltern und Kinder, Natur erleben und beobachten, dafür gibt es ebenfalls sehr viele Orte in unserer Umgebung und wenn ich mich gärtnerisch betätigen möchte und es wirklich mal zu einem Herzenswunsch wird verbunden mit der nötigen Zeit, die ich dafür brauche, ergibt sich vielleicht doch nochmal etwas, dort einen Garten zu bekommen. Wer weiß, was die Zukunft bringt? Zum Glück kann man nicht alles planen - und ich übe mich jeden Tag auf's Neue darin, es „einfach" auf mich zukommen zu lassen.

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