Glänzende Geschäfte mit der Armut der Massen

Es ist weder neu, noch überraschend, trotzdem muss weiterhin festgestellt werden, dass es auch in Deutschland immer schwieriger wird, über die Runden zu kommen. Auch wenn die Einschnitte in den sozialen Systemen noch nicht so brutal sind wie in Griechenland oder Großbritannien, so gibt es auch in Deutschland immer mehr Menschen, die arm sind. Auch wenn in den Verlautbarungen des Statistischen Bundesamtes und der Bundesregierung lieber davon gesprochen wird, dass arme Menschen nicht arm, sondern „armutsgefährdet“ seien. Denn wer von wirtschaftlicher Armut bedroht sei, habe schließlich die Möglichkeit, diesen Zustand zu verändern und dann eben nicht mehr arm zu sein, sondern „nur noch“ armutsgefährdet.

Theoretisch. Denn faktisch zeigt sich, dass arme Menschen arm bleiben und nicht nur das: Wer ohnehin zu wenig Geld hat, verschuldet sich häufig, um irgendwie über die Runden zu kommen und am Ende wird alles immer schlimmer: dann ist man nicht nur arm, sondern auch noch verschuldet. Die Motivation, unter solchen Umständen einen Job anzunehmen, der nur dazu dient, die Schulden abzuzahlen, anstatt sich endlich etwas leisten zu können, ist nicht allzu groß, selbst wenn ein halbwegs vernünftiges Angebot vom Job-Center käme.

Kinder von armen Eltern haben gerade in Deutschland mit seinem vorgestrigen Drei-Klassen-Schulsystem deutlich schlechtere Chancen, als Kinder von wohlhabenden Eltern und so wird auch Armut „vererbt“. Andere Länder, die sich ein Schulsystem leisten, in dem alle Schüler gemeinsam bis zum Schulabschluss lernen, anstatt sie in Gymnasium, Realschule, Hauptschule zu sortieren, bringen nicht zufällig erfolgreichere Schüler hervor. Aber das ist heute nicht mein Thema.

Geld

Die einen haben nicht genug davon, die anderen wissen nicht wohin damit

Nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes sind 16 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen „armutsgefährdet“, also arm. Und von diesen wiederum ist es ein Drittel, das sich insbesondere durch die steigenden Kosten für eine Wohnung finanziell schwer belastet fühlt. Gerade in den deutschen Großstädten werden die steigenden Mieten zum Mühlstein um den Hals der „Armutsgefährdeten“, und auch den statistisch noch gar nicht zu dieser Gruppe gezählten Wenigverdienern, die theoretisch über der Armutsgrenze liegen, bleibt oft zu wenig zum Leben, wenn sie ihre Miete bezahlt haben. Denn im Gegensatz zu den Löhnen und Gehältern steigen die Mieten rasant: Um bis zu 12 Prozent werden die Mieten auch in diesem Jahr steigen. Für Löhne und Gehälter wird in diesem Jahr aber nur ein Zuwachs von 2,9 Prozent erwartet. Dieser kommt natürlich in erstern den ohnehin schon besser Verdienenden zugute, während die Billiglöhner und Ein-Euro-Jobber nicht mit einer Verbesserung ihres Einkommens rechnen können.

Die Richtwerte für den Mietanteil, der Hart-IV-Empfängern gezahlt wird, sind so niedrig angesetzt, dass in Berlin jeder zweite Haushalt aus der kläglichen Hilfe zum Lebensunterhalt zubuttern muss, weil die Miete höher ist, als der Regelsatz vorsieht. Das bedeutet dann: Wohnen oder Essen. Ähnlich sieht das auch mit anderen Pauschalen aus. So bekommen Kinder nur eine Warmwasserpauschale von 3 Euro monatlich, sofern die Warmwasserbereitung über die Stromrechnung bezahlt wird. Erwachsene dürfen immerhin für 8 Euro Warmwasser verbrauchen. Kleinkinder dagegen nur für 2 Euro. Klar, so ein Kleinkind kann ja auch mit kaltem Wasser den Po abgewaschen kriegen, das härtet ab. Und die Schulkinder können nach dem Sportunterricht in der Schule duschen. Nur ist es meistens so, dass in der Schule gar keine Zeit fürs Duschen bleibt – und zumindest war es in meiner Schulzeit so, dass es gar kein Warmwasser in der Turnhalle gab, selbst wenn man sich gern geduscht hätte.

Die gute Nachricht ist, dass die Leute, die so richtig Kohle haben, sich keine Sorgen machen müssen, sie werden nämlich noch reicher. Die Zahl der Deutschen, die ein Vermögen von mindestens einer Milliarde Euro angehäuft haben, stieg in diesem Jahr von 91 auf 108.

Noch krasser sieht das im Mutterland der kapitalistischen Freiheit aus: In den USA hat sich inzwischen eine Plutonomie etabliert, in der das eine Prozent der ganz Reichen ganz oben 90 Prozent des Vermögens in den USA kontrolliert. Diese eine Prozent bestimmt die Geschicke der verbleibenden 99 Prozent, auf die es, so eine Analyse der City-Bank aus dem Jahr 2005 auch gar nicht ankommt: „Wirtschaftliches Wachstum wird angetrieben und weitgehend konsumiert von den vermögenden Wenigen“, sagt der damalige Chefstratege der Citigroup Ajay Kapur, „die Erde wird getragen von den muskulösen Armen dieser Unternehmens-Plutokraten“, die sich geschickt und meistens auf Pump technologischen Wandel und Globalisierung zu Nutze machen können, während die anderen das Nachsehen haben.

Immerhin: Diese 99 Prozent fangen nach Jahren der Agonie endlich an, zu protestieren. Ich wage zwar noch nicht zu hoffen, dass dieser Protest tatsächlich mehr Substanz hat als die schiere Verzweiflung derer, die im Zuge der Finanzkrisen seit 2008 ihre Häuser, Jobs und somit ihre komplette Lebensgrundlage verloren haben. Aber vielleicht wird aus Occupy-Wall-Street vielleicht doch noch mehr.

Denn es reicht nicht, die Wall-Street, die City of London oder das Bankenviertel in Frankfurt zu besetzen. Kapitalismus findet auch im Aldi und im Lidl statt – die Chefs dieser Billigläden, in denen schlecht bezahlte Angestellte unter miesen Arbeitsbedingungen anderen Armen ihre Überlebensration verkaufen, gehören zu den reichsten Deutschen. Es sind nicht nur die bösen Banker und die schmierigen Spekulanten, die glänzende Geschäfte mit der Gier dummer Anleger machen. Auch an der Armut der Massen kann man prima verdienen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken.



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