felsenfest – noch schöner als fliegen

Felsenfest_Cover.inddMit dem Begriff „felsenfest“ habe ich bisher vor allem Überzeugungen verbunden: Meinungen, die so verinnerlicht sind, dass sie allen Fragen und Zweifeln standhalten. Seit ich Emil Zopfis neues Buch „FelsenFest“ gelesen habe, hat sich meine Perspektive erweitert!

Zugegeben: ich war nie eine mutige Klettergämse – ein wenig befestigter Hochgrat ist bisher das einzige, was ich außer klassischem Bergwandern vorweisen kann. Trotzdem. Immer wenn ich am Gardasee die knallbunt gekleideten Jungs und Mädels wie Eidechsen den Hang hinauf klettern sah, war ich regelmäßig begeistert. Um so gespannter war ich auf die 50 Kurzgeschichten, die mir nicht nur eine völlig neue Bedeutung des Begriffs „felsenfest“ sondern auch sehr interessante Einblicke in die Welt der Klettermaxen und -mäxinnen geben sollten.

Emil Zopfi schien mir geradezu prädestiniert,  eine neue Welt zu öffnen, die mich  fasziniert und zugleich abschreckt – seit fünfzig Jahren ist der über 70-Jährige Zopfi im Berg. Mit wachen Augen und Sinnen, gespannten Muskeln, leidenschaftlichem Herz und gesundem Menschverstand. Er kletterte in zehn Ländern und hat sich trotz aller Erfahrungen keinem sinnvollen Trend verschlossen, der in den vergangenen Jahren flächendeckend über zahlreiche Klettergebiete hinwegrollte.

Sehnsucht, Plaisir, Kraft, Spuren, Literatur, Trauer, Melancholie, Glück und Träume: im Grunde vermitteln schon die Namen der Kapitel, um was es beim Klettern hauptsächlich geht.

Sehnsucht nach rauem Fels, frischer Luft, Bergseen, Gletschern, Wäldern und dem Läuten von Kuhglocken. Wehmütige und sentimentale Erinnerungen an das erste Seil, an die letzte Tour und an verstorbene Kletterkameraden. Das Glücksgefühl, eine scheinbar unbezwingbare Wand doch noch geschafft zu haben. Die absurde Begegnung mit Muhammad Ali auf fast 4000 Metern sowie mit Kletterern der neuen Generationen. Inspirationen durch kletteraffine Schriftsteller – zum Beispiel vom Nacktkletterer Hermann Hesse -, all das lässt Emil Zopfi in seine Geschichten fließen und fesselt damit nicht nur passionierte Kletterer.

Zopfi erzählt von Stürzen „ins Seil“, von launischem Wetter, durchnässten Schlafsäcken und Löchern im Tank. Von Kletterfreundschaften, Spitzentänzen auf Kalkplatten und dramatisch-berührenden Rettungsaktionen. Von Kletterzoos und Sizilianischem Hard Rock, von Waldbränden, von legendären Routen und Kletterkollektiven, von sonderbaren Bergen und seinen Turmbesteigungen auf der ganzen Welt. Von findigen Hüttenwirten,  Kehren und Wendungen im Kletterleben sowie von Fragen, auf die es wohl nie eine Antwort geben wird.

Im Grunde sind sie Junkies, das weiß ich jetzt: kein Todesfall, keine eigenen Verletzungen, keine umständehalber notwendige Umkehr halten eingefleischte Bergfexe vom Klettern ab! Es scheint eine Art Magie vom Fels auszugehen, die sie immer wieder anzieht. Richtig erklären kann das wohl niemand, schon gar niemand, der es nicht selbst erlebt hat. Und sogar Emil Zopfi fragt sich ab und zu: „Warum tue ich mir das als Siebzigjähriger eigentlich alles an?“

Und dann geht er doch wieder los, oft mit dem Intercity. Klettert Routen die Ikarus, Wilde Sofie, Namenlose Kante, dBase, Unix, Tangotime oder Geh doch nach Moskau heißen – je nachdem, welche Passion der oder diejenige hatte, welche(r) die Route „eingerichtet“ hat. Genießt das Läuten der Kuhglocken, die meditative Konzentration, die ständig neuen Herausforderungen, die großen und kleinen Siege über sich und den Fels.

An vielen Orten ist es allerdings vorbei mit der Bergromantik: heute klettern Paare, Familien, Rentner, Mütter mit Babies im Tragsitz und selbst Pubertierende im neonfarbenen Kletterdress, sorgen mit Magnesia an den Händen und Bluetooth am Ohr für Stau am Berg und Geschrei. Autolärm, Hundegebell und Businesstalks übertönen immer öfter die Melodie der Berge.

Großstädter und Freaks erobern mit trainingsgestählten Muskeln, neuen Sicherungstechniken und Begriffen wie „rotpunkt“, „on sight“ oder „spotten“ die Felsgalerien und verursachen bei manchem Kletter-Urgestein das nagende Gefühl, das die eigenen besten Zeiten womöglich vorbei sind. Übrigens – wer wissen mag, was sich hinter dem Kletterlatein verbirgt: ein Glossar im Anhang erklärt die wichtigsten Begriffe rund ums Klettern.

Der mehrfach preisgekrönte Autor jedenfalls nimmts mit Humor – gerade deshalb ist dieses sehr persönliche Buch auch für „Flachländer“ ein echtes FelsenFest und ein außergewöhnliches Lesevergnügen.

Emil Zopfi „FelsenFest. Noch schöner als Fliegen. 50 Kurzgeschichten“, 192 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, 26 Euro 90, AS Verlag



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