Ein schönes Erlebnis

Ludoviko Seit dem Tod von P. Ludoviko im Dezember 2014 habe ich hier kaum noch etwas geschrieben, also wird es Zeit, mal etwas über diesen wunderbaren Menschen zu schreiben. Das obere Foto zeigt ihn mit roter Kappe zwischen den anderen Mitarbeitern der Klosterverwaltung beim Fischkauf während eines gemeinsamen Ausflugs.
Das schönste Erlebnis, das ich mit Ludoviko hatte, war im Herbst 2013. Ich war damals noch Cellerar (Leiter der Klosterverwaltung) und musste einen Arbeiter des Klostercafés entlassen, der seinem Chef einigen Ärger machte, ohne dass man ihm etwas nachweisen konnte. Ich zahlte ihm die gesetzlich vorgeschriebene Abfindung und stellte ihm die Kündigung aus. Kurz danach kam P.Fidelis zu mir, der afrikanische Prior (Stellvertreter des Abtes, der Abt war zu dieser Zeit auf einer längeren Dienstreise): „Das geht nicht. Bei einer betriebsbdingten Kündigung musst du immer die Gewerkschaft beteiligen und die zuerst entlassen, die zuletzt eingestellt worden sind.“ Hätte er mir ja etwas eher sagen können, schließlich war er einer der Leute gewesen, die darauf gedrängt hatten, den Mitarbeiter zu entlassen.
Also sprach ich nochmals mit dem Arbeiter und bot ihm eine höhere Abfindung an, wenn er freiwillig kündige. Es gab einiges Hin und Her, er stimmte zu, nahm das Geld, dann zog er seine Zustimmung zurück, schaltete die Gewerkschaft ein, die sich aber auf meine Seite stellte. Schließlich kam ein Brief vom Arbeitsgericht in Songea (das untere Foto zeigt die Stadt Songea aus der Luft, in der Mitte ist die kreuzförmige Kathedrale zu erkennen, das Arbeitsgericht liegt ungefähr auf halbem Weg zwischen der Kathedrale und dem rechten Bildrand, ist aber nicht zu erkennen): Der Arbeiter hat geklagt, die Verhandlung findet nächsten Montag statt.
Prior Fidelis ist offiziell für Gerichtssachen zuständig, normalerweise aber lässt er sich durch einen jüngeren Bruder vertreten, den ich hier einfach X nennen möchte. Ich rufe direkt X an, mit dem ich mich gut verstehe. Keine Antwort. Kein Rückruf. Am nächsten Tag dasselbe. Die Sache kommt mir komisch vor, aber dann erfahre ich, dass X dringend zu seiner Familie nach Hause fahren musste. Ich bin beruhigt, obwohl mir eine Stimme im Hinterkopf sagt, „Auch zuhause hätte er den Anruf annehmen können.“ Fidelis sagt mir, ich solle selbst zum Gericht gehen, schließlich hätte ich ja den Arbeiter entlassen. Ich war noch nie beim Gericht, weiß aber, dass für einen Ausländer dort alles schwieriger ist. Also bitte ich den Leiter des Klostercafés, mich zu begleiten, und er sagt ohne Zögern zu.
Am Montag Morgen dann kommt endlich Ludoviko ins Spiel. Er geht zuerst zu einem seiner Freunde, der mir später Ludovikos Worte berichtet: „Sie lassen Robert ganz allein. Ich muss mit ihm zum Gericht gehen.“ Dann kommt er zu mir: „Darf ich mitkommen ?“
Wir fahren also zu dritt. Das Arbeitsgericht sitzt in einer kleinen Villa aus der Kolonialzeit, der Sitzungssaal enthält ein paar Tische und Stühle, er wirkt wie ein besseres Schulzimmer. Auf der einen Seite sitzt der Arbeiter mit seinem Rechtsanwalt, wir sitzen ohne Rechtsanwalt gegenüber. Der Richter, ein junger sympathischer Mann in Zivil, sitzt an der Stirnseite. Der Rechtsanwalt der Gegenseite will zunächst erreichen, dass nur einer von uns an der Verhandlung teilnehmen darf, da ja nur einer der Arbeitgeber sein könne. Ich sage, „Wir haben alles gemeinsam, wir sind wie eine Person.“ Nachdem wir unsere Standpunkte ausgetauscht haben, gibt es eine Verhandlungspause. Wir gehen vor die Tür. Zwei Männer kommen auf mich zu, sagen, sie seien Journalisten, halten mir aggressiv eine Videokamera vor die Nase: „Wir haben gehört, ihr entlasst aus Rassismus unrechtmäßig Arbeiter“. Sofort geht Ludovikos Hand zwischen die Kamera und mein Gesicht: „Wenn ihr Fragen habt, kommt doch übermorgen nach Peramiho.“ Bis heute muss ich lachen, wenn ich an diese Szene denke, denn das Suaheli-Wort für „Rassismus“ ist „Farbendiskriminierung“, und dieses Wort war schon durch die Farbe von Ludovikos Hand und von meinem Gesicht völlig ad absurdum geführt.
Songea
Jetzt rät Ludoviko mir, nachzugeben und den Arbeiter wieder einzustellen. Ich verstehe immer noch nicht, was eigentlich los ist, weiß aber, dass ich Ludoviko vertrauen kann. Also bitte ich den Richter, uns eine Woche Bedenkzeit zu gewähren. In Peramiho erklärt Ludoviko mir dann, dass einer der beiden Journalisten auch für den Verlag von Peramiho (der Prior Fidelis untersteht) schreibt, dass der Arbeiter oft gesehen wurde, wie er in den Verlag ging (wo Fidelis sein Büro hat), und dass er sich ohne finanzielle Unterstützung (von Fidelis) den Anwalt wohl kaum hätte leisten können. Das ganze war eine Falle, damit die Journalisten mich in der Zeitung oder sogar im Lokalsender als Rassisten darstellen könnten. Aus diesem Plan ist dank Ludovikos Wachsamkeit nichts geworden. Aber sonst ist das Ergebnis des Tages nicht besonders gut: Beim nächsten Gerichtstermin einigen wir uns darauf, den Arbeiter wiedereinzustellen, seine Abfindung muss er in Raten zurückzahlen. Sechs Wochen danach setzt der Prior meine Entlassung als Cellerar durch, noch einmal zwei Monate später ist auch der Leiter des Cafés abgesetzt. Br. X wird mir einige Zeit später gestehen, dass er nicht freiwillig in Urlaub gefahren war, sondern dass Fidelis ihn extra in Urlaub geschickt hatte.
Zum Glück gibt es seit alters her die Einrichtung der gegenseitigen Kontrolle der Klöster, Visitation genannt. Bei der ersten Visitation nach dem geschilderten Vorfall, im vergangenen Dezember, ist Prior Fidelis abgesetzt worden. Unmittelbar danach hat er das Kloster verlassen und gesagt, er glaube sowieso nicht an Gott.



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