Die Geburt eines Buches

Nun ist also mein Buch geboren. Es ist 14 Zentimeter lang und bringt 0,28 Kilogramm auf die Waage. Ein kleines, hübsches Ding, das im Gegensatz zu den Menschenkindern bereits ausgewachsen ist, wenn es zur Welt kommt – na ja, weitgehend ausgewachsen … Der Entwicklungsprozess findet vor der Geburt statt. Diesen Vorgang möchte ich hier kurz beschreiben.

Der Anstoss zum Buch gab mein Bruder. Er hat zu einem Blogeintrag, den ich während meiner Indienreise im Winter 2015 erstellt hatte, einen Kommentar geschrieben – was vorher und nachher nie mehr vorkam: «Schöne und berührende Texte. Schreibe ein Buch über die Eindrücke von Indien!» Natürlich fiel dieser Vorschlag nicht auf unvorbereiteten Boden. Immer wieder hatte ich mit dem Gedanken gespielt, ein Buch zu schreiben. – Weil ich ein Leben lang geschrieben hatte. Womöglich weil ich keine eigenen Kinder habe und mich in einem gewissen Sinn verewigen wollte, noch ein Zeichen setzen wollte. Vielleicht aber auch einfach nur, weil es mich wundernahm, wie es ist, ein Buch zu veröffentlichen. Solche Dinge sind eben nicht monokausal …

Das Grobkonzept zum Buch fügte sich schnell zusammen. Viele Texte waren ja schon vorhanden und brauchten nur sinnvoll zusammengeschnurpft zu werden. Wenn ich unterwegs bin, insbesondere in Indien, schreibe ich gern und viel, weil das Schreiben Erholung ist, Erholung von der wuseligen, manchmal betörenden, manchmal erschreckenden, meist aber anstrengenden indischen Lebenswelt. Fürs Schreiben kann ich mich ins geliebte Alleinsein zurückziehen, ohne weitere Erklärungen abgeben zu müssen. Texte gab es also zuhauf.

Verlagssuche und ein Wunder

Für die Suche nach einem Verlag erstellte ich ein Kurzkonzept, ein Exposée zum Buch, das in meinem Kopf langsam Form annahm, legte ein paar Beispieltexte dazu – natürlich jene, die mir am besten gefielen. Ein Begleitbrief und stichwortartige Angaben zu meiner Biografie – und fertig war das Dossier, mit dem ich auf Verlagssuche ging. Nun ja, ein bisschen schwanger ging ich natürlich schon mit der Buchidee. Und die Zweifel, ob das alles etwas wird und ob es tatsächlich wert ist, einige Bäume fällen zu lassen, damit mein Buch erscheinen konnte, die Zweifel waren ständige Begleiter und sind es, ich gestehe, heute noch. Sie gehören offenbar zu meinem Leben, wie etwa die Sehnsucht nach Weite um mich und in mir – oder wie etwa auch der Rollstuhl.

Und dann geschah ein kleines Wunder: Der erste Verlag, den ich anschrieb, der Verlag Johannes Petri – ein kleiner Basler Verlag, Teil (Imprint) des grösseren Schwabe Verlags – zeigte ernsthaftes Interesse. Damit begann ein Abenteuer, das bis heute fortdauert. Erste Gespräche über die Ausstattung und Auflage des geplanten Buches folgten. Eine Offerte zu den Produktionskosten des Buches und zu den Leistungen des Verlags (Lektorat, Marketing, Vertrieb) wurde erstellt. Einen guten Teil der Produktionskosten musste ich beibringen. Ein üblicher Umstand bei einem unbekannten Autoren.

Geldsuche – und ein zweites Wunder

So ging ich auf Sponsorensuche, wobei von Anfang klar war, dass ich einen Teil des Geldes für die Produktionskosten über ein Crowdfunding organisieren wollte – weil ich wissen wollte, ob und wie das funktioniert. Neben einem Begleitbrief, der jeweils auf die Empfängerin und deren Stiftungszweck zugeschnitten sein soll, gehören die Kostenaufstellung (Verlagskalkulation), der Projekt-/Finanzierungsplan, das Buchexposée und möglichst ein Verlagsgutachten dazu. Entscheidend ist, dass man die Stiftungen, die man anschreibt, sorgfältig auswählt. Das Gesuch muss mit dem Stiftungszweck hundertprozentig korrespondieren. Sonst kann man sich die Mühe sparen. Ich ging schrittweise vor. So konnte ich bei den erfolgversprechendsten Stiftungen abklären, ob sie nicht Hauptsponsor werden wollten, was die Sponsorensuche natürlich sehr vereinfacht hätte.

Erleichternd kam bei mir wohl hinzu, dass ich den Rollstuhl ins Spiel bringen konnte. Denn von Anfang an war klar, dass dieser – beziehungsweise der Umstand, dass ich als Rollstuhlfahrer Indien bereist hatte – ein wichtiges Verkaufsargument, eine Art Alleinstellungsmerkmal für das Buch sein würde. Nicht zuletzt auch im Sinne eines Mutmachers, sich nicht von vornherein von äusseren Umständen entmutigen zu lassen, sondern das scheinbar Unmögliche auszuprobieren. Mit dieser Anlage konnte ich auch Stiftungen im Behindertenbereich anschreiben.

Das zweite Wunder war, dass das Finanzierungsziel bald in greifbare Nähe rückte. Dies war der Augenblick, wo ich daran ging, das Manuskript des Buches zusammenzustellen, zu ergänzen und für das Lektorat vorzubereiten. Im April dieses Jahres war es soweit, das Rohmanuskript ging ins Lektorat. Es folgte eine Zeit der Textreifung, die ich besonders genoss, wenn sie auch viel Arbeit bedeutete. Der Buchtitel wurde viele Male in Frage gestellt und wieder auf Schild gehoben, die Bilder ausgewählt – denn was ist ein Reisejournal ohne Bilder –, Legenden, Klappentexte, ein Vorwort mussten geschrieben sein, und, und, und …

Dann kam der Umbruch und ein neuer Vorschlag für den Buchumschlag. Nun wurde es sehr konkret, vieles fand parallel statt: die Finanzierung musste weiter vorangetrieben werden, das Crowdfunding bei 100-days.net aufgegleist, erste Verkaufsmassnahmen besprochen, Nachbesserungen beim Text und beim Umbruch vorgenommen werden. Die Veröffentlichung eines Buches ist vielschichtiger als gedacht.

Nun ist das Buch geboren. Aufatmen und loslassen! Nun gehört das Buch nicht mehr mir, sondern den Leserinnen und Lesern. Es folgt die Zeit der Lancierung, der Platzierung auf dem Buchmarkt – des Staubaufwirbelns –, was hauptsächlich Aufgabe des Verlages ist, aber auch mich auf neue Weise fordert. Gespräche mit Journalisten, Buchvernissage, Lesungen, Auftritte im Fernsehen, ja, im Fernsehen (Tele Basel, Tele Züri), nicht mein Lieblingsmedium, aber das Medium, mit dem man heute die Menschen erreicht. Trotzdem: Aufatmen und loslassen! Es entsteht Raum für Neues.

Das ist mein Buch:

buchcoverIndien aus einer ungewöhnlichen Perspektive

Im Winter 2015 bereiste der Autor mit dem Rollstuhl während dreier Monate Indien. Tagebuchaufzeichnungen, Notizen und Blogeinträge zu dieser Reise bilden das Rohmaterial für das vorliegende Buch. Daraus wurde ein geschickt komponiertes und sprachlich sorgfältiges Mosaik aus Journaleinträgen, Relexionen und Betrachtungen zur indischen Lebenswelt.

Die Texte behandeln Gesellschaft und Religion ebenso wie die Freuden und Tücken, die ein Rollstuhlfahrer in diesem Land erfährt. Vor uns entsteht ein vielfarbiges Bild einer ungewöhnlichen Indienreise, ergänzt mit Fotos, Routenplänen und, wo nötig, knapp gehaltenen Sachinformationen. Das Buch ist kein herkömmlicher Reiseführer. Es möchte den Leser – ob mit oder ohne Beeinträchtigung – dazu ermutigen, doch das Unkonventionelle, ja das scheinbar Unmögliche zu wagen.

Walter Beutler, 1956 in Basel geboren, ist Übersetzer, Blogger und Weltenreisender. Wegen Kinderlähmung ist er zudem seit früher Kindheit Rollstuhlfahrer. Bis vor kurzem übte er seinen Brotberuf als Sachbearbeiter und Korrektor in einer Druckerei aus. Seit er sich ganz dem Schreiben widmen kann, publiziert er regelmässig Kolumnen und redaktionelle Beiträge in der «ProgrammZeitung» und in verschiedenen Medien. Zudem schreibt er einen vielgelesenen Blog.

Walter Beutler
Mit dem Rollstuhl ans Ende der Welt
Meine Reise durch Indien
2016. 155 Seiten, 21 Abbildungen in Farbe, 2 Karten. Gebunden.
sFr. 25.– / € (D) 25.–
ISBN 978-3-03784-105-1

Verlag Johannes Petri, Basel


Einsortiert unter:Indien, Tagebuch

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