Der Mord an ✡ 20 Kindern am Bullenhuser Damm in Hamburg II

Jedes der ermordeten Kinder wurde von seiner Eltern, Geschwistern und der ganzen Familie geliebt, jedes hatte eine ganz eigne Geschichte. So auch Georges-André Kohn, geboren am 23. April 1932 in Paris, der hier exemplarisch für alle der 20 Kinder Georges Andre Kohnstehen soll.  Sein Vater war Direktor des größten jüdischen Krankenhauses von Paris und verwandt mit dem Bankier Rothschild. Auch nach dem Einmarsch der Deutschen Truppen in Paris behielt Armand Kohn die Stellung und hatte häufig mit dem Beamten der Gestapo in Paris, Hauptsturmführer Alois Brunner zu tun. Dieser persönliche Umgang mit Brunner veranlasste Armand Kohn zu glauben, dass er und seine Familie geschützt sein, doch am 28. Juli 1944 klingelte Brunner an der Tür des Hauses der Kohns, er bat sie höflichst persönlich Sachen zu packen und die beiden ihn begleitenden SS-Männer Samson und Reiche, brachten die 7köpfige Familie in das Durchgangslager für Juden, nach Drancy. Zwar hatten die Kohns von Deportationen gehört, auch das Wort Auschwitz war schon mal gefallen, doch all das bezogen sie nicht auf sich selbst, auch dann nicht, als sie sich am 17. August 1944 alle auf dem Bahnhof versammeln mussten. Kohns Credo war es, dass die Familie zusammenbleiben muss, denn nur so seien sie geschützt, doch die beiden ältesten Kinder Philippe und Rose-Marie gehorchten nicht, sondern entflohen aus einem Fenster des Viehwagens, als dieser auf freier Strecke hielt. Beide entkamen und überlebten. Der Vater Armand kam am 25. August in Buchenwald an; die Ehefrau und die Tochter Antoinette kamen nach Bergen-Belsen und Georges-André Kohn und seine 80jährige Großmutter kamen nach Auschwitz. An der Rampe von Auschwitz wurden er und seine Großmutter auf die Seite der nicht zu vergasenden Menschen ‚aussortiert’; die Großmutter kam in eine der ‚Mengele-Baracken’, Georges-André kam zu den anderen 19 Kindern in die sogenannte ‚Heißmeier-Baracke’. Jedes dieser Kinder litt unter dem Verlust der Angehörigen, jedes dieser Kinder fühlte sich allein gelassen und keins dieser Kinder kannte auch nur im entfernteren den Grund dafür, warum all das mit ihnen geschah. Hilflos und ausgeliefert waren sie, bis zu ihrem Ende im Keller der Schule am Bullenhuser Damm in Hamburg.

Doch nur die Haupttäter des Konzentrationslagers Neuengamme wurden damals verhaftet 1945 und von einem britischen Militärgericht zum Tode verurteilt, doch Kurt Heißmeier, sein ‚medizinische’ Komplize Hans Klein und der Leiter der ‚Aktion’ des Buchtitel Schwarberg SS-Arzt + KinderKindermordes, Arnold Strippel entkamen der Strafverfolgung und konnten sich entsprechend ihres Berufes neu etablieren. Hans Klein wurde später als Professor an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg berufen und starb 1984, völlig unbehelligt. Kurt Heißmeier wurde Ende der 50ger Jahre in Magdeburg verhaftet, zuvor hatte er sich als Lungenfacharzt dort selbst niedergelassen. Doch er kam wieder raus, da die Behörden von DDR und der Bundesrepublik nicht zusammenarbeiteten, doch ein Staatsanwalt in Magdeburg ließ nicht locker. So wurde Heißmeyer 1966 in der ehemaligen DDR, übrigens wenig einsichtig, zu lebenslanger Haft verurteilt; ein Jahr später starb er in der Haftanstalt. Ganz anders erging es Arnold Strippel, der die Mordaktion leitete. Das erste Verfahren vom Juni 1967 wurde eingestellt, die Erklärung dazu ist vom Staatsanwalt Dr. Münzberg unterzeichnet: Ja, es war Mord, räumt Münzberg ein, die Tat war ‚heimtückisch’ und erfolgte ‚aus niedrigen Beweggründen’. Aber ‚grausam’ war sie nicht. Denn: „Die Ermittlungen haben nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben, dass sich die Kinder über Gebühr lange quälen mussten, bevor sie starben. Im Gegenteil sprich manches dafür, dass sämtliche Kinder gleich nach Empfang der ersten Spritze das Bewusstsein verloren und aus diesem Grunde alles weitere, was mit ihnen geschah, nicht wahrgenommen haben. Ihnen ist also über die Vernichtung ihres Lebens hinaus kein weiteres Übel zugefügt worden, sie hatten insbesondere nicht besonders lange seelisch oder körperlich zu leiden.“

Doch immer wieder kam es seitens der Presse, der Angehörigen und interessierten Bürgern zu Protesten, so dass es immer wieder zu Ermittlungsverfahren gegen Arnold Strippel kam. Doch mehrfach stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein. 1983 Buchtitel Kinder vom Bullenhuser Dammwies die Justizsenatorin die Staatsanwaltschaft an, Anklage gegen Arnold Strippel zu erheben. Das Verfahren wurde 1987 wegen Verhandlungsunfähigkeit des Beschuldigten eingestellt.

Dass es heute eine Gedenkstätte für die so sinnlos ermordeten Kinder gibt, war auch kein leichter Weg, denn einige Kräfte im damaligen Hamburger Senat und in der Justiz wollten das verhindern. So wurde ab 1948 wieder ein normaler Schulbetrieb in der Schule am Bullenhuser Damm aufgenommen. Nachweisbar seit 1950 legten Mitglieder der ‚Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes’ zum Gedenken Blumen im Kellerraum ab. 1963 wurde im Treppenhaus eine Gedenktafel angebracht, auf der jedoch die sowjetischen Opfer nicht erwähnt wurden. Am 20. April 1979 versammelten sich 2000 Menschen vor der Schule; Überlebende der Familien gründeten die ‚Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm’, im Kellerraum wurden Schautafeln angebracht. 1980 wurde die Schule vom Senat zur Gedenkstätte erklärt und nach Janusz Korczak benannt. Kurz darauf ließen Neonazis der ‚Deutschen Aktionsgruppen’ eine Rohrbombe vor dem Eingang explodieren. 1985 wurde der schon 1982 geplante Rosengarten eingeweiht. In Sichtweite zum Gebäude wurden von Besuchern Rosen gepflanzt; Tafeln erinnern an einzelne Kinder und auch den sowjetischen Opfern ist hier ein Denkmal gesetzt. 1986 tagte im Gebäude ein so genanntes ‚Internationales Tribunal’, um die Verzögerung des Prozesses gegen den Mittäter Strippel anzuprangern. Bis 1996 versuchte ein Staatsanwalt, die Beschriftung einer Ausstellungstafel entfernen zu lassen, die Versäumnisse bei der Aufarbeitung darstellt und aus einer Einstellungsverfügung Ruchla Zylberbergzitiert. 1987 wurde aufgrund gesunkener Schülerzahlen im Einzugsgebiet der Janusz-Korczak-Schule der Schulbetrieb eingestellt.

Erst im Jahr 1999 wurde das Gebäude zur Außenstelle der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erklärt, im Jahr 2011 umgebaut und als Gedenkstätte den Besuchern zugänglich gemacht. Im ersten Raum wird über das Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme, die ‚medizinischen Experimente’ an den Kindern, die Täter, sowie die ermordeten 20 Kinder und 4 Betreuer berichtet. Im zweiten Raum werden historische Dokumente, Erinnerungen von Zeitzeugen und die Strafverfolgung dokumentiert. Dann folgen die Kellerräume, wo die Kinder ermordet wurden. Mindestens 24 unbekannte sowjetische Häftlinge wurden ebenfalls hier ermordet.

Ein solches Verbrechen darf nicht in Vergessenheit geraten …

Teil I des Artikels über die Kinder ist hier nachzulesen: Der Mord an ✡ 20 Kindern am Bullenhuser Damm in Hamburg

Weiterlesen:

➼ Die Kinder der Shoah ✡ Mit ihren Augen gesehen …

➼ Die Kinder von Białystok

➼ Die Säuglinge von Indersdorf • Geboren um zu sterben

darüber hinaus:

➼ “Perfide Medizin” in Auschwitz

➼ Medizinische Versuche im Konzentrationslager Dachau

➼ Die ‚Nürnberger Gesetze’ • Wegbereiter zum Holocaust


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