Blutiges Steak

Vincent servierte seinem Blinddate ein blutiges Steak. “Ich hoffe, es schmeckt dir”, sagte er. “Das Rezept habe ich aus dem Internet.” Die geheime Zutat behielt er für sich.

Lara nickte. Sie lächelte wie ein Lamm beim ersten Gehversuch. Eine Frau wie sie traf man an einem Regentag in eine Bushaltestelle gepfercht, mit Pendlern, die auf die Uhr schielten, und verliebte sich in die Art, wie sie ihre Bücher an den Körper presste. Man wollte ihr vor dem Spiegel die Haare öffnen und mit der eigenen Schönheit konfrontieren, doch fürchtete, ihre Porzellanhaut könnte Risse bekommen.

Nun saß sie in seiner Wohnung mit ihm am Tisch, in einem burgunderfarbenem Kleid, ganz Frau, und Vincent konnte nicht anders, als sich die Lippen zu lecken.

Er drehte das Weinglas am Stiel, beschäftigte seine Hände, um sich von der Aufregung abzulenken. Hinter der Fassade seines kantigen Gesichts und der goldumrandeten Brille bewegten sich seine Gedanken wie ein Tiger im Käfig.

Er hatte Großes mit seinem Gast vor.

In Gedanken ging er bereits die Zutaten durch.

Im Hintergrund sang Nina Simone den Refrain zu “Feeling Good” und sein Gast tupfte sich das Blut von den Lippen. Sie verschluckte sich an einem Bissen Fleisch und griff nach dem Weinglas. Ganz und gar Gentleman goss Vincent ihr sofort einen Schluck nach.

“Pinot Rosso aus der Toskana”, erklärte er im Professorenton. “Jahrgang 1963. Der Winzer ist ein Freund von mir. Ich habe ihn auf meiner Europareise kennengelernt. Er schenkte mir diese Flasche für einen besonderen Abend und sagte mir, ich solle mich hüten, sie mit etwas anderem als einer vollendeten Schönheit zu teilen.”

Seinem Gast stieg die Schamesröte ins Gesicht. Lara unterdrückte ein Kichern und wandte den Blick ab.

“Du musst mich nicht beschwippst machen“, sagte sie. “Du hinterlässt auch so einen guten Eindruck.”

“Wein ist gut für die Gesundheit. Und ich möchte, dass du noch lange lebst.“

Sie stießen an und das Klirren der Gläser übertönte Vincents Schmunzeln über diese kleine Lüge.

“Erlaubst du mir eine Indiskretion?” traute sich die junge Frau nach einer Weile zu fragen. “Du musst auch nicht antworten!”
“Ich erlaube es nicht nur – ich bestehe sogar darauf.”

Das machte ihr Mut. Sie rückte das Kleid zurecht und setzte sich gerade hin.

“Hast du schon… viel Erfahrung? Ich meine, mit der Art, wie wir uns kennengelernt haben?“

Vincent seufzte. “Sie ist schon etwas ungewöhnlich, nicht? Die meisten Gutbürger würden uns für verrückt erklären, dass wir diesen Weg beschreiten.”

“Ach, du machst dir keine Vorstellung, was ich mir von meinen Freundinnen anhören musste“, kicherte Lara, als sei ihr gerade ein Stein vom Herzen gefallen. „Als müsse man mich in eine Zwangsjacke stecken, weil ich so etwas versuche.” Ihr Lächeln stahl sich zurück. “Also?”

“Erfahrung kann man es nicht nennen”, gestand Vincent. “Eher Ernüchterung. Moderne Zeiten, einsame Seelen – man findet so viel Elend in den Weiten des Internets.”

“Heißt das, du fühlst dich unwohl?”

“Im Gegenteil.”

„Aber stört es dich denn nicht?”

Vincent beugte sich vor über den Tisch. Er gönnte sich eine Kunstpause, bevor er sprach. “Wenn ich in deine Augen blicke, Chérie, sehe ich die Sterne funkeln“, flüsterte er zwischen den Kerzenständern. „Es spielt keine Rolle, wo ich dich gefunden habe. Du bist hier – das ist alles was zählt.”

Es gelang Lara nicht, das Rot in ihren Wangen zu verstecken. Das Skript spielte sich ab wie geplant und Vincent sank zufrieden zurück in seinen Stuhl.

Etwas Thymian, dachte er.

“Du bist ein Charmeur.” Lara strahlte vor Glück.

“Oh, ich bin vielmehr als das”, erwiderte Vincent und hob sein Glas.

Sie tranken.

In Gedanken zählte er die Minuten, bis das Rohypnol seine Wirkung tun würde.

 

In seiner Jugend, während andere Kinder Comics lasen, hatte Vincent die Bücher von Oscar Wilde verschlungen wie ein Verdurstender. ‘Das Bildnis des Dorian Gray’ hatte es ihm besonders angetan. Noch heute lag es auf seinem Nachttisch. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie oft er es gelesen hatte.

Echte Hedonisten – das hatte er gelernt – durften sich nicht scheuen, Grenzen zu überschreiten. Die Früchte vom Baum der Erkenntnis wurden nicht von Feiglingen gepflückt. Genuss gehörte zum Privileg des Mutigen. Wenn auf dem Weg zur Spitze Äste brachen, versicherte einem das Knacken nur, dass man sich auf dem richtigen Pfad befand.

Dinge gingen kaputt.

Lara würde das sicher verstehen.

Wie der Held seiner Kindheit hatte Vincent sich dem Genuss verschrieben. Ob Autos, Frauen, Kunst – ein Bankkonto voller Nullen öffnete ihm jede Tür. Mit Feuereifer warf er sich in die Schatten dahinter.

Mit Anfang Zwanzig hatte er in einer feierlichen Zeremonie den Fesseln des Anstands entsagt und war tags darauf zu einer Großwildsafari nach Afrika aufgebrochen. Wenige Monate später konnte man ihn an der Spitze eines Walfängers vor der Küste Japans entdecken. Seitdem hatte er der Liste begangener Abscheulichkeiten jedes Jahr einen Eintrag hinzugefügt. Im roten Buch der gefährdeten Tierarten gab es kein Tier, dessen Fleisch er nicht gebraten, gedünstet oder roh gegessen hatte.

Trotzdem wollte sich nie das Gefühl echter Befriedigung einstellen.

Die Idee für den letzten Schritt, hatte er zu Hause vor dem Bildschirm bekommen.

Noch heute wunderte er sich, auf was für Ideen einen das Internet brachte.

 

“Entschuldige mich”, sagte Vincent und stellte das Weinglas neben seinem Teller ab. “Ich muss nach dem Dessert sehen.”

Lara lächelte ihn an und nutzte die Unterbrechung, um im Bad ihr Make-Up aufzufrischen. Vincent verschwand in der Küche.

Schokolade köchelte auf dem Herd vor sich hin. Das Mousse war nur als Tarnung gedacht, ein Alibi, falls sein Gast zu neugierig wurde. Der Duft von Zartbitter und Muskat passte ohnehin nicht zur Einrichtung der Küche.

Die Arbeitsplatte in der Mitte des Raums bot genug Platz, für ein ganzes Batallion von Köchen. Mehrere Male schon hatte man das Holz mit Reinigungsalkohol bearbeitet und die Flecken versucht aus der Maserung zu schrubben. Feine Nasen erahnten noch den entfernten Geruch von Desinfektionsmittel und unwillkürlich stellte man sich die Köche nicht mehr mit Mütze und Kochlöffel vor, sondern mit Mundschutz und Skalpell.

Zufällig war genau das die Arbeitskleidung, die auch Vincent bevorzugte.

In der Ecke der Küche brummte ein Kühlschrank, groß wie ein Eisblock aus der Antarktis. Kein Mensch benötigte so viel Platz für seine Lebensmittel. Für Vincent reichte er gerade aus.

Er baute sich davor auf und legte seine Hand auf den Türgriff. Er spürte, wie die Kälte seine Fingerspitzen fröstelte. Er betätigte den Hebel, die Tür öffnete sich mit einem saugenden Geräusch und kalter Nebel waberte ihm entgegen.

“Hallo, meine Schönen”, flüsterte er. “Wie geht es euch heute Abend?”

Das gefrorene Lächeln seiner bisherigen Blinddates begrüßte ihn.

Die Köpfe hatte er zur Erinnerung konserviert. Wenn er sich einsam fühlte, leisteten sie ihm Gesellschaft vor dem Kamin. Manchmal nahm er sie auf den Schoß und streichelte ihre Haare, während er ein Glas Wein genoss. Dank des wasserfesten Make-Ups glitzerten ihre Lippen dann im Schein des Feuers.

Vincent war ein akribischer Mensch. Alles, was er in der Gefriertruhe lagerte, musste ein entsprechendes Etikett tragen. Statt Schmuck, baumelten mit Eiskristallen überzogene Schilder von den Ohrläppchen der Köpfe. Elena, Margot, Alexa, standen darauf.

Aus der Schublade nahm Vincent einen Stift und ein leeres Etikett.

“Habt ihr noch Platz für eine neue Freundin?” fragte er und schrieb Laras Namen auf den Zettel.

 

“Ich sehe, du hast schon nachgeschenkt?”
Sein Gast erwartete Vincent mit zwei Weingläsern in den Händen. Lara war vom Bad zurückgekehrt, hatte ihr Kleid zurecht gerückt und die Haare geöffnet.

“Ich möchte anstoßen”, verkündete sie und reichte ihm das Glas. “Auf uns.”
“Hört, hört!”

“Ich gebe zu, ich hatte meine Zweifel, ob ich kommen sollte. Aber ich bin meiner Nase gefolgt und freue mich, dass ich hier bin.”
“Wie das Steak schmeckt, weiß man erst, wenn man es probiert hat”, erwiderte Vincent und trank.

Schade, dachte er. Ich kann sie gut leiden. Eine Frau nach meinem Geschmack.

Trotz seiner Dates fühlte er sich manchmal einsam in seiner Küche. Dann ließ er geistesabwesend seinen Daumen über das Küchenmesser gleiten und wünschte sich jemanden, mit dem er seine Leidenschaft teilen konnte.

Nach dem Dinner tendierten seine Dates dazu, für immer zu schweigen.

Lara lächelte, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Jetzt, wo sie vor ihm stand, bemerkte er zum ersten Mal, dass sie ihn fast um einen Kopf überragte.

Sie schmunzelte und ihr Mund kräuselte sich.

“Spürst du schon etwas?” fragte sie.
“Für Schmetterlinge im Bauch ist noch etwas früh.”
“Das meinte ich nicht.”
“Was denn?”
“Ist dir am Wein nichts aufgefallen?”
Vincent glitt mit der Zunge über die Zähne, kostete den Wein, aber konnte nichts feststellen. Er verstand nicht, worauf sie hinaus wollte, als ihm plötzlich schwindelig wurde. Er machte einen Schritt rückwärts zu seinem Stuhl, wollte etwas sagen – doch sein Mund gehorchte nicht.
“Gnhmh…?”
Weiter kam er nicht.
Ihm wurde schwarz vor Augen.

 

Schon als Kind hatte Lara Kellermann eine feine Nase besessen. Ihre Eltern hatten gescherzt, das wegen ihres Geruchssinns der alte Retriever, den die Familie adoptiert hatte, sie neidisch beäugte. Das hatte sie sich zu Herzen genommen. Konkurrenz konnte sie nicht ausstehen. Der Gestank von seinem Fell, wenn er nach einem Regenschauer ins Haus getrottet kam, verklebte ihr die Schleimhäute.

Ihre Eltern wunderten sich, wie gelassen sie die Nachricht von seinem Tod aufnahm.

Später, als sie nach dem Ende der Schule ihr Studium begann, bereitete ihre feine Nase Lara zunehmend Schwierigkeiten. Das Studentenwohnheim konfronierte sie mit einer Flut von Gerüchen, die ihr die Kehle zuschnürten. Die Nähe der männlichen Kommilitonen machte ihr zu schaffen, besonders die Hippies mit ihren ungewaschenen Haaren. Das Nachtleben der Studenten entwickelte sich für sie zur Tortur. Auf einmal interessierten sich die Jungs und Männer für sie, suchten ihre Nähe. Sie bekam Cocktails spendiert und wurde auf der Tanzfläche belagert. Für den Notfall hielt sie immer ein parfümiertes Taschentuch bereit, um daran zu riechen. Doch es half nicht.

Die erste Nacht mit einem fremden Mann endete mit einem Toten.

Der Polizei hatte sie von einer Vergewaltigung erzählt und so wie sie in dem roten Kleid ausgesehen hatte, schenkten sie ihr gerne Glauben. In dieser Nacht hatte sie mit Bleichmittel geduscht, um den Schweißgestank loszuwerden.

Als sie unter der Dusche hervorkam, bemerkte sie, dass sie das erste Mal seit Jahren frei atmen konnte.

Der erste Schritt war getan. Den Rest ihrer Idee, formte sie in einer langen Nacht in den dunklen Ecken des Internets.

 

“Wie bekommt dir mein Cocktail?”

Lara verschränkte die Arme und wartete geduldig, dass ihr Gast das Bewusstsein zurückerlangte. Die Lampe strahlte wie bei einem Verhör in sein Gesicht. Vincent zuckte mit dem Kopf, öffnete die Augen und blinzelte in das Licht. Schweiß perlte von seiner Stirn.

“So gut, wie du denkst, schmeckt dein Wein nicht. Dein Winzerfreund aus der Toskana ist ein Panscher, wenn du mich fragst. Als du in der Küche warst, habe ich das Glas weggekippt, bevor ich auch nur einen Schluck zuviel davon trinken musste. Falls du dich wunderst  – ich verlasse die Wohnung nie ohne ein Fläschchen hiervon. Vielleicht hast du den Namen schon mal gehört?”

Sie zeigte ihm das Fläschchen aus ihrer Handtasche. Vincents Protest verkam zu einem Murmeln, dank des Klebebands auf seinem Mund.

“Rohypnol”, erklärte Lara, “es ist geruchs- und geschmacklos. Fast wie du.” Sie schmunzelte über ihren eigenen Witz. “Ein Apotheker aus dem Netz hat es gegen meine getragenen Slips getauscht. Kaum zu glauben, was für Perverslinge man im Internet so finden kann. Geht es dir gut?”

Ihr Gastgeber rüttelte an seinen Fesseln, versuchte, seine Arme von den Stuhllehnen zu befreien. Lara hatte mit der Zeit gelernt, wie man Männer zum Stillsitzen zwang. Aus welchem Grund sie die oberen Knöpfe seines Hemdes geöffnet hatte, wusste sie nicht mehr, aber ihr gefiel der Anblick. Er erinnerte sie an einen gealterten Geparden in Gefangenschaft, gefährlich und verletzlich.

“Von all meinen Eroberungen, bist du die wohlriechendste, das muss man dir lassen. Du benutzt viel Seife, stimmt’s? Ich habe eine gute Nase für so etwas. Normalerweise kann ich deinesgleichen kaum ertragen. Nicht ohne Atemmaske, jedenfalls. Es stimmt, was man über Männer und Schweine sagt. Viele Unterschiede gibt es nicht. Aber egal. Eigentlich bist du ganz schnuckelig. Helfen wird dir das leider nicht. Kennst du dich mit mittelalterlicher Medizin aus?”
Phase 2 ihres Rituals gefiel Lara am besten. Die Verwirrung ihrer Opfer, und die Panik in ihrem Blick rangen ihr nach all der Zeit nur noch ein müdes Lächeln ab. Sie gehörten dazu, wie der Schmuck und das Lametta am Christbaum. Aber ab einem gewissen Alter stürzte sich jedes Kind sofort auf die Geschenke.

Sie nahm sich Zeit, um das Skalpell aus ihrer Handtasche zu ziehen. Das Licht tanzte auf der Klinge wie ein Sonnenstrahl über einer Bergspitze.

Es hatte schon Patienten gegeben, die bis zum Schluss dachten, Stuhl, Klebeband und Messer wären bloß das Vorspiel zum Akt. Schmerz steigerte schließlich die Lust, Angst wirkte auf die Libido wie Kokain. Laras Highlight war es stets, die sich weitenden Pupillen zu beobachten, wenn ihre Opfer mit der schneidenden Realität konfrontiert wurden.

Nach einigen trockenen Monaten würde sie mit Vincent ein Comeback feiern.

Zeit für eine Frischluftkur.

Den ganzen Abend lang hatte sie über seine Witze gelacht, das Mauerblümchen gespielt, gelächelt und insgeheim sich wie ein Kind nach der Bescherung gesehnt. Die Arroganz quoll ihm aus den Ohren, wie bald der Schweiß aus seinen Achseln.

Ob er sie sich wohl rasierte?

Lara schüttelte die Vorstellung von Vincents nacktem Körper ab und konzentrierte sich wieder auf das Fest zu ihren Füßen. Zugegeben, er war ein ausgezeichneter Koch – doch kein Steak duftete so gut wie der Angstschweiß aus seinen Poren.

“Was machst du da? Lass das!”
Vincent lachte.

Durch den Knebel klang er wie ein schnaubender Eber, aber man konnte nicht überhören, dass er sich köstlich amüsierte. Sein Körper bebte und der Stuhl wackelte mit ihm, als er sich plötzlich vor Kichern schüttelte.

“Hör auf!” fauchte Lara ihn an. “Lass das! Begreifst du den Ernst der Lage nicht? Ich habe ein Messer, und werde dir damit nicht die Haare schneiden!”
Vincent hörte ihr nicht zu. Je lauter sie wurde, desto lustiger schien er die Situation zu finden. Die Frau im burgunderfarbenen Kleid knurrte ihn an und plötzlich klatschte ihre Hand in sein Gesicht und ließ blutende Kratzspuren zurück.

“Spuck aus, was findest du so komisch?” Sie riss ihm das Klebeband von den Lippen und einen Teil seines Bartes gleich mit.

Vincent holte tief Luft. Er hatte Tränen in den Augen.

“Es ist nichts”, versicherte er, immer noch lachend. “Wirklich nicht. Mach ruhig weiter.”
“Von Galgenhumor stand aber nichts in deinem Profil. Rede!”
“Ich weiß nicht, was du von mir willst.” Der Gefesellte biss sich auf die Lippe. “Ich bin nur glücklich. Lass dich von mir nicht aufhalten.”
“Glücklich? Zum Teufel, warum?”
“Ich hätte es einfach nicht für möglich gehalten”, erwiderte Vincent.

Was für möglich gehalten?”
“Na, dass ich mal über das Internet die Frau meiner Träume treffen würde…”
Einen langen Moment überlegte Lara, ob sie ihm einfach das Messer in den Hals rammen und verschwinden sollte. Der Mann, den sie im Internet gefunden und sich als nächste Leiche für ihr Kerbholz ausgeguckt hatte, war eindeutig verrückt. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne-

“Ich habe eine Überraschung für dich”, unterbrach Vincent ihren Gedanken. “Geh in die Küche. Zum Kühlschrank. Mach das Gefrierfach auf. Du wirst verstehen, was ich meine.”
“Treib keine Spielchen mit mir…”
“Ich meine es völlig ernst.”
Lara ging, aber hielt das Skalpell griffbereit.

Vincent versuchte gar nicht, sich zu befreien. Unruhig wippte er mit den Zehen und grinste vor sich hin. Er wartete auf den Moment.

Schmetterlinge flatterten durch seinen Bauch, als er das Gelächter aus der Küche hörte.

 

Das Steak blutete noch. Das hielt den Cowboy und seine Frau nicht ab, nach einem Nachschlag zu fragen.

“It’s fantastic! What kind of meat is that?”
“Das ist ein spezielles Rezept von meinem Freund”, antwortete die Gastgeberin und schwenkte ihr Weinglas. “Das Geheimnis ist das Fett. Es saugt den Geschmack auf.”
“It is great!” sagte die Frau. “Du musst mir das Rezept verraten.”
Jack und Miriams größtes Talent bestand darin, gleichzeitig kauen und sprechen zu können. Ihre Mahlzeiten nahmen sie meist an Raststätten zu sich, wo ihr Schmatzen die Trucker nicht störte. ‘Gourmetküche’ war für sie eines dieser Wörter, die nachzuschlagen zu viel Kalorien verbrannte. Ihnen schmeckte alles, was grunzte und einen Namen hatte – so viel hatten sie mit ihrer Bekanntschaft aus dem Internet gemeinsam.

Die Stretchhosen, verkündeten sie stolz, hatten sie während ihrer Europatour erst einmal gewechselt.

“Oh, sorry about that.” Jack senkte seinen Hintern wieder auf den Stuhl, bevor der Geruch sich verbreitete. Seine Frau gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf, um ihn daran zu erinnern, wie sehr die Europäer wert auf Tischmanieren legten. Aber die Gastgeberin winkte nur ab.

“Also, wie lange seid zwei ihr unterwegs?”
“Two months”, erklärte Miriam. “Wir wollen in die Toskana, auf die Berge. Jack is such a crazy guy. Er hat einfach das Wohnmobil geschnappt und ist mit mir auf den Highway. Wir haben nicht mal meinen Eltern goodbye gesagt.”
“Wie praktisch…”

“We are so lucky to have met you”, mampfte Miriam. “Das Internet ist such a great place, um neue Leute finden.”

“So habe ich auch meinen Freund kennengelernt.”

“Really?” Jack schielte skeptisch von seinem Steak auf. “That’s weird.”
“Es war reiner Zufall.” Die Frau im burgunderfarbenen Kleid lachte. “Wir haben eine gemeinsame Leidenschaft, deshalb passen wir so gut zusammen. Manchmal glaube ich, das Internet wurde dazu erfunden, selbst für den krummsten Topf einen Deckel zu finden. Aber genug von mir.” Sie beugte sich vor und öffnete die Flasche, die auf dem Tisch stand. “Wollt ihr noch einen Schluck Wein?”

“That’d be fantastic”, waren sich beide Gäste einig und reichten ihr eifrig die Gläser.


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