Barcelonas Sandro Rosell: Ein Heuchler pfeift im dunklen Wald

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Sein Vorgänger Laporta wollte unbedingt in die Politik. Sandro Rosell äussert diese Absicht nicht. Sollte er aber unbedingt einplanen. Seine Mischung aus Opportunismus, Heuchelei, fehlender persönlicher Integrität und gewollt widersprüchlicher PR würde ihm eine grossartige politische Karriere garantieren. Den Sprung ins Parlament kann man ihm deswegen nur empfehlen – und zwar bevor Katalonien eventuell unabhängig wird und sein FC Barcelona dann natürlich nicht mehr in der spanischen Liga spielt.

Egal was Sandro Rosell öffentlich äussert: Man muss inzwischen ausnahmslos davon ausgehen, dass das genaue Gegenteil zutrifft. Ursprünglich hatte der Barça-Präsident versichert, er werde den Verein nicht zur Politisierung nutzen und sich auf Fussball beschränken. Das war natürlich dazu gedacht, sich vom Vorgänger Laporta abzugrenzen, der seinen Posten unverhohlen dazu benutzt hatte, eine politische Karriere zu starten. Von dieser Ansage ist heute nichts mehr übrig. Rosell hängt den katalanischen Nationalisten inzwischen ebenso deutlich raus und biedert sich denen an, die Unabhängigkeit fordern.

Nicht nur nahm er demonstrativ an der Grossdemonstration in Barcelona teil, auch seine Vorträge innerhalb des Vereins sind rein politisch, hier die jüngste Version davon: “Ich bin stolz auf die katalanistische Vergangenheit des Clubs und mit Sicherheit auch auf die Zukunft. Diese Institution wird ihrer Geschichte und ihrer Überzeugung immer treu sein, ihre Wurzeln ebenso verteidigen wie das Recht der Völker, ihre eigene Zukunft bestimmen zu können.” – Der angeblich unpolitische Vereinsvorsitzende lässt inzwischen keine Gelegenheit mehr aus, sich politisch zu äussern und die Lokomotive der Unabhängigkeit noch ein bisschen anzuschieben.

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Wie viel Substanz hinter Rosells ultimativer Verteidigung katalanischer Interessen wirklich steckt, hatten wir schon im Artikel vom 27. Juli deutlich besprochen, als der katalanische Supercup abgesagt wurde, weil Rosell nicht bereit war, mehr als die Ersatzmannschaft antreten zu lassen, um die angeblich so wichtigen Interessen seiner Region in den Vordergrund zu stellen. Heuchelei pur, die den opportunistischen Verbal-Nationalismus des Präsidenten ganz öffentlich ad absurdum führte. Statt dessen versichert er jetzt, die kommende Begegnung gegen Real Madrid am 7. Oktober werde “ein Dampfkessel” sein angesichts der Unabhängigkeits-Diskussion und verknüpft zum unendlichsten Mal ein Fussballspiel ohne Not mit Politik.

Rosell wird schlecht schlafen derzeit und inständig hoffen, dass er nicht mehr Barça-Präsident ist, falls Katalonien wirklich unabhängig werden sollte. Zwar hatte der Vereinsleiter gerade noch öffentlich erklärt, der FC Barcelona werde auch in diesem Fall weiterhin in der spanischen Liga spielen, doch innerlich weiss er natürlich, dass das nicht stimmt und Barça gegen Tarragona oder Lerida um den Titel Kataloniens antreten müsste. Auch sein Abwiegelungsversuch “Schliesslich spielt Monaco auch in Frankreich” löste in Spanien nur abwinkendes Gähnen aus über den so schiefen Vergleich.

So wie sich in einer Internet-Umfrage soeben zwei Drittel dafür aussprachen, dass Guardiola (“Falls ihr noch eine Stimme für die Unabhängigkeit braucht, hier ist meine!”) niemals spanischer Nationaltrainer werden darf, würde es eine noch viel deutlichere Mehrheit dafür geben, dass der FC Barcelona nicht mehr in der spanischen Liga antritt, falls das Thema Unabhängigkeit wirklich zur Debatte steht. Sandro Rosell weiss das auch genau, gerade deshalb beeilte er sich, laut und ungefragt das Gegenteil in die Welt zu posaunen: Ängstliches Pfeifen im dunklen Wald. Selbst die vielen spanischen Fussball-Fans, die es ausdrücklich bedauern würden, wenn sie auf die Clásicos und die traditionelle Rivalität zwischen Real Madrid und Barcelona verzichten müssten, würden Barça mit einem weinenden Auge, aber sehr selbstbewusst in die katalanische Provinzliga verbannen.

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Sollte sich die Nordost-Region, die übrigens, im Gegensatz zu vielen Netz-Legenden, noch nie unabhängig von Spanien war, wirklich abspalten, wären Wut und Enttäuschung in Spanien so gross, dass sich die gemeinsame Liga für den FC Barcelona definitiv erledigt hätte. Das wäre ein bisschen schade für den spanischen Wettbewerb, aber ein unvergleich viel grösseres Problem für Barça: Durch die schwindende Bedeutung in der Provinzliga würden auch die Einahmen mehr und mehr wegbrechen und der Verein mehr und mehr an Gewicht und Substanz verlieren, auch international natürlich.

Sandro Rosell scheint das nicht zu stören. Er führt sein falsches politisches Spiel weiter und bedient damit zwar “opportunistisch richtig” die Interessen der Unabhängigkeitsprediger, schadet aber in der Summe deutlich seinem Verein. Der Barça-Präsident und Artur Mas, der Regierungschef Kataloniens, sitzen im selben Boot, rudern wie wild geradeaus in Richtung Independencia – und wissen schon jetzt nicht mehr, wie sie aus diesem gefährlichen Wettbewerb wieder aussteigen können, der sie Kopf und Kragen kosten kann. Während Artur Mas wenigstens noch für sich in Anspruch nehmen kann, politische Ziele zu verfolgen, auf diesem Weg Madrid zu verbesserter Finanzierung bewegen zu können … redet sich Rosell täglich mehr in den Sumpf, ohne dabei irgendetwas gewinnen zu können.

Im Gegenteil, er kann nur verlieren, meint auch Carlos Moyá, der spanische Tennisspieler: “Ich bin seit Geburt Barça-Fan, aber diese Politisierung des Vereins ist unerträglich. Sie sollen sich auf Sport konzentrieren und nichts weiter!” – Die Chance, dass Sandro Rosell erkennt, auf welch dünnem Eis er sich bewegt, ist jedoch klein. Der Barça-Präsident fühlt sich zu wohl in seiner Rolle zwischen Fussball und katalanischem Unabhängigkeits-Robin-Hood. Der FC Barcelona mit dem Slogan “Més que un clúb” (mehr als ein Club) könnte in Zukunft viel weniger Club sein, wenn sie nicht aufpassen: Diejenigen, denen der Sport-Verein wirklich am Herzen liegt, sollten Rosell schleunigst ausbremsen, bevor ihr Top-Spiel der Woche “Barça gegen Tarragona” lautet und vor 7.600 Zuschauern stattfindet.

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