Zweierlei Maß

Ich habe die Reden unserer Bundespräsidenten und unserer Bundeskanzlerin nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt und nach dem Amoklauf in Hanau verglichen. Und es gibt da bedeutende Unterschiede, aus denen wir das Verständnis unserer Staatsrepräsentanten vom Staatsvolk ablesen können.
Joachim Gauck wartete einen Tag, bis er vor die Presse trat. Sein Auftritt spiegelte ehrliche Anteilnahme und Betroffenheit wieder. Er sprach mit gedämpfter Stimme, wie ein Pfarrer bei einer Trauerrede. Anteilnahme, Solidarität. Und dann der Schwenk zur Politik. Wenn unser Land und seine Bürger von islamistischen Terroristen getroffen werden, dann ist seine erste politische Regung, unsere Reaktion auf den Terror lenken zu wollen. Wir sollen uns nicht anstecken und nicht spalten lassen. Gauck nennt Recht und Menschlichkeit als Fundamente unseres Staates. Dann spricht er die Verantwortung des Staates an, in dem Sinne dass es dessen Aufgabe (und Monopol sei, auf die Gewalt zu reagieren). Gauck fordert etwa keine harte und laute Kampagne gegen Islamismus und erhebt auch nicht die Stimme. So wie man eben redet, wenn man wirklich von etwas tief betroffen ist.
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Ganz anders dagegen der Auftritt von Steinmeier in Hanau. Dort spricht er am Tag des Amoklaufs nach dem Bürgermeister und dem Ministerpräsidenten. Sofort erhebt er die Stimme wie ein Anführer auf einer Demo in ein Megafon brüllt. Er vergewissert zunächst sich selbst ("ich stehe hier als Bundespräsident") und untermauert die Bedeutung von dem was er gleich sagen wird. Seine Rede ist der Struktur nach so aufgebaut wie Gauck's aber er intoniert sie völlig anders. Politisch, agitierend. Wörtlich bekennt er "Zorn" zu empfinden. Und hier wird deutlich, dass hier ein Mann mit einer Mission steht, und dessen Partei am Sonntag eine Wahl in Hamburg bestehen muss. Man stelle sich vor, Gauck hätte nach dem Anschlag von Anis Amri gesagt, er empfinde Zorn.. Steinmeier zieht eine Linie von Lübcke und Halle nach Hanau. Dabei steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal fest, ob der mutmaßliche Täter es auch war (Quelle: Polizei Südosthessen). Steinmeier beendet seine Rede mit dem gleichen Tonfall wie Björn Höcke vorige Woche in Dresden.
Steinmeier hält wie alle auf der rasch aufgebauten Tribüne auf dem Hanauer Marktplatz Stehenden eine Kerze. An der Gedächtniskirche hielt kein Politiker
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Merkel hingegen äußerte sich zu beiden Ereignissen als Bundeskanzlerin. Den Anschlag in Berlin nennt sie "unbegreiflich". Merkel verspricht, dass die Tat aufgeklärt werde. Merkel geht davon aus, dass es sich um einen islamistischen Terroranschlag handelt, begangen von einem Flüchtling. Merkel kündigt an, zum Breitscheidplatz zu gehen, um ihre Anteilnahme auszudrücken.
"Wie können wir damit leben, dass beim unbeschwerten Bummeln über einen Weihnachtsmarkt ein Mörder so vielen den Tod bringt? Eine einfache Antwort darauf habe auch ich nicht. Wir wollen nicht damit leben, auf all das zu verzichten. Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt. Wir werden die Kraft finden für das Leben, das wir in Deutschland leben wollen."
Kein Wort also gegen Islamisten, keine Entschlossenheit sondern Ratlosigkeit wie den Terroristen zu begegnen sei. Kein "Wir schaffen das." Sondern im Prinzip ein: Damit müsst Ihr selber fertig werden.
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Zu Hanau sprach Merkel energisch von "Gift in der Gesellschaft", also die Tat sofort instrumentalisierend. Sie sagt nicht, Rechtsextremismus werde unsere Art zu leben nicht ändern. Sie sagt den Kampf an. Etwas, was sie gegen Islamisten noch nie getan hat.
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Nach Anis Amri weigerte sich der Bundestag, offiziell um die Opfer zu trauern. Merkel ließ damals sogar die Gedächtniskirche räumen, bevor sie sie betrat. Sie wollte keineswegs "zu den Trauernden gehen" wie sie Stunden zuvor noch behauptet hatte. Sie wollte Kampagne machen. Bei islamistischen Anschlägen und Morden von illegalen Flüchtlingen (Ergebnis ihrer Politik) sagt sie entweder gar nichts oder appelliert an uns, nicht überzureagieren. Bei rechtsextremen Terror appelliert sie an uns, überzureagieren.
Von dieser Doppelmoral handelt auch das Phoenix-Gespräch Augstein und Blom: Jakob Augstein behauptet allen Ernstes, die Öffentlichkeit neige zur Verharmlosung von rechten Anschlägen gegenüber Islamisten. Blome hält ihm die richtigen Worte entgegen. Es handele sich anders als bei Islamisten nicht um zentral koordinierte Taten. Augstein entgegnet, schon wer bei Pegida mitlaufe gehöre zur Struktur des rechten Terrors. Was Blom zurückweist. Was wir alle zurückweisen müssen. Rechts ist nicht Rechtsextrem.
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WELT-Autor Torsten Krauel beklagte sich bereits am 4.12.2015 über "Die unfassbare Ignoranz der Terrorversteher". Linke streuten damals, der islamistische Terror sei eine Folge westlicher Politik. Dieses Appeasement brechen Linke auch heute noch runter, wenn sie linken und islamistische Täter entschuldigen: "Was haben wir getan, dass sie so geworden sind?" Diese Frage habe ich noch nie gehört bei rechtsextremen Terror.
Um dieser Diskussion allmählich zu entgehen ging die Polizei bei Messerangriffen auf der Straße zu dem "Narrativ" vom geistig verwirrten Einzeltäter über. Solche Gewalt landet nicht in Terrorstatistiken. Der Amokläufer aus Hanau ist nun einer der wenigen Fällen, in dem dieser sich selbst als schizophren ausgewiesen hat. Mithin also nicht ernsthaft als politisch Motivierter Täter kategorisiert werden kann. Aber schon geht die Debatte los, auch Verwirrte bewegten sich in einem gesellschaftlichen Kontext und würden von politischen Phantasien zu ihren Taten inspiriert. Merkwürdig, dass solche Art Analytik erst hochkommt, wenn es sich um Täter von der anderen Seite handelt.
Mich nervt eine Doppelmoral aber noch mehr. Vor einer Woche gab es unweit von mir eine "Schießerei" vor einer Konzerthalle. Wie der TS gestern berichtete handelte es sich wohl um einen Revierkampf kurdischer Großfamilien um die Aufträge der Konzerthalle für Kartenabreißer und Türsteher. So eine bedeutende Frage ist natürlich schon mehrere Tote und Verletzte wert - wenn man es aus einer linken Brille betrachtet. Denn das ist natürlich Subkultur, um die sich die Polizei kümmert. Aber doch nicht die Politik.
Diese Doppelmoral der Gutmenschen widert mich an. Ich kann sie in Poltischen Diskursen deshalb auch nicht mehr ernst nehmen und blocke Diskussionen mit ihnen sofort ab. Linke haben da auch intellektuelle Schwächen. Ihnen fehlt die Fähigkeit zur Selbstreflextion, zur Abstraktion, zur Selbstkritik. Wer die Gewalt in gute und böse Gewalt aufteilt steht jenseits unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, ist im Grunde nicht demokratiefähig. Und wer ausschließlich mit gefühlter Moral in Debatten geht, dem fehlt es an Intelligenz für Argumente. "Ist das Hirn zu kurz gekommen, wird sehr gern Moral genommen." (Wiglaf Droste)

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