Thomas Siffling und Alexandra Lehmler sind derzeit aus der regionalen Jazz-Szene nicht mehr wegzudenken. Jetzt haben der Trompeter und Produzent und die Klarinettistin und Saxofonistin, die im letzten Jahr mit dem Jazzpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde, eine besondere und etwas andere Veranstaltung bereichert: Mit ihren Klängen untermalten sie im Jugendstilambiente des Mannheimer Herschelbads die Lichtinstallationen von Benjamin Jantzen und nicht zuletzt die beeindruckende Performance der „Synchronixen“. Unter dem Motto „Nordic Lights and Sounds“ verwob sich alles zu einem träumerisch-sphärischen Ganzen, das einen für eine gute Stunde unter dem Mannheimer Nachthimmel davontragen konnte. Musikalisch unterstützt wurden Thomas Siffling und Alexandra Lehmler von Alex Gunia an Gitarre und Computer. Dazu brachte Benjamin Jantzen passende Lichteffekte in die hohe Frauenschwimmhalle des Herschelbads.
Northern Lights in der Frauenschwimmhalle
Jugendstil und Synchronschwimmen, das passt irgendwie sofort zusammen. Beides, Architektur und Sport – oder vielleicht besser: Körperkunst –, stammt aus einer anderen Epoche, erinnert an die gerne verherrlichten Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Jugendstilbäder gibt es noch in vielen größeren Städten, und es ist wunderbar, wenn viel für ihren Erhalt getan und im besten Falle dafür gesorgt wird, dass sie weiterhin von der Öffentlichkeit genutzt werden können. Das ist in der Praxis aber gar nicht so einfach, denn es handelt sich dabei ja nicht nur um „normale“ Bäderbetriebe mit den entsprechenden Kosten, sondern zusätzlich noch um meist rein baulich große architektonische Schätze, bei denen Sanierung, Restauration oder allein nur der Erhalt hohe Kosten verursacht. Gleichzeitig sind diese Kosten nicht allein durch Eintrittsgelder einzuspielen, die nicht beliebig in die Höhe geschraubt werden können. Von daher scheint der Förderverein für den Erhalt des Herschelbads in eine sinnvolle Richtung zu denken: Was liegt näher, als das spezielle Ambiente des Jugendstilbaus mit seinen unterschiedlichen Räumen für Veranstaltungen zu nutzen?
Das Herschelbad sticht unter den Jugendstilbädern in Deutschland im Vergleich hervor: Zur Zeit seiner Eröffnung im Jahr 1920 war es mit knapp viereinhalb Quadratkilometern Fläche und drei Schwimmhallen eines der größten deutschen Hallenbäder. Der Stifter, Kaufmann und Stadtrat Bernhard Herschel, legte Wert darauf, dass das Volksbad in den Quadraten, also „volksnah“ in der Innenstadt errichtet wurde. Damit wurde das Bad zu einem der Hauptwerke des Jugendstils in der Stadt, litt allerdings sehr unter den Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs. Beim Wiederaufbau wurde in großen Teilen auf eine originalgetreue Rekonstruktion verzichtet, wahrscheinlich auch damals schon aus Kostengründen. Dennoch bleiben bis heute ein Eindruck von der einstigen Pracht und das spezielle Ambiente. Zwar konnten in den letzten Jahren Dach und Fassade saniert werden, dennoch gibt es noch einigen Erneuerungsbedarf.
Fassade des Herschelbads
Für die Umsetzung einer umfassenden Sanierung setzt sich seit mittlerweile rund zehn Jahren der Förderverein ein. Er brachte nun auch das Gesamtkunstwerk von „Nordic Lights and Sounds“ in das Bad. Während sich Klänge und Lichtinstallation beinahe organisch in die Atmosphäre der Frauenschwimmhalle zu nächtlicher Stunde fügten, versetze die Performance der Mannheimer Synchronschwimmerinnen, der „Synchronixen“, gefühlt in eine andere Zeit. Synchronschwimmen ist eine Sportart, die man spontan mit einer anderen Zeit verbindet, eben mit der Zeit, aus der auch das Herschelbad stammt: den Zwanzigerjahren, Jazz, Jugendstil, Extravaganz und Glamour. Historisch und auch heute noch gerne als „Wasserballett“ belächelt, wird diese Sportart oft nicht ganz ernst genommen. Dabei handelt es sich um eine anerkannte olympische Disziplin und – davon konnten sich die Zuschauer auch am Abend im Herschelbad überzeugen – um einen extrem anspruchsvollen Leistungssport und zugleich um ästhetische Körperkunst. „Synchronschwimmen ist, entgegen landläufiger Meinung, ein harter Leistungssport. Denn was so spielerisch aussieht, ist in Wirklichkeit anstrengende Knochenarbeit. Man benötigt neben der Schnelligkeit eines Schwimmers die Grazie einer Ballerina, die Beweglichkeit einer Kunstturnerin, die Kraft eines Bodybuilders und die Ausdauer eines Läufers“, so schreiben es die Synchronixen selbst auf ihrer Webseite. Die Mannheimerinnen nehmen regelmäßig erfolgreich an Europa- und Weltmeisterschaften teil und treten darüber hinaus in diversen Shows auf.
Im Rahmen von „Northern Lights and Sounds“ zeigten die Synchronixen im Zusammenspiel mit den freien Jazz-Improvisationen der Musiker Siffling, Lehmler und Gunia das klassische Synchronschwimmen in Einzel-, Paar- und Gruppenformation. Gerade gegen Ende wurde deutlich, dass die Synchronität dieser Körperkunst sich aber auch auf das Zusammenspiel mit der Musik bezieht. So wird das atemberaubende „Wasserballett“ zum scheinbar freien Spiel und damit zur echten Kunst, die sich nicht nur auf das historisch Gewachsene beruft, sondern sich immer wieder neu entwirft und entwickelt. Und dann passt diese Kunst ebenso wie der aus derselben Epoche stammende und trotzdem noch immer lebendige Jazz zu den postmodernen „Nordlichtern“, die Benjamin Jantzen in der hohen Halle tanzen lässt. In fünf Jahren wird das Herschelbad 100 Jahre alt – es ist zu hoffen, dass in dieser Zeit viele solcher Veranstaltungen in seinen Räumen das Mannheimer Publikum erfreuen.