Ein Format für Manhattan: Horst Hamanns Fotografien im Mannheimer Schloss

Ist die Universität ein öffentlicher Raum? Kann sie ein Ausstellungsraum sein? In Mannheim ist sowieso alles etwas anders, denn hier befindet sich die Universität im Schloss. Während die einen ins Seminar gehen, stellen sich die anderen einen Eingang weiter für die Führung durch die Barockräume an. In den langen Fluren des Mittelbaus warten Studierende auf die Sprechstunde und nehmen kaum Notiz von den Schwarz-Weiß-Fotografien, die direkt neben ihnen an den Wänden zwischen den hohen Fenstern des Schlosses präsentiert werden. Und in der Hasso-Plattner-Bibliothek sitzen die Lernenden unter hochformatigen Porträts von Menschen aus New York.

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Kurt-Schumacher-Brücke, Copyright: Horst Hamann

Die Fotografien, die hier für zwei Jahre („5 Stationen“, noch bis Juni 2016) gezeigt werden, stammen von dem gebürtigen Mannheimer Horst Hamann, der 1989 nach New York auswanderte und dort zu einem der renommiertesten Fotografen der Stadt wurde. Rund die Hälfte seines bisherigen Lebens verbrachte der 1958 Geborene in den USA, in New York und Maine, heute lebt er in Frankfurt am Main. Das verwundert nicht so sehr, denn Hamanns zentrales Motiv war und ist Manhattan mit seinen Häuserschluchten und seiner für das europäische Auge sehr ungewohnt in die Vertikale gebauten Stadtlandschaft. Und wenn es eine Stadt gibt, die dem in Deutschland nahe kommt, dann ist es natürlich – wenn auch in viel kleinerem Ausmaß – die City von Frankfurt.

Die Vertikale als Perspektive ist so etwas wie das Markenzeichen von Horst Hamann, und sie hebt seine New-York-Fotografien aus der Masse heraus. Die Stadt New York an sich ist ja nicht wirklich ein ungewöhnliches Fotomotiv, insbesondere auch in Schwarz-Weiß. Doch Hamann veränderte mit einem so einfachen wie genialen Twist die Perspektive darauf. Nachdem er sich seit Anfang der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts mit der neu aufgekommenen Panorama-Fotografie beschäftigt hatte, drehte er knapp zehn Jahre später das Format in die Vertikale. Diese Perspektive erwies sich als das perfekte Format für die vertikal ausgerichtete New Yorker Skyline und ihre Straßenfluchten. Allein dabei beließ er es aber nicht, sondern entschied sich häufig dafür, nicht das große Ganze, sondern das Detail einzufangen. Und das wirkt auf den extremen Hochformaten sehr besonders. Der Schwerpunkt liegt auf den ungewöhnlichen Strukturen, die sich so enthüllen und die Bilder vom reinen Realismus abrücken. Beinahe mystisch wirkt etwa das Detail eines Adlerkopfs hoch oben am Chrysler Building vor dem unbegrenzten Hintergrund einer Wolkenkratzerfassade.

Solche Bilder entstehen nicht innerhalb von Sekunden. Sie sind intensiv durchdacht und komponiert. Für die perfekte Aufnahme eines Motivs braucht er häufig extrem lange, manchmal mehr als zehn Jahre. Dabei hat er sich über die Jahrzehnte nicht nur „sein“ New York erarbeitet, sondern auch andere Städte wie Paris oder Istanbul. Nicht zuletzt hat er sich auch seiner Heimatstadt Mannheim gewidmet, und diese Bilder dürfen natürlich auch in der Ausstellung im Schloss nicht fehlen. Hamann hat das „schöne“ Mannheim wie den Wasserturm im Extremformat eingefangen, aber auch die überwiegende, andere Seite der Stadt und der Schwesterstadt Ludwigshafen am anderen Rheinufer: heute marode Brückenkonstruktionen, ein städteplanerisch katastrophales Hochstraßennetz und nicht zuletzt die Industrieromantik im Hafen und beim großen Chemiekonzert. Der BASF hat Hamann einen ganzen Bildband gewidmet (Faces of a Company, 2010), ein anderer hält den Brachzustand auf dem ehemaligen US-amerikanischen Kasernengelände der Turley Barracks fest, der mittlerweile schon wieder der Vergangenheit angehört (Turley, 2013).

Was seine Veröffentlichungen anbetrifft, ist Hamann ebenfalls seiner Heimatstadt treu geblieben. Seit bald dreißig Jahren arbeitet er mit dem kleinen, aber feinen Kunstbuchverlag Edition Panorama zusammen, der für seine hochwertigen Bildbände bekannt ist. 1996 erschien dort erstmals Hamanns heutiger Klassiker „New York Vertical“, im letzten Jahr kam „ANY – Absolut NY“ heraus. Mit „Eyes Wide Shut“ wandte er sich noch einmal einem neuen Genre zu: dem menschlichen Porträt. Allerdings behielt er auch hier die Vertikale bei, was ihm erlaubte, den Fokus auf die gesamte menschliche Gestalt zu richten. Diese Wirkung wird noch verstärkt durch den simplen Effekt, dass er die porträtierten Menschen – ganz normale New Yorker – die Augen schließen ließ. Eine weitere Veränderung zeigt schließlich noch die Serie „Americana“, die aus querformatigen Panoramaaufnahmen in Farbe besteht. Aber auch hier verfremdet der Fotograf auf seine Weise: Die Farben wirken manchmal pastellig, manchmal knallig, aber nie „echt“. Das gibt den Fotografien aus sämtlichen Bundesstaaten der USA eine surrealistische Anmutung und lässt sie zum Teil beinahe wie Gemälde wirken. „Horst benutzt die Farbe wie ein Maler. Seine Bilder riechen nach Edward Hopper“, sagt der Kollege Andreas Feiniger dazu (Zeit online, 2012). Auf jeden Fall scheint er ein Entdecker zu sein, der den Blick offen hält für das andere, die andere Perspektive, sei es auf die Stadt, ein ganzes Land oder den Menschen.


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