Streeart in Wien (Foto: J-Wicz via Flickr)
Unsere Wiener Gastautorin hat ihre letzte Old School Jungle Party mikrosoziologisch seziert und verweist mit dem Wahlerfolg der rechtspopulistischen FPÖ in Wien auf eine neu erwachte Fremdenfeindlichkeit, die auch vor vermeintlich linken Enklaven keinen Halt mehr macht.
Letztes Wochenende ist es also wieder passiert, die gelebte Distinktion. Die Welt dreht sich weiter, aber manche Dinge ändern sich doch nie, im Konkreten: das Flex in Wien. Da sich unter euch wohl einige befinden, die vielleicht schon mal davon gehört haben, aber noch nie da waren: das Wiener Flex, mittlerweile 20 Jahre alt, wurde einst im Arbeiterbezirk Meidling (auch: Wien 12) von Punks als kleiner Kulturverein gegründet und rangiert heute in den obersten Reihen der europäischen Clubrankings. Damals, als Wien noch am Ende der westlichen Welt, am Eisernen Vorhang, grau in grau wenig bis nichts zur abendlichen Unterhaltung zu bieten hatte, wollte man einen Ort schaffen, an dem auch Dinge abseits des Mainstream zelebriert werden konnten.
Schnell wurde es im „Underground“ populär und von den Konservativen der Stadt vehement bekämpft, um dann Mitte der 90er Jahre, mit städtischen Förderungen ausgestattet, ins Stadtzentrum an den Donaukanal zu ziehen. Als Zeichen des progressiven Wiens sozusagen.
Auch 20 Jahre danach hat der Club sein „undergroundiges“ Image bewahrt, was wohl einerseits am Musikprogramm und andererseits an der als sekundär betrachteten Pflege des Interieurs liegt, credibility ist ja eben doch wichtig. Kurzum: Der Vorhang fiel, Wien war auf einmal nicht mehr am Ende der Welt sondern mitten drin, und das Flex hat diesen neu entdeckten Zeitgeist wunderbar transportiert.
Letztes Wochenende war es auch für mich wieder mal so weit, Serial Killaz gaben sich die Ehre, es versprach ein netter Abend zu werden. Solider Old School Jungle, dub, love und leider doch ein wenig rudeness: und leider, Zeitgeist ist noch immer wichtig. In einer Zeit, in der Wien vor allem durch seine „weltoffene“ politische Plakatierung auffällt (für alle, die es nicht miterleben durften: Daham statt Islam, Für unser Wiener Blut und andere Grauslichkeiten der FPÖ generierten bei den kürzlich stattgefundenen Wahlen satte 27%) steht das Flex dieser liberalen Politik in Nichts nach.
FPÖ-Wahlplakat (Foto: Andreas Klinger via Flickr)
Denn, da hatten sich an jenem Abend doch wahrlich Fremde im Backstage Bereich breitgemacht. So dreist aber auch, ganz ohne Banderl, und dann noch aus dem Ausland die jungen Herren. Grund genug für die hiesigen Sicherheitsbeamten den beiden Jungs zu den Klängen von Congo Natty und Shy Fx den Weg zur Tür – pardon – gegen die Tür zu zeigen. Sicherheit wird eben groß geschrieben, wurde mir erklärt, und die Ausländer, die will man auch nicht, man hätte ja schon genug Probleme mit dem Suchtmittelgewerbe in unmittelbarer Nähe. Von der sichtbaren Unaufgeregtheit der Wiener dub and love Pioniere, die mal lässig im Sofa hängend, die Dreadlocks drappierend, grad nichts gesehen haben bis zur Unverhältnismäßigkeit der Aktion an sich (Kommunikation ist ja nicht wichtig, besser man haut gleich zu): spätestens wenn in einer Institution mit einer Historie wie dem Flex solch unschöne Dinge passieren, die zu wenig bis keiner Resonanz beim anwesenden Publikum führen, weiß man erstens 27% sind tatsächlich jeder Dritte, und zweitens man muss nicht immer dem Zeitgeist entsprechen.
Text: Ute Stadlbauer