ZDF und ARD auf Abwegen?

16.07.2010Artikel zu Iran Politik & Gesellschaft erstellt von Helmut N. Gabel

Dialog mit fatalen Folgen

ZDF und ARD auf Abwegen?

Ezzatollah Zarghami

Der Anspruch im Westen Probleme durch Dialog zu lösen ist eine zivilisatorische Errungenschaft, ein Wert, der uns nicht verloren gehen darf. Im Umgang mit Vertretern des Regimes im Iran könnten unkritische Dialoge unter Umständen fatale Folgen haben. Bei diesem Thema sollte kein erfahrener Medienexperte behaupten, er habe nicht gewusst, worauf er sich einlässt.

Viele Vertreter der Revolutionsgarden Iran's sind nicht nur politisch-ideologisch geschult und stehen sehr entschlossen hinter ihren Plänen, sie wissen auch um die Schwächen und Einfallstore ihrer Gegner, die sie auf teuflisch-geschickte Art ausmanövrieren.

Ezzatollah Zarghami ist Hauptmann der Revolutionsgarden und Fernsehdirektor Irans. Dass ihn die beiden Intendanten Markus Schächter und Peter Boudgoust in aller Heimlichkeit samt seiner Delegation bei ARD und ZDF empfangen haben, wirft viele unbeantwortete Fragen auf (lesenswert: ein Artikel von Ali Schirasi zu dem Empfang), selbst wenn man beim ZDF behauptet, solche Treffen seien immer geheim.

Zuerst berichtete die persische Seite der Deutschen Welle von dem Treffen. Spiegel Online veröffentlichte einen Artikel, der die Bedenken von Exiliranern gegen diesen Besuch zur Sprache brachte. Vor allem schildert Ole Reißmann den Erfolg für das Regime in der internen Propaganda durch laufende Bilder von Zarghami mit den beiden Intendanten im iranischen Staatsfernsehen. Ole Reißmann tituliert Zarghami als Chef-Zensor. Tobias Kaufmann wiederum"ehrt" Zarghami im Kölner Stadtanzeiger als "iranischen TV-Trojaner" und schreibt eher freundlich über die Motive seiner Kollegen bei ZDF und ARD. Anstatt die Exiliraner nach guter journalistischer Manier zu dem Thema zu Wort kommen zu lassen, erwähnt er nur, dass sie vor "Wut schäumen". Über diesen Link geht es zu einem Brief den Exiliraner an deutsche Politiker verfasst haben. Darin wird klar, welche Vorwürfe sie erheben. Roland Winter pflegt in der Süddeutschen Allgemeinen einen betont sachlichen Stil in der Beschreibung der Angelegenheit. Man möchte meinen, er wolle den Kollegen in ihrem Anliegen endlich wieder aus eigener Anschauung aus dem Iran berichten zu dürfen, unter die Arme greifen. 

Und wer bitte macht uns klar, dass Zarghami dieses Hussarenstück zurück im Iran als Erfolg feiern lässt? Wer macht uns klar, das der eingefädelte Besuch in Europa ein Teil eines Propagandafeldzuges ist, um die opponierende Bevölkerung zu demoralisieren und im Westen mittels "Zusammenarbeit" Freunde zu gewinnen? 
Es ist noch kein halbes Jahr her, da hat Ali Khamenei seine Botschafter und Kulturattachées in den Iran einfliegen lassen, um sie zu einer Kulturoffensive im Westen aufzufordern. Der iranische Botschafter in Deutschland Sheik Attar ist ein treuer Gefolgsmann Ali Khameneis. Er scheint über gute Drähte zu entscheidenden Leuten in Deutschland zu verfügen. Manche Iranexperten munkeln von guten Kontakten zwischen der Deutsch-Iranischen Handelskammer und einigen Medienschaffenden bei ARD und ZDF. Wer wollte das nachweisen und wer bezweifeln?
In Holland jedenfalls gab es kein Einfallstor für Ezzatollah Zarghami und seinen Anhang. Der Besuch musste abgesagt werden, zu wach waren die Niederländer.

Allmählich schalten sich eine gute Woche nach Bekanntwerden des hohen Besuchs mitten im Sommerloch doch noch deutsche Politiker, die den Iran kennen, ein. Omid Nouripour, selbst an Dialog mit Vertretern des Regimes (zwei nach Protesten abgesagte Veranstaltungen mit dem Botschafter der IRI Sheik Attar) interessiert, hat einen diplomatischen und freundlichen Brief an die beiden Intendanten von ARD und ZDF verfasst und vorsichtig nachgehakt, was denn die Heimlichtuerei solle. Er betont in dem Brief, man habe die letzten Jahre den Fehler gemacht den unkritischen Dialog mit den Regierungsvertretern Irans gesucht zu haben und drückt seine Hoffnung aus die Intendanten hätten Kritik angebracht. Von Seiten der Linken reagierte Giyasettin Sayan empört und mit deutlicheren Worten. Es ist die Rede von einem "Pakt (der deutschen Fernsehanstalten) mit der Zensur".

Wir sollten uns jedoch fragen, wen die Vertreter des Regimes überhaupt als Dialogpartner akzeptieren, selbst wenn es ein kritischer Dialog sein sollte. Die Vertreter der IRI legitimieren sich durch eine bestimmte Auslegung eines buchstabengetreuen, unbedingten Gehorsam verlangenden und strengste Strafen auferlegenden Islam. Diese Lesart verachtet jeden Gesprächspartner, der nicht die gleichen Überzeugungen hegt. Oberflächlich heucheln die Herrschaften Freundlichkeit, Güte und Partnerschaftlichkeit, um ihr Ziel zu erreichen. In Wirklichkeit halten sie eisern an ihren Zielen fest, die sich erst zeigen, wenn es zu spät ist. Erklärtes Ziel der IRI ist die Neuordnung der Welt, das Management der Welt nach eigenem Gusto und die Vorbereitungen für die physische Wiederkehr des Imam Mahdi, einer messianischen Gestalt.
Einen Dialog mit Vertretern des Regimes kann, wenn überhaupt, nur jemand führen der die Quellen der Legitimation dieses Regimes exakt kennt und die Verdrehungen, Winkelzüge und Manipulationen aufdecken kann. 

Ein Dialog ist nicht ohne Voraussetzungen zu führen. Ehrlichkeit, Offenheit, echtes Interesse an der Gedankenwelt des Gesprächspartners sind Mindeststandards. Alles andere ist kein Dialog. Ist das mit politischen und wirtschaftlichen Machtinteressen vereinbar? Oder werden sich Medienschaffende und Politiker aus verschiedensten Gründen weiter in die Taschen lügen und hoffen damit durchzukommen? Nehmen wir in Deutschland weiter fatale Folgen für die Zivilgesellschaft im Iran in kauf? Wer gewinnt dabei? Warum wird nicht mit offenen Karten gespielt? Soll etwa nicht nur die iranische Zivilgesellschaft verschaukelt werden?

Mit dem Ersten sieht man nicht gut genug, vielleicht sieht man mit dem Zweiten besser, für diese und ähnliche Fragen wünsche man sich jedoch das dritte Auge, denn die es ehrlich meinen, scheinen rar gesät.

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