Die moderne Arbeitswelt fordert dem Arbeitnehmer ständige Selbstoptimierung ab – gerade auch wenn er keinen Blaumann trägt, sondern ein ausgesuchtes Hemd und Designerbrille oder ein T-Shirt mit irgendeinem Statement, das ihn als Individuum ausweist. Jeder Arbeitstag ist eine Challenge – und wer die immer neuen Herausforderungen nicht als Chance begreift, hat schnell verloren. Dabei wird heute niemand mehr zu irgendetwas gezwungen – die aufgeschlossene Mitarbeiterin und der aufstiegswillige Mitarbeiter sind idealerweise schon so hirngeschwaschen, dass sie sich den neuen Ritualen ihrer Arbeitgeber willig unterwerfen: Es ist ja nur zum Besten aller.
Die Unternehmen ihrerseits gestalten ihre Arbeitsplätze so, dass sie gar nicht mehr nach Arbeit aussehen – sie stellen Stehpulte und Sitzgruppen auf, in denen sich die mit mobilen Arbeitsgeräten ausgestatteten Mitarbeiter frei bewegen können – sie sollen idealerweise gar nicht merken, dass sie bei der Arbeit sind, wenn sie ihre Kreativität anzapfen und ihre Produktivität überschießen lassen. Die Ausbeutung wird nicht abgeschafft, sondern subtiler: Nicht umsonst hat die Abschaffung der Stechuhr dazu geführt, dass die Leute nicht mehr nach 8 Stunden den Griffel fallen lassen, sondern auch nach 10 Stunden nicht von ihrem Terminal loskommen.
Das Zauberwort ist Human Ressource Management – mit Hilfe dieses Instruments wollen die Unternehmen alles aus ihren Mitarbeiter rausholen. Etwa, in dem sie “die Business-Units ein bisschen gegeneinander atmen lassen” – verschiedenen Abteilungen also miteinander konkurrieren sollen. Dann können die Mitarbeiter an den Herausforderungen wachsen, ihre Potenziale so richtig entwickeln und ein Teil des großen Ganzen werden. Nur die Gewinne, die sie mit ihrer willigen Selbstausbeutung dabei erwirtschaften, werden nicht mit ihnen geteilt. Es reicht schon, zu einer so großartigen Gemeinschaft dazugehören zu dürfen. Es geht um den tollen Workflow, um das gute Gefühl, um die wohlwollende Anerkennung – Geld ist schließlich nicht alles. Dass auch die willigsten Mitarbeiter essen und ihre Miete bezahlen müssen, wird gern ausgeblendet: Privat muss jeder sehen, wie er mit dem, was ihm zugemessen wird, klar kommt.
Du bist nichts, dein Unternehmen ist alles
Und bei diesen Optimierungsprozessen werden auch ganz schnell jene Pferde entdeckt, die nur im Geschirr mitlaufen und die anderen ziehen lassen. Die werden dann noch einmal extra motiviert und wenn das nichts nützt, entlassen. Einfach nur seinen Job machen reicht heutzutage nicht. Heute, wo alles irgendwie ganzheitlich sein soll, wird Hingabe gefordert, ja, Glauben – denn auch Kapitalismus funktioniert wie eine Religion: Wer nicht daran glaubt, kann in dieser Welt nicht wirklich aufgehen. Wer nicht glaubt, dass es so ist, sollte sich den Film Work Hard Play Hard von Carmen Losmann ansehen. Diese Dokumentation zeigt, wie die neue Arbeitswelt aussieht.
Wichtig zu wissen ist: Die im Film genannten Unternehmen waren darüber informiert, dass die Autorin einen Dokumentar-Film für arte konzipiert und haben freiwillig mitgemacht. Und wenn eine Personalchefin dann sagt, dass sie ihre Werte und Methoden in die DNA ihrer Mitarbeiter einschreiben will, zeigt das, wie überzeugt die Chefs von ihren neuen Methoden sind – und wie wenig sie sich bewusst machen (wollen?), wie totalitär dieser Gedanke ist.
Link zum Interview mit Carmen Losmann auf telepolis.