Wikinger-Gene in Elite-Gräbern Großpolens

Stammte der polnische Hochadel des Frühmittelalters
zu einem Viertel bis zur Hälfte von Wikingern ab?

Seit mehr als hundert Jahren ist es sehr umstritten, in wieweit das erste polnische Herrscherhaus, die Piasten ( Wiki), und das erste böhmische Herrscherhaus, die Premysliden ( Wiki), von Wikingern abstammen. Zu den Piasten gibt es diesbezüglich schon seit mehreren Jahren polnische Forschungen, deren Ergebnisse aber - soweit übersehbar - bislang nicht veröffentlicht worden sind ( FamilyTreeDNA).

In der hier auf dem Blog schon behandelten dänischen archäogenetischen Wikingerstudie von vor einem Monat (1, 2) finden sich aber auch diesbezüglich schon erste Ergebnisse, die deutlich werden lassen, daß diese Fragen in Bälde geklärt sein werden. In dieser Studie wurden unter anderem auch 33 Skelette aus dem heutigen Rußland, vier aus der Ukraine, acht aus dem heutigen Polen und fünf aus Italien untersucht, die aufgrund von Zeitstellung, Grabsitte und Grabbeigaben sich in kulturellen Zusammenhängen der Wikinger bewegt haben. Leider war die Gesamtgenom-Sequenzierung für die acht aus dem heutigen Polen stammenden Skelette - von den sehr spannenden, erst jüngst ausgegrabenen frühmittelalterlichen Fundorten Bodzia, Sandomir und Krakau an der Weichsel, sowie Zehden an der Oder und Czersk in Pommern - nur für zwei derselben erfolgreich, nämlich für zwei Skelette aus Bodzia. Aber diese beiden Ergebnisse gewähren schon einen recht tiefen Blick, der einem intuitiv naheliegend erscheint als Gesamtlösung des Problems.

Nach Suppl. 04 der Studie (1) konnten also Gene von Skeletten von zwei Elitegräbern aus Bodzia aus der Zeit um 1050 n. Ztr. herum vollständig sequenziert werden (VK154 und VK156). Beide wiesen zur Hälfte polnische und zu einem Viertel bis zur Hälfte skandinavische Herkunftsanteile auf. Davon ist im Text der Studie selbst gar nicht die Rede, weshalb uns dieses spannende Ergebnis bislang entgangen war. Erst durch genaues Studium der umfangreichen Anhänge dieser Studie sind wir auf dieses Ergebnis gestoßen. Und unsere eigene Interpretation der Ergebnisse der Studie finden wir auch andernorts wieder, was uns dann schon einigermaßen sicher macht ( ForumBiodiversity, 17.7.2019):

So they were half-Poles with the rest of their ancestry mostly from Sweden (20.9-26.8%), Finland (11.5-25.8%) and Denmark (1.3-10.1%).

Andernorts wird außerdem darauf hingewiesen, daß der Y-chromosomale Haplotyp von insgesamt acht sequenzierten Männern aus dem heutigen Polen in dieser Studie festgestellt werden konnte, und daß die Verteilung ihrer Haplotypen gut zur heutigen Verteilung dieser Haplotypen in Polen passen würde, die heutige Verteilung ist nämlich ( ForumBiodiversity, 17.7.2019):

Die für Skandinavier typische Haplogruppe I-M253 ( Wiki) (zu 30 bis 40 % im heutigen Skandinavien verbreitet) findet sich unter den archäologischen Funden im heutigen Polen bislang noch nicht. Wenn auch Aussagen zur Häufigkeitsverteilung von Y-chromosomalen Haplotypen bei weitem nicht so aussagekräftig sind wie Aussagen von Gesamtgenom-Sequenzierungen, so passen die Ergebnisse im Allgemeinen doch nicht schlecht zu den auch sonst aus den historischen Quellen bekannten, internationalen Heiratsverbindungen der Piasten bis nach England, Dänemark und Schweden einerseits und bis nach Kiew andererseits. Solche weitreichenden Heiratsverbindungen wird es auch sonst im Hochadel des frühen Piastenreiches gegeben haben und sie können dazu geführt haben, daß um das Jahr 1000 herum die führenden polnischen Adelsgeschlechter (der "Hochadel") zu etwa einem Viertel bis zur Hälfte skandinavischer Abstammung war, was gut dazu paßt, daß sie sich auch äußerlich sehr stark an die Kultur der Wikinger angepaßt haben - wie ausschnittsweise in diesem Beitrag noch anhand von willkürlich ausgewählten archäologischen Forschungen gezeigt werden soll.


Der heutige genetische Herkunftsanteile der Wikinger innerhalb von Polen insgesamt beträgt laut Studie etwa 5 % (1):

Das genetische Erbe der Wikinger außerhalb von Skandinavien ist stetig vorhanden aber begrenzt. Eine kleine Komponente findet sich in Polen (bis zu 5%) und im südlichen Europa.
Original: Outside of Scandinavia, the genetic legacy of the Vikings is consistent, though limited. A small component is present in Poland (up to 5%) and the south of Europe.

Entsprechende Aussagen zu Rußland, zur Tschechei, zu Pommern, West- und Ostpreußen finden sich in der Studie leider nicht. Aber auch hier wird es sicher bald Klärungen geben, zumal diese Klärungen für die britischen Inseln, für Island und so weiter längst weit fortgeschritten sind ( Wiki) (19). Aber klärt sich mit den angedeuteten Ergebnissen vielleicht schon - auf weitgehend harmonische Weise - eine Jahrhunderte alte Debatte zur Entstehung der polnischen und tschechischen Staatlichkeit? Auf eine Art sogar, mit der alle Seiten zufrieden sein können? So möchte man schon meinen.

Wenn man sich aber mit der Thematik der archäologischen Erforschung der frühmittelalterlichen Wikinger an der deutschen Ostseeküste (Pommern, Westpreußen, Ostpreußen), im Weichselraum, entlang der Oder und mit ihren Heirats- und Handelsverbindungen von Kiew bis England ein wenig beschäftigt, dann wird einem schnell deutlich, daß es auf diesem Gebiet der Forschung in den letzten zehn Jahren und in den letzten Jahrzehnten immense Fortschritte und Erweiterungen der Kenntnisse gegeben hat, die - wieder einmal - der Öffentlichkeit kaum bewußt sind und bewußt gemacht worden sind. In Rußland gehen die Forschungen so weit, daß sich dort unter den Archäologen eine Fraktion der "Anti-Normannen" herausgebildet hat, die den großen Einfluß der Wikinger auf die Frühgeschichte Rußlands kleinreden wollen. Auch dort wird die Archäogenetik sicher bald die hadernen Parteien befriedigen.

Gehen wir im folgenden nur punktuell einige neuere Forschungen und ältere Erkentnisse durch. Das Forschungsgebiet ist so umfangreich, daß hier nicht gar so schnell ein guter Überblick gegeben werden kann. Der Autor dieser Zeilen bittet um Hinweise auf einen gelungenen deutschsprachigen Überblick über all diese Forschungen, damit man nicht selbst all die Detailstudien so gründlich lesen muß wie das im folgenden punktuell geschehen ist.

Prag


1928 wurde auf der Prager Burg an prominenter Stelle ein Grab aus dem 10. Jahrhundert entdeckt, von dem die deutsche archäologische Forschung sehr bald annahm, daß es sich um ein Wikingergrab handele (3-6).


Dieses Forschungsergebnis geriet dann sehr schnell in die Mühlen der ideologischen Auswertungen der Zeitläufe vor und nach 1945. Ich weiß noch, wie Professor Gotthold Rhode, Mainz, Verfasser einer viel gelesenen "Geschichte Polens" und zugleich bekannter Vertreter der Deutschen aus der Provinz Posen, in den frühen 1990er Jahren im Seminar über die Annahme, daß das Königreich Polen von den Wikingern gegründet worden sei, sprach: sehr behutsam und zurückhaltend. Aber inzwischen hat sich eben bezüglich all dieser Fragen so viel getan in der Forschung, daß es wirklich an der Zeit wäre, daß dazu einmal ein guter deutschsprachiger Überblick gegeben würde. In der Zusammenfassung einer ganz neu erschienenen wissenschaftlichen Studie zu dem prominenten Grab auf der Prager Burg wird ausgeführt, daß insbesondere aussagekräftige Grabbeigaben "bemerkenswerte Ähnlichkeit aufweisen mit anderen skandinavischen Exemplaren"*).

Damit gibt es also weiterhin Hinweise darauf, daß das Herzogs- und Königshaus der Premysliden ( Wiki) von Menschen begründet wurde, die kulturell und durch Heiratsverbindungen in wikingischen Zusammenhängen standen.

Bodzia an der Weichsel


Bodzia liegt 40 Kilometer südöstlich von Thorn und 15 Kilometer nördlich von Włocławek an der Weichsel und wie die beiden ersteren auf dem linken Ufer derselben etwa drei Kilometer entfernt vom Ufer. Bodzia liegt etwa 20 Kilometer östlich der Grenze des Deutschen Reiches bis 1918, bzw. der damaligen Provinz Posen. Hier nun wurde 2009 bis 2011 ein frühmittelalterliches Gräberfeld ausgegraben, in dem 52 Skelette gesichert werden konnten, darunter 14 Männer und 21 Frauen, ein Gräberfeld, in dem offensichtlich der damalige wikingisch lebende und verheiratete Hochadel Polens Angehörige bestattete. Fast alle Gräber sind in Nord-Süd-Richtung orientiert, was für diese Zeit sehr ungewöhnlich ist. (1, Suppl. 02):

Die Anordnung des Grabfeldes hat keinerlei Analogien in Europa. Es besteht aus zwei Reihen von Gräbern mit großen Grabgruben, die in einem viereckigen Grabraum angeordnet sind. Das Gräberfeld ist eingeteilt in rechteckige Gräber, die über dem Erdboden markiert waren in vier Reihen entlang der Ost-West-Achse. (...) Ein bezeichnendes Charateristikum aller Gräber ist die Fülle von beigegebenen Gegenständen, einschließlich Waffen (Schwert, Langsax, Speerspitzen, Pickaxt der Chasaraen) im Fall der Männer und zahlreichem Schmuck (Ringe, Anhänger, Amulette, Kaptorga, Halsketten usw.) - im Falle der Frauen. Eine Vielzahl von Münzen fand sich, 67 Stücke in 58 Gräbern. Sie stammen aus dem Heiligen Römischen Reich, aus England, dem Reich der Premysliden und aus Polen. (...) Ein junger Krieger (E864/I) war mit drei jungen Frauen begraben; eine von ihnen war unter ihm platziert. (...) Auf einer Riemenzunge (strap-end) befindet sich ein Zweizack, das Tamga (Stammeszeichen) des Prinzen Swjatopolk I. (1015-1019) des Angeklagten - Sohn von Wladimir dem Großen und Ehemann einer Tochter des polnischen Königs Boleslaw I., des Tapferen.
Original: The layout of the cemetery has no analogies in Europe. It is formed of rows of graves with large burial pits placed in quadrangular burial spaces. The burial field is divided into rectangular sepulchral spaces, marked on the surface and arranged into 4 rows oriented along the east-west axis. Some of these plots are adjacent, especially those in the northern row with the shape of a trapezium narrowing down to the east. (...) A characteristic feature of all the burials here is the bountiful presence of a range of items, including weapons (sword, langsax, spearhead, Khazarian-type pickaxe) - in the case of men, and numerous ornaments (rings, pendants, amulets, kaptorgas, necklaces, etc.) - in the case of women. There are abundant coins: 67 items from 58 graves. These relate to the Holy Roman Empire, England, the Premyslid State and Poland. (...) A young warrior (E864/I) buried together with three young women; one of them was placed below him. (...) On the strap-end there is a bident - the tamga of Prince Sviatopolk the Accursed (1015-1019) - son of Vladimir the Great and husband of a daughter of Polish king Boleslav I (the Brave).

Um was es sich bei der hier erwähnten Kaptorga handelt, findet sich in einem Video aus dem letzten Jahr erläutert anhand einer Replik der in Bodzia gefundenen (8). Der hier erwähnte Swjatopolk I. (978/9-1019) ( Wiki) war bis 1019 Fürst von Turow und danach Großfürst von Kiew. Er war mit einer Tochter des legendären polnischen Herrschers Bolesław I. des Tapferen (965/7-1025) ( Wiki) verheiratet. Das heißt, die Gräber dürften aus der Mitte des 11. Jahrhunderts stammen. Die Wirtel eines Frauengrabes war aus wolhynischem Schiefer gearbeitet. Und so ließe sich sicherlich noch eine Fülle von spannenden Einzelheiten zu diesen Ausgrabungen nennen. Auf Wikipedia ist festgehalten ( Wiki):

Es finden sich Grabrituale und -beigaben der Kiewer Rus, skandinavischer, angelsächsischer, friesischer und khasarischer Herkunft. Die multikulturelle Natur dieses Gräberfeldes und die Nähe zur Handelsroute der Weichsel legen nahe, daß es sich um eine ausländische Handelssiedlung handelt, die die Ostsee mit dem Byzantinischen Reich verband.
Artefacts uncovered in the site were mostly of foreign origin, which is atypical of other sites in the area. (...) The site demonstrates burial rituals and artefacts of Kievan Rus, Scandinavian, Anglo-Saxon, Frisian and Khazar origin. The nature of multiculturality at the site, and proximity to the Vistula River trade route, indicates that it was perhaps a foreign trade settlement connecting the Baltic to the Byzantine Empire.


Skelette von diesem Ausgrabungsort jedenfalls gewährten den ersten Blick in die genetische Herkunft des frühmittelalterlichen Hochadels von Polen (siehe oben in der Einleitung). - 2006 schon wurde übrigens eine Fahrt nachgestellt in einem nachgebauten Wikingerschiff von Danzig die Weichsel, den Bug und den San mit Segelkraft aufwärts bis zur heutigen polnisch-ukrainischen Grenze (9). Dort wurde das Boot - wie vermutlich einstmals ebenso von den Wikingern - auf dem Landweg übergesetzt, um auf dem Oberlauf des Dnjestr wieder ins Wasser gelassen zu werden und dann mit der Strömung bis hinunter nach Odessa, bis ins Schwarze Meer zu rudern und zu segeln. Die landschaflichen Eindrücke dieses Filmes (9) sind unglaublich, ebenso die sehr authentischen Eindrücke davon, mit welchen Schwierigkeiten die Wikinger zu tun gehabt haben müssen bei solchen Fahrten die Flußläufe auf- und abwärts.

Das ist "Thor Heyerdal" auf eine ganz neue, unerwartete Weise in einer Region und in Beschäftigung mit einer geschichtlichen Zeit und einem Volk, die uns Deutsche und Polen viel näher stehen als das bei den Fahrten des Thor Heyerdal mit seiner "Kontiki" im Pazifik der Fall gewesen war. Die Wikinger wußten natürlich gut von dem sagenhaften Reichtum des Kaisers von Byzanz, von dem mehrmals in den Sagas erwähnt wird, daß ihn ein Besuch abgestattet worden ist von einem Wikinger aus Island. "Schild stieß an Schild - es ruderten Wikinger," so heißt es im berühmten Helgi-Lied und so wird auch einleitend und am Ende dieser Fernsehdokumentation eindrucksvoll gesungen (9).

Wiskiauten im Samland


Auf der von uns eingestellten Karte (Abb 1) (10) ist der bedeutende wikingische Siedlungsort Wiskiauten ( Wiki) am südlichen Ende der Kurischen Nehrung an der Nordküste des Samlandes nicht eingetragen. Hier fanden sich 500 Grabhügel und Reste einer Siedlung. Entsprechend gibt auch diese Karte noch nicht vollgültig den Forschungsstand wieder. Aber immerhin läßt sie die weitreichenden Verbindungen der Wikinger erahnen.

Kalthaus (bei Kulm) an der Weichsel


Der polnische Archäologe Władysław Duczko (geb. 1946) ( Wiki), der ab 1990 als Professor in Uppsala tätig war, meint, vor allem Funde von Runenschriften gäbe einem Siedlungsort aus archäologischer Sicht den Charakter einer Wikingersiedlung. Er stochert ja in der Zeit vor der Archäogenetik diesbezüglich noch im Nebel wie es die Archäologen seit mehr als einhundert Jahren tun (11):

Der einzige Ort außer Wollin und Cammin in Pommern mit Runenfunden ist Kalthaus nahe der Weichsel, wo zwei Fundstücke aus der Siedlung - ein Spielstück und ein .... - Inschriften trugen, die norwegische Schrift repräsentieren. In Kalthaus sind auch einige Waffen und Gräber des norwegischen Typus gefunden worden, welche nahelegen, daß wir nach den Besitzern dieser Runen-beschriebenen Objekte unter den Norwegern suchen sollten, die hier lebten.
Original: The only place in Poland with runic finds, except Wolin and Kamień Pomorski, is Kałdus, near the Vistula River, where two artefacts from the settlement, a gaming piece and a cross-pendant, had inscriptions representing Norse writing (cf. W. Chudziak in this volume). Some weapons and burials of Norse type have also been found in Kałdus, which indicate that we should search for the owners of the runic objects among the Norsemen living here.

Der hier erwähnte frühmittelalterliche Siedlungsort auf einer Anhöhe oberhalb der Weichsel in Westpreußen liegt im Norden des Dorfes Kalthaus (poln. Kałdus) ( Wiki), drei Kilometer südwestlich von Kulm

Am Lorenzberg (Góra św. Wawrzyńca), einer Geländeerhöhung im Norden des Dorfes, entstand im frühen Mittelalter während der Herrschaft der Piasten eines der größten Wirtschafts- und Verwaltungszentren an der Weichsel. Seit 1996 durchgeführte archäologische Forschungen der Universität Thorn, die an seit dem späten 19. Jahrhundert vorgenommene Ausgrabungen anschließen, haben die Existenz einer nicht vollendeten frühromanischen Basilika aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts sowie große Gräberfelder, unter anderem mit Kammergräbern von Siedlern skandinavischer Herkunft, nachgewiesen.
"ein großflächiger Friedhof mit über 1500 Gräbern, die auf eine zahlreiche Einwohnerschaft unterschiedlicher Herkunft schließen lassen. Die Archäologen der Universität Thorn entdeckten unter anderem fünf Grabkammern, deren Konstruktion und Ausstattung davon zeugen, daß in ihnen Skandinavier beigesetzt worden sind. Prof. Chudziak geht davon aus, daß sich die Wikinger im Weichselgebiet zunächst vor allem als Händler betätigten und im Laufe der Entwicklung des Piastenstaates auch im Weichselgebiet ihre Dienste als Krieger anboten oder sogar Verwaltungsfunktionen übernahmen. In der Siedlung bei Kalthaus lebte zur Piastenzeit eine größere Gruppe von Personen skandinavischer Herkunft als Nachbarn der einheimischen Slawen."

Genauer gesagt lebten im Kulmer Land ( Wiki) die Pruzzen, ein baltischer Volksstamm, der hier benachbart war zu südlichen polnischen Stämmen.


Auch weichselaufwärts in Pień, zehn Kilometer nordwestlich von Bromberg, wurden Wikinger-Gräber gefunden.

Sandomir an der Weichsel


Sandomir wurde um 970 dem entstehenden polnischen Staat eingegliedert. Hier wurden 2013 bis 2015 die bislang ältesten Gräber aus der Zeit um 1000 n. Ztr. erforscht . Sie weisen viele ausländische Merkmale, bzw. Wikinger-Merkmale auf, unter anderem

eine Axt aus Grab Nr. 7, die am ehesten Entsprechungen in Funden aus Gräbern der Waräger und Rus in Osteuropa findet. (...) Die Ausrüstungsteile (hufgeformte Bronzebuckel, Äxte, als Feuerstangen genutzte Schlüssel) und die Form der Gräber legen nahe, daß in diesem Gräberfeld ebenso Waräger und Rus bestattet worden sind.

Original: an axe from grave No. 7, which has the closest analogy to the finds from the cemeteries of the Varangian and Rus' cemeteries from Eastern Europe. (...) The equipment elements (horseshoe-shaped bronze buckles, axe, key used as firesteels) and the form of the graves might indicate that the Varangians and Rus' people were also buried in the cemetery.

Leider haben die hier sequenzierten Skelette zwar Y- und mitochondriale Haplotypen erbracht, aber konnten nicht für Gesamtgenom-Sequenzierung aufbereitet werden.

Zehden (
Wiki) (polnisch Cedynia) liegt auf der rechten Seite der Oder nördlich des Oderbruchs. Über die Geschichte dieses Ortes im Früh- und Hochmittelalter ist bekannt

Am 24. Juni 972 fand bei dem Ort die Schlacht von Zehden statt, in der Czcibor, Bruder des Piastenherzogs Mieszko I., die Truppen des Lausitzer Markgrafen Hodo schlug. Zu dieser Zeit wurde der Ort noch Cidin genannt. Um 1187 befand sich bei Zedin wahrscheinlich eine pommersche Burg. Bereits vor dem Übergang des Ortes an die Mark Brandenburg unter den Askaniern um 1250 bestand eine deutsche Siedlung städtischen Charakters, ein Oppidum. Markgraf Albrecht III. belehnte 1299 die von Jagows mit dem Oppidum, die es 1356 dem Zisterzienserinnenkloster in Zehden, das schon im 13. Jahrhundert seinen Sitz von Schönfließ in den Ort verlegt hatte, überließen. Im 14. Jahrhundert war Zehden ein Mediatstädtchen mit Ratmannen, Schultheiß und Schöffen.

Und hier in Zehden nun wurden über 1.300 mittelalterliche Gräber entdeckt (1; Suppl. 02). Das Grab 558 nahe der Kirche unterschied sich von allen anderen Gräbern. Der ihm beigegebene Schwerttyp wurde um 1100 herum benutzt. Aber auch das Gesamtgenom dieses Skeletts konnte nicht gewonnen werden.

Die Stadt Czersk (
Wiki) gehörte bis 1920 zum Landkreis Konitz ( Wiki) in Westpreußen. Sie gehörte zur Kaschubei, wo bis 1234 bis zu seinem Aussterben das Geschlecht der Samboriden ( Wiki) herrschte, und die 1309 vom Deutschen Orden gewonnen wurde ( OME-Lexikon). Im Landkreis Konitz lebten 1910 28.000 evangelische Deutsche und 35.000 katholische Polen und Kaschuben. Der Landkreis Konitz kam 1920 aufgrund des Versailler Vertrages als Teil des sogenannten "Korridors" an Polen. In der Nähe der Kirche der Stadt Czersk nun findet sich ein Grab aus der Zeit um 1100 n. Ztr. mit wikingischen Bezügen

Einige Forscher interpretieren Grab 609 als das Grab von Magnus Haroldson, einen der drei Söhne von Harald II. Godwinson, dem letzten angelsächsischen König von England.

Harald Godwinson (1022-1066) ( Wiki) ist jener König, der die berühmte Schlacht bei Hastings gegen die Normannen unter Wilhelm dem Eroberer am 14. Oktober 1066 verloren hat und dabei auf dramatische Weise gefallen ist. Seine Verwandten mußten ins Exil gehen. Und Großfürsten von Kiew Wladimir Wsewolodowitsch Monomach (1113-1125). Wenn man sich deutlich macht, daß damals solche weitreichenden Heiratsverbindungen möglich waren, wird die Geschichte des Einflusses der Wikinger auf den Hochadel der entstehenden slawischen Staaten in Rußland, Polen und Böhmen besser verständlich. seine Tochter Gytha heiratete vier Jahre später den

Krakau an der Weichsel

Ein Gräberfeld auf einer Sanddüne am Ufer der Weichsel nahe von steil abfallenden Felsen bei Krakau-Zakrzówek enthielt mehr als 75 Gräber . Grab 19 hatte eine zentrale, hervorgehobene Lage, die Knochen erbrachten aber keine auswertbare DNA, hingegen die Knochen eines gewöhnlichen Grabes, das einen Wetzstein enthielt.

Vorläufiger Abschluß

Die bis hier nur sehr ausschnittsweise angeführten Angaben zu neueren archäologischen Forschungsergebnissen machen Hunger darauf, noch viel mehr zu erfahren über den gesamten Wissensstand der weitreichenden Handels-, Kriegs- und Heiratsverbindungen der Wikinger von England bis nach Kiew (
Wiki) (s.a. 12-18). Man wird vielleicht so sagen können: Während alle paar Jahre ein deutscher König über die Alpen nach Rom zog, um sich dort zum Kaiser krönen zu lassen und unbotmäßige Städte zur Raison zu bringen, so zog alle paar Jahre eine angesehene Delegation des Hochadels von Kiew an den Königshof von England oder umgekehrt. Und so wie die Handelsverbindungen über die Alpen hinweg im Früh- und Hochmittelalter dicht waren, so waren sie es auch von Kiew bis nach England und weit über diese politische "Achse" hinaus.

*) Im Original: "... the fire-steel. A standard item of Viking personal equipment, the shape of the Prague Castle example is different from others found in Bohemia. Although corrosion complicates identification (the original was lost in the Prague floods of 2002), the surviving drawings show the artefact to be remarkably similar to other Scandinavian examples. Furthermore, as noted above, the trefoil extensions resemble those found on axes from Gotland and Öland".

  1. Population genomics of the Viking world. Ashot Margaryan, Daniel John Lawson, Martin Sikora, (...) Kristian Kristiansen, Rasmus Nielsen, Thomas Werge, Eske Willerslev. bioRxiv 703405; Preprint, 17.7.2019, doi: https://doi.org/10.1101/703405, https://www.biorxiv.org/content/10.1101/703405v1.supplementary-material
  2. Bading, Ingo: Polygenetische Risikofaktoren vor 1000 Jahren, 20.7.2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/07/polygenetische-risiko-faktoren-vor-1000.html
  3. Saunders, N. J., Frolík, J., & Heyd, V. (2019). Zeitgeist archaeology: conflict, identity and ideology at Prague Castle, 1918-2018. Antiquity, 93(370), 1009-1025. doi:10.15184/aqy.2019.107, url to share this paper: sci-hub.tw/10.15184/aqy.2019.107
  4. https://phys.org/news/2019-08-evidence-contested-identity-medieval-skeleton.html
  5. https://www.foxnews.com/science/mysterious-medieval-skeleton-at-prague-castle-reveals-its-secrets
  6. Storch: Wikinger auf dem Hradschin? Wittikobund 2017 (pdf)
  7. https://www.polish-online.com/polen/staedte/gnesen-mieszko-I-wikinger.php
  8. Was ist eine Kaptorga?, Kaptorga - Visual History, 14.06.2018, https://youtu.be/vvCGvzdN0cQ
  9. Bucka, Malgorzata: Auf den Spuren der Wikinger (360° - GEO Reportage). Dokumentation einer Bootsfahrt von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer im Jahr 2006; veröffentlicht 2018, https://youtu.be/Zsj8iSV3nQE
  10. Buko, Andrzej: Bodzia - A Late Viking-Age Elite Cemetery in Central Poland (East Central and Eastern Europe in the Middle Ages, 450-1450, Band 27) Brill Academic, 2014 (GB)
  11. Duczko, Władysław: With Vikings or without? Scandinavians in Early Medieval Poland. Approaching an old problem. In: Scandinavian Culture in Medieval Poland, ed. S. Moździoch, B. Stanisławski, P. Wiszewski, Reihe Interdisciplinary Medieval Studies t. II, Wrocław 2013 (Academia)
  12. Rohrer, Wiebke: Wikinger oder Slawen? Die ethnische Interpretation frühpiastischer Bestattungen mit Waffenbeigabe in der deutschen und polnischen Archäologie. [Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung 26] Verlag Herder-Institut Marburg 2012 [Diss. 2010, Universität Freiburg] (pdf)
  13. Duczko, Władysław: Viking Rus. Studies on the presence of Scandinavians in Eastern Europe, kolekcja History, seria The Northern World, Bd. 12. Brill, Leiden, Boston 2004 (praca habilitacyjna) (GB)
  14. Martin M.: Reiches wikingerzeitliches Gräberfeld in Polen, 21. Dezember 2011, http://www.nornirsaett.de/ratselhaftes-wikingerzeitliches-graber-in-polen/
  15. Chudziak, Wojciech: Remarks on particular material traces of Scandinavian culture in Pomerania. In: Scandinavian Culture in Medieval Poland, ed. S. Moździoch, B. Stanisławski, P. Wiszewski, Reihe Interdisciplinary Medieval Studies t. II, Wrocław 2013 (Academia)
  16. Buko, Andrzej: Vortrag in polnischer Sprache über Bodzia: Elity społeczne państwa pierwszych Piastów? (przykład odkryć na cmentarzysku w Bodzi k. Włocławka). Mai 2013, https://youtu.be/NGq3tF4Xt5g
  17. Duczko, Władysław: Status and Magic. Ornaments used by the Bodzia Elites, w: Bodzia. A Late Viking-Age Elite Cemetery in Central Poland, wyd. Brill, Leiden-Boston 2015
  18. Wikingerpark auf der Insel Wolin in Polen - am Ufer der Dziwna. Ein Travelnetto-Video, 02.09.2016, https://youtu.be/8dgmq-HMSy8
  19. The genetic landscape of Scotland and the Isles. Edmund Gilbert (...) Gianpiero L. Cavalleri, James F. Wilson. In: Proceedings of the National Academy of Sciences Sep 2019, 201904761; DOI: 10.1073/pnas.1904761116

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