In Jhapra, dem kleinen Bergdorf in Nepal, in dem ich mit meiner Familie viele Jahre gelebt habe, gab es keinen Strom. Wenn man am Abend seinen Reis gegessen hatte, dann sass man noch um das verglimmende Herdfeuer und unterhielt sich im Dunkeln. Ohne Licht bekommt der Körper immer genug Schlaf.
Hier bei uns, im ländlichen Europa, war das vor hundert Jahren genau gleich. Die Menschen schliefen viel, denn nachts war es dunkel. Dann kam der Strom. Zuerst nutzten die Bauern die erste einsame Glühbirne im Wohnzimmer genau wie Ölpfunzel oder Kerze: um abends noch einige Stickereien und Schnitzwerke zu erstellen, welche dann ende Woche beim Grossisten verhökert werden konnten. Bei flackerndem Licht ist es aber viel schwieriger wach zu bleiben, als beim Fernsehkrimi.
Im 21. Jahrhundert ist die Nacht zum Tag geworden, unser blauer Planet ist rund um die Uhr beleuchtet.
Kein Wunder, reden sich heute viele Leute ein, dass man eigentlich gar nicht so viel Schlaf brauche, wie man früher gemeint habe. Denn wann sollte man sonst ausgehen oder TV gucken, wann Bücher lesen, im Internet surfen, Radio hören oder einfach gesellig sein?
Aber der Mensch hat seine Ernährungs- und Schlafgewohnheiten über Jahrmillionen erworben. Der genetisch festgelegte Ruhebedarf ändert sich nicht mit der Erfindung der Glühbirne. Es ist interessant: seit fünfzig Jahren werden die Jobs stressiger, die Arbeitswege weiter und zugleich die durchschnittliche Schlafzeit kürzer. Und heute haben wir in den Industrieländern eine Krankheit epidemischen Ausmasses, die bezeichnenderweise als „chronische Übermüdung“ beschrieben wird, nämlich das Burnout. Bedeutet wörtlich: verglüht, durchgebrannt, ausgelöscht, abgebrannt.
Das Licht wird gelöscht, vom Körper selber, von der Natur.