Von Simon Argus
Das Ruhrgebiet ist Kulturhauptstadt 2010. Dieses Großereignis ist Teil des Versuchs einer Wiederbelebung dieser größten städtischen Agglomeration Deutschlands. Noch sieht es in vielen Städten an Ruhr und Emscher trostlos aus - doch an Visionen und Plänen fehlt es nicht.
Der Reichtum des Ruhrgebiets liegt unter der Erde. So tief, dass es inzwischen nicht mehr lohnt, danach zu graben. Als Zeugen der vergangenen Blütezeit stehen noch heute riesige Industriekomplexe an der Oberfläche. Wie zum Beispiel die Essener Zeche Zollverein. Kumpels gehen hier lange nicht mehr ein und aus: Die Zeche ist heute das „Ruhrmuseum" - frisch eröffnet zum Jahr der Kulturhauptstadt.
Heute sind es die Kreativen und die Künstler auf denen alle Hoffnung ruht. Doch für 5 Millionen Menschen im „Pott" ist diese Hoffnung (noch) eher vage. Immer mehr Brachflächen an der "Route der Industriekultur" werden inzwischen als Kulturbetrieb wiederbelebt - und schon heute fehlt es an Geld um in all diesen Industrie-Ruinen die Kultur auch tatsächlich am leben zu erhalten. Und dennoch scheint das Konzept Überzeugungskraft zu haben: Schließlich konnte man sich europaweit gegen einige Konkurrenz durchsetzen. Die Zauberformel lautet hier (wie so oft): „Nachhaltigkeit".
Diese Nachhaltigkeit erschließt sich dem skeptischen Betrachter vielleicht am ehesten aus der Distanz: Die Kulturhauptstadt Ruhr ist nur eine Station auf einer langen Reise. Das Ziel heißt: Erfolgreicher Strukturwandel. Das Großereignis soll - nicht nur durch neue Prachtbauten (unter anderem von David Chipperfield) - dem Ruhrgebiet weiteren Schub geben.
Entlang dieser Reise stehen drei Initiativen exemplarisch für den angestoßenen Wandlungsprozess. Diese Initiativen zielten oder zielen darauf ab, den Wandel zu steuern und positiv zu gestalten. Es begann mit der Internationalen Bauausstellung zwischen 1989 und 1999. Dann kam die Kulturhauptstadt 2010. Und die Reise geht weiter: Der nächste große Schritt könnte „Innovation City" heißen - eine Niedrigenergiestadt im Ruhrgebiet, die örtlich entwickelte Zukunftstechnologien präsentiert und die Richtung vorgibt: Hin zu einer grünen „Klimametropole", in der Emissionen eingespart und die alternde Bevölkerung in für sie passenden und ansprechenden Vierteln wohnen kann.
Alle drei Projekte haben gemeinsam: Sie präsentieren die positiven, produktiven Seiten des Strukturwandels, der ansonsten viel Schweiß, Tränen und Arbeitsplätze gekostet hat.
Die drei Projekte zeigen: Es hat auch etwas gebracht.
Die alten Kohleindustrien haben sich zu modernen Energiekonzernen mit enormer wirtschaftlicher Schlagkraft gewandelt. Diese Konzerne bringen nun, neben zahlreichen neuen, grünen und innovativen Unternehmen, die Technologie und das nötige Know-How für eine geplante „Innovation-City" mit. Diese Modellstadt soll zeigen, was das Ruhrgebiet heute kann: Eine klimaneutrale, verkehrsberuhigte Stadt mit hoher Lebensqualität gerade für die alternde Bevölkerung errichten (oder besser: umrüsten). Sie gibt die neuen Tätigkeitsfelder für die Wirtschaft des Ruhrgebiets vor.
Auch die Lebensqualität steigt, seit diese Stadt nicht mehr durch den ständigen Ruß geschwärzt wird. Hier setzte die internationale Bauausstellung Zeichen - beispielsweise mit dem Projekt des neuen "Emscher Landschaftsparks". Dabei wurde die einstige „Kloake des Ruhrgebiets" renaturiert und für die Naherholung aufgewertet - europaweit ein Vorbild für ökologische Regionalplanung. Übrigens war dies gleichzeitig ein erster Schritt in Richtung einer einheitlichen "Stadt" - denn das Ruhrgebiet ist eigentlich drei verschiedenen Regierungsbezirken zugeteilt und alles andere als eine einheitlich regierte Metropole.
Schließlich die Kulturhauptstadt: Während die vorgenannten Initiativen Technologie und Umwelt thematisieren, geht es hier um den Menschen des Ruhrgebiets: Der lebt heute in einer kreativen Stadt, einer Stadt mit großer Kunst und vielen Ideen. Und das schließlich soll das Ruhrgebiet näher an sein Ziel bringen: Kreative Menschen, moderne Technologie und eine lebenswerte Umwelt gehören heute zu den Standortfaktoren, die aus einer alternden Großstadt einen (Wirtschafts-) Standort mit Zukunft machen können.
Bilder: oben: Logo der Kulturhauptstadt, Mitte: Das Dortmunder "U" - ein Symbol der Kulturhauptstadt, unten: Emscher Landschaftspark (Bildquellen: wikipedia, gelsenkirchen.de)