Wie klingt die Musik der Zukunft?

Wie klingt die Musik der Zukunft?

„Panzer“ Minidumper, Holz, Stahl, Kunstharz, Glasfaser, Audioequipment, Sound 2011 H 250 cm x L 350 cm x B 140 cm - via http://www.niknowak.de/images/panzer.htm

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Vielleicht sind diese Symbole aber auch keine Sprache, sondern eine neue Form von Musik. Eine Musik, die weit entfernt ist von unseren etablierten Verstehens- und Hörsystemen.

Um solche neuen Symbole  verstehen zu können, benötigen wir aber erstmal ein grundlegendes Wissen um deren Bedeutungen, aber auch bestimmte Ästhetiken und Wertvorstellungen, die uns sagen, welche Kombinationen jetzt eigentlich schön und welche hässlich sind und was gut und was schlecht ist. Aber ist das jetzt wirklich Musik? Definiert man sie mit einer bestimmten Abfolge von Tönen oder Geräuschen, die immer einen Erzeuger und einen Hörer haben, sicherlich nicht. Aber warum sollte die Musik der Zukunft in solchen traditionellen Pfaden verhaftet bleiben?

Wie klingt also die Musik der Zukunft? Und warum experimentieren eigentlich so wenige Musiker mit den unendlichen technischen Möglichkeiten, die heute zur Verfügung stehen?

Adam Harper, Musikwissenschaftler in Oxford, Querdenker und Blogger liefert in Infinite Music Antworten, die alte Denkstrukturen entstauben und die Sicht frei machen für eine realistische Utopie von Musik. Er greift die Kulturpessimisten beim Schopf und erinnert sie daran, dass Musik mehr bedeutet als organisierter Klang, der sich auf Retro-Phänomene reduzieren lässt. Wie klingt die Musik der Zukunft?

Inspiriert von John Cage, der Anfang der 1960er-Jahre alle uns umgebenden Klänge als Musik bezeichnete, arbeitet sich der Autor durch das Dickicht der oft selbst verschuldeten Beschränkungen und Ideologien, die auch heute noch den Weg zu neuer Musik versperren. Es wird zeitgemäß, aber verständlich philosophiert und es werden neue Begriffe gesucht, deren reale Signifikanten noch gar nicht existieren.

Das klassische Notensystem etwa ist längst überholt, gerade wenn man bedenkt, dass in aktueller Musik weniger die Melodie als der Sound selbst im Vordergrund steht. Der Sound eines Techno-Tracks ist viel zu komplex, um mit Noten beschrieben zu werden, weshalb sich den Begriff Variable aus der Mathematik ausleiht. Das öffnet den Blick auf die unendlich scheinenden Elemente, aus denen Musik besteht. Variablen können bestimmte Sounds sein wie eine 808-Clap, oder auch viel kleinere Parameter wie ein Gitarren-Effekt. Musik ist aber nicht nur Musik. Auch den Kontexten, den „nicht-musikalischen Variablen“ sollte man sich in Zukunft bewusst sein, um sie verändern zu können: Das stille, Husten-unterdrückende Sitzen beim Symphonie-Konzert oder das Tanzen im Club muss nicht selbstverständlich sein.

Und da neue Musik auch ein neues Hören benötigt, ist ein behutsames Heranführen nötig, sonst bleibt man wie am Anfang des Textes erstmal ratlos zurück. Das Neue muss wenigstens in geringem Maße mit dem Alten verknüpft werden. Harper bezeichnet solche künstlerischen Kompromisse als „synthesis“, die Verbindung zwischen dem Bekannten und Unbekannten. Ein aktuelles Beispiel sei Burial, der „archetypische Komponist des 21. Jahrhunderts“ schlechthin, welcher die Verwendung unquantisierter, also nicht genau im Takt stehender Beats perfektioniert hat. Die quirlige UK Dance-Szene sei ohnehin eine Quasi-Avantgarde, die immer wieder neue, unpopuläre Variablen vorstellt, wie etwa die absteigenden Glissandi in Benga & Cokis Night.

Harpers Ansatz ist auch politisch zu verstehen. Er kritisiert vor allem die spätkapitalistische Vorstellung des musikalischen Genies und verweist darauf, dass Musik weder sozial, kulturell noch ideologisch beschränkt sein darf. Die Musik der Zukunft liegt in unseren Händen. fl QjYx-df(&%UeBBC:`´´!“ kdjwef

Text: Phire

Hinweis: Dieser Text ist in etwas abgeänderter Form zuerst in der April-Ausgabe des deutschen Musikmagazins GROOVE erschienen.

Das Buch Infinite Music: Imagining The Next Millennium Of Human Music Making ist bei Zero Books erschienen.


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