Wer bist du eigentlich?

by Nina on 21. März 2016 in #KOLUMNE

Wer bist du eigentlich? Wer bin ich für dich und wer bist du für mich? Wie viel Wert habe ich für dich und du für mich? Was werde ich in all den Jahren für dich sein? Bin ich nicht so etwas wie ein Lebensabschnittsgefährte für dich? Ein anderes Wort fällt mir nicht ein für unsere Beziehung zueinander. Ja ich glaube das Wort Lebensabschnittsgefährte trifft es ganz gut, denn anders leben wir nicht zusammen als das wir eben nur einen bestimmten Abschnitt gemeinsam verbringen. Wir verbringen nicht viel Zeit miteinander. Der größten Teil des Tages verbringen wir getrennt voneinander. Es gibt anscheinend wichtigeres zu tun. Es gibt Dinge denen du mehr Aufmerksamkeit schenkst weil sie für dich wichtiger erscheinen, weil es dir so gezeigt wurde. Du bist ein moderner Mensch der sich der Gesellschaft anpasst und alles dafür tut um mithalten zu können. Du möchtest Aufmerksamkeit, Anerkennung und auch ein Stück vom Kuchen ab haben. Man kann dir keinen Vorwurf machen, denn alle tun das jetzt so und du willst nicht durch das Raster fallen. Du willst mitreden können und kein Außenseiter sein. Deshalb gibst du alles dafür und vergisst bei dem ganzen Stress auf dein Herz zu hören. 

Aber ich bin nicht allein. Es geht vielen ähnlich wie mir. Sie wünschen sich auch mehr Zeit mit dir und wünschen sich die erste und dennoch kurze innige Zeit zurück. Aber wir können nichts dagegen tun und bleiben einfach stark. Wir kämpfen uns durch den Tag und freuen uns auf die kurze am Abend die wir fast gemeinsam verbringen können. Die kurze Zeit am Tag die vielleicht 2-3 Stunden andauert, ist jeden Tag die Zeit auf ich mich am meisten freue. Ich male mir jeden Tag aus wie diese Zeit sein wird. Zeit mit Dir! Doch es ist fast jeden Tag das Gleiche. Wir treffen uns zuhause, freuen uns aufeinander und doch gibt es noch viele Sachen die zu erledigen sind. Du würdest mir sehr gern mehr Aufmerksamkeit schenken doch der Haushalt macht sich nicht allein. Es müssen ja noch die anderen Dinge erledigt werden um den Laden am Laufen zu halten und so wird aus der kurzen gemeinsamen Zeit eine noch kürzere Zeit. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen denn mittlerweile kann ich damit umgehen. Ich habe von Anfang an gelernt, dass ich nicht viel von dir haben werde. Ich habe gelernt, dass ich nicht an erster Stelle stehe, weil die heutige Zeit uns das nun mal so befiehlt. Ich habe gelernt mich allein durchkämpfen zu müssen. Mein Alltag sieht es genauso vor wie deiner. Wir müssen uns durchkämpfen. Genau wie du bekomme ich nicht viel Liebe in der Zeit in der wir getrennt sind. Ich bin fast auf mich allein gestellt und muss mir oft Dinge selbst zeigen und beibringen. Ich versuche meinen Alltag ohne dich zu meistern und das gelingt mir ganz gut. Verzeih mir bitte, dass ich nach einem wirklich langen Tag oft schlechte Laune habe. Ich habe dann oft keine Kraft mehr dir zuzuhören oder irgendetwas zu machen was du mir gerade aufträgst. Ich bin müde, geschafft und auch verletzt. Ich weiß meine Gefühle nicht richtig einzuordnen, denn anscheinend ist es normal so zu leben. Ich weiß nicht mit meiner Wut umzugehen und so lasse ich sie oft an dir aus. Mir wurde nicht oft gezeigt was richtig und was falsch ist, denn keiner nimmt sich wirklich Zeit für mich. Zuhause bist auch du oft geschafft und genervt, kein Wunder nach so einem langen Tag und so geraten wir oft aneinander.

In der Zeit in der wir getrennt sind und unseren Tag bestreiten, bin ich in einer größeren Gruppe. Wir tun alle das was wir jeden Tag tun und machen oft selbst untereinander Regeln aus. Jeder hat seinen eigenen Kopf und so muss ich mich oft gegen meine Mitstreiter durchsetzten können. Ich versuche es oft in dem ich laut werde und einfach meinen Willen durchsetzte, denn anders würde ich in dieser Gruppe untergehen. Also wundere dich bitte nicht, wenn ich zuhause auch so bin, denn die paar Stunden zuhause machen nicht den größten Teil meines Alltags aus. Es gibt zwar ein paar Personen die uns sagen dürfen wo es lang geht aber diese machen oft was sie wollen und sind viel zu selten da um uns zu helfen. Sie versuchen den Überblick zu behalten und passen lieber auf als das sie wirklich mal mit anpacken.

Ich benehme mich zuhause dann eben auch so wie ich es den ganzen Tag gewohnt bin. Ich habe es ja nicht anders gelernt. Niemand hat mir gezeigt wie man sich richtig in dieser Welt und dem Alltag benimmt und deshalb habe ich es mir selbst beigebracht. Wundere dich also nicht das ich zuhause oft mache was ich will. Eigentlich bin ich noch viel zu neu und zu unerfahren um mir selbst Regeln beizubringen aber etwas anderes bleibt mir ja nicht übrig.

Vielleicht würde es anders laufen, wenn wir etwas mehr Zeit miteinander verbringen würden. Vielleicht würde es harmonischer zugehen, weil wir dann mehr Zeit hätten uns gegenseitig zu zeigen was richtig und was falsch ist. Aber die Zeit haben wir nicht und werden wir auch nicht haben. Unsere Zeit ist begrenzt, sie hat ein Ablaufdatum. So wie in einer Beziehung die irgendwann sowieso auseinander geht. Wir gehen irgendwann unsere eigenen Wege und werden uns kaum noch sehen. Noch viel weniger als jetzt und auch das werde ich verkraften. Ich bin es ja nicht anders gewohnt. Wenn sich unsere Wege getrennt haben, werde ich mir nicht viel Zeit für dich nehmen. Es wurde mir eben so gezeigt und beigebracht. Mir wurde gezeigt dass jeder auf sich selbst achten soll und das Anerkennung, Erfolg und Karriere wichtiger sind als alles andere. Ich werde das dann auch so machen und so leben wie du es mir jeden Tag gezeigt hast. Ich werde dich nicht oft besuchen. Vielleicht 3-4 Mal im Jahr, denn ich werde für meinen beruflichen Erfolg alles tun und vielleicht sogar dafür wegziehen. Familie und die Heimat sind doch sowieso nicht wichtig! Keine Sorge, ich werde zu den wichtigen Festen wie Ostern, Weihnachten und deinem Geburtstag da sein, denn das macht man so. Man legt Wert auf die paar Tage oder Feierlichkeiten im Jahr aber man legt keinen Wert auf den Alltag der doch eigentlich so viel wichtiger ist. Egal, die paar Tage im Jahr müssen reichen um die Zeit nachzuholen die man sonst nicht hat. Ich werde also immer pünktlich zu deinem Geburtstag da sein und nach einer angemessenen Zeit, die mein Gewissen beruhigt hat, wieder verschwinden, so wie du es auch immer gemacht hast.

Wer bist du eigentlich?

Wenn du mal alt bist und hilflos wirst werde ich auch nicht da sein. Tut mir leid aber anders kenne ich es ja auch nicht. Ich werde, sobald du nicht mehr richtig laufen kannst oder vielleicht sogar noch mehr eingeschränkt bist, dich auch in eine Betreuungsstätte geben. Keine Sorge, dort wird für dich gesorgt sein. Du wirst Nahrung bekommen, ein Bett und etwas Beschäftigung. Den restlichen Tag wirst du dich dort durchkämpfen müssen, genauso wie ich als ich noch ganz viel Hilfe, Nähe und Zuneigung gebraucht hätte. Du wirst die meiste Zeit in der Betreuungsstätte verbringen in der viele Gleichgesinnte sind. Also geht es dir dort doch eigentlich ganz oder. Du wirst, wenn ich mir dann mal Zeit für dich nehme, schlechte Laune haben und sie an mir auslassen. Du wirst irgendwie versuchen deine Traurigkeit zu zeigen und wirst hoffen das ich dir zuhören werde. Aber ich habe wichtigeres zu tun. Meine Arbeit wird dann rufen und die steht nun mal an erster Stelle. Du hast mir das so beigebracht von Anfang an, also sei jetzt bitte nicht enttäuscht oder sauer auf mich! Irgendwann werden sich unsere Wege dann ganz trennen und dann gibt es kein Zurück mehr…

Weißt du noch, unsere erste gemeinsame Zeit? Sie war so schön! Es gab nur uns beide, niemanden sonst. Wir waren sehr eng miteinander verbunden und alles schien als würde es immer so sein. Du hast immer sofort reagiert. Wenn ich Hunger hatte oder etwas anderes brauchte warst du sofort zu Stelle. Du hast sofort gehandelt und alles dafür getan damit es mir gut geht. Du hast mich Neun Monate unter deinem Herzen getragen und alles deutete darauf hin, dass es noch viel gemeinsame Zeit geben wird und das uns nichts trennen kann. Es schien als würde es immer so sein. Irgendwann kam ich auf die Welt und alles war in Ordnung. Ich war sehr hilflos und auf deine Taten angewiesen. Ich konnte mich auf dich verlassen. Du warst da und ich ahnte ja nicht, dass die wunderschöne Zeit  ein schnelles Ende haben würde. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich von heute auf morgen plötzlich in eine fremde große Gruppe entlassen werde und das ich mich bereits in Windeln und mit Schnuller durch diese grausame und egoistische Welt kämpfen muss. Ich hatte etwas anderes erhofft und doch musste ich mich, genauso wie du, der Gesellschaft anpassen. Das tun wir auch und kommen ganz gut durch doch unser Alltag ist von Unzufriedenheit und Traurigkeit geprägt. Ich wünsche mir einfach etwas mehr Zeit mit dir. Ich finde den Aufenthalt bei den anderen Kindern natürlich schön aber ich wünsche mir, dass der Tag nicht ganz so lang ist und das wir beide mehr Zeit füreinander haben. Vielleicht könntest du mir dann mehr zeigen , dass es in Wirklichkeit auf Familie, Liebe, Gesundheit und vor allem auf Glückseligkeit ankommt. Vielleicht könntest du in dem Lebensabschnitt, den wir gemeinsam verbringen dürfen, einen Gang zurück schalten und mehr Zeit für die Familie investieren. Ich bin ja schließlich nur so lange da bis ich dann auf eigenen Beinen stehen kann und meinen eigenen Weg gehen werde. Keine Sorge, ich werde dir nicht dein ganzen Leben stehlen, ich will nur einen Teil davon haben. Danach hättest du doch wieder genug Zeit um voll durchstarten und nur für den Job leben zu können. Aber Nein! Es muss eben gleichzeitig funktionieren und so werde ich immer wieder den Kampf nach Liebe, Zuneigung und Geborgenheit verlieren.

Also wer bist du eigentlich für mich? Du hast mal auf die Frage geantwortet und mir gesagt das du meine Mutter seist aber so richtig konnte ich deine Antwort in meine Gefühlswelt nicht einordnen…

Nicht alle tun es aber viele. Wir handhaben das gerade so. Wie reizen die tägliche Betreuungszeit gerade voll aus und haben täglich nur ein bis zwei Stunden mit dem Mini. Ich denke immer mehr darüber nach und sehe immer mehr wie falsch das für mich ist. Man kann nichts tun, denn wir müssen ja Arbeiten gehen und Geld verdienen. Wir alle müssen das und doch frage ich mich ob es vielleicht auch einen anderen Weg geben würde. Einen Weg in dem man andere Prioritäten setzt und vielleicht seine Ansprüche für ein paar Jahre etwas zurück schraubt… Ich bin eigentlich gern Mutter und habe mir immer ein Kind gewünscht. Momentan fühlt es sich so an als würde ich mich selbst betrügen und mir selbst etwas vor machen…Aber die Gesellschaft möchte das so und sobald ich mir mehr Zeit für mein Kind nehme als für meinen Job bin ich nicht mehr Gesellschaftsfähig…

Bildquelle: pixabay.com


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