Als Simyo einst als Mutter aller E-Plus Discounter mit sensationellen 19 Cent pro Minute startete, wackelte die deutsche Mobilfunkwelt. 19 Cent pro Minute, 19 Cent pro SMS, das war damals eine Kampfansage an die etablierte Welt mit Minutenpreisen zwischen 29 und 99 Cent. Daten waren damals noch unerschwinglich, die bahnbrechenden 24 Cent/MB kamen erst ein wenig später.
Der einfache Tarif, der einfache Slogan, das kam beim Publikum an. Die Minutenpreise bröckelten weiter, Simyo experimentierte zeitweise mit einem Community-Tarif (5 Cent zu allen andern Simyo-Kunden) und entschied sich dann folgerichtig für den Einheitspreis 9 Cent pro Minute und SMS. „Weil einfach, einfach einfach ist.“
Der nächste Knüller war der Kostenstopp.Den hatte eigentlich kurz zuvor o2 „erfunden“, aber E-Plus setzte ihn bei seinen Discountern mit 39 Euro sehr konsequent um. Man kann telefonieren, sms-en, surfen und bei 39 Euro wird die Kostenbremse eingelegt. (Um genau zu sein: Nicht ganz, denn Mehrwertdienste und Sondernummern sowie Anrufe ins Ausland oder Roaming können nicht dazu gehören, der Reiz es dabei zu „übertreiben“ wäre einfach zu hoch.)
Ganz ehrlich: Der Kostenstopp wird von den meisten Kunden nie erreicht, die telefonieren, sms-en oder surfen laut E-Plus Quartals-Statistik nur um die 6-7 Euro im Monat (sogenannter ARPU) . Da immer mehr Leute immer mehr SIM-Karten besitzen, findet jeden Monat und bei jedem Telefonat ein Kampf statt: Welche Karte, welches Netz verwende ich hier und heute?
Nun bringen Simyo (und Blau) wieder was neues. Komplette Minuten/SMS/Datenpakete für 9,95 bzw. 16,90 Euro. Klingt toll, ist toll oder doch nicht?
Nehmen wir das 200er Paket, mit dem Simyo gestartet ist (Blau folgt im März): 200 Minuten, 200 SMS, 500 MB an Daten und das alles für 16,90 Euro pro Monat.
Rechnen wir ein wenig. Hätte ich keine Option gebucht und würde die im 200er Paket angebotenen Inhalte „normal“ berechnen lassen, käme ich auf stolze 156 Euro!
Schreck bekommen? Es sind natürlich keine 156 Euro, sondern 39 Euro, weil ja bei diesen Summen längst der Kostenairbag gegriffen hätte. Mit dem Paket sparen Sie also im Idealfall 22,10 Euro im Monat, wenn sie den Inhalt komplett ausnutzen aber nicht darüber gehen.
Sollte Sie in einem Monat gar nichts machen, die Option aber gebucht haben, wären 16,90 Euro futsch.
Würden sie mit dem 200er Paket nur 100 Minuten telefonieren, aber nichts an SMS und Daten verbrauchen, hätten Sie 9 Euro ohne Option ausgegeben, also 7,90 Euro „verschenkt“. Hätten Sie 100 SMS, 100 Minuten und 200 MB Daten verbraucht, wären es virtuell 66 Euro, dank Kostenairbag nur 39 Euro, mit dem gebuchten Paket jedoch nur 16,90 Euro gewesen. Auch noch gut.
Uninteressant ist das Paket, wenn Sie Monat für Monat mindestens 433 Minuten vertelefonieren (ohne SMS, ohne Daten), denn dann hätten Sie mit Paket 55,90 Euro ausgegeben, weil der Kostenairbag erst dann greift, wenn Sie 39 Euro über dem Zusatzpaket liegen. Ohne Paket wären es „nur“ 39 Euro gewesen.
Mit dem 100er Paket liegen die Zahlen ein wenig anders, das Kernproblem bleibt aber. Bei null Nutzung sind 9,90 Euro weg. Bei 200 Minuten nur Telefonie zahlen Sie 90 Cent mehr als ohne Option. Bei 200 Minuten Telefonie, 200 SMS und 500 MB Daten zahlen Sie 48,90 statt 39 Euro.
Soll man Simyo nun „böse“ sein? Nun Simyo ist in einer Krise. Die knuffige Idee der echten Einfachheit ist verblasst. Der Markt ist abgegrast, jeder internetaffine Mobiltelefonierer mit Sinn für Community, Web 2.0 und Einfachheit ist schon oder war irgendwann mal Simyo Kunde.
Die Kunden die gegangen sind, haben Simyo trotz grundsätzlicher Symphathie verlassen. Zum einen weil das Netz vor Ort gar nicht oder nur schlecht verfügbar ist, Daten im Stau stecken blieben oder weil schlicht der Service knirscht. Sicher: Es gibt das bis vor kurzem einmalige Simyo-Paten-System, wo Nutzer sich gegenseitig geholfen haben. Aber allzuoft waren es Probleme, die nicht von andern Nutzern sondern von kompetenten Service-Spezialisten mit direktem Zugriff auf den Datensatz des Kunden mit ein – zwei Handgriffen zu lösen gewesen wären oder eine schlichte Auskfunt ob die Sendestation um die Ecke wegen einer Störung oder wegen Netzumbau vorübergehend nicht wie gewohnt verfügbar war oder ob es in der Gegend, wo der Kunde ins Netz wollte, noch gar keinen Sender gibt.
Oder Kunden, die schlicht und ergreifend einen BlackBerry nutzen wollten, das geht „prepaid“ aber nach wie vor nur bei Vodafone D2. Sonst in Deutschland bei niemandem. Auch bei Telekom und o2 nicht. Ich verstehe es nicht. Haben da die Marketing-Profis einfach nur tief geschlafen?
Krisen lösen die Kostenrechner gerne durch Sparmaßnahmen oder durch neue Angebote, die viel Einnahmen bei minimalen Kosten versprechen. Je komplizierter die Tarife werden, desto höher steigt das Unbehagen der Kunden und desto schneller sind sie fort, zumal Simyo auf mitdenkende und intelligente Kunden setzt.
Kürzlich wurde in neues Prepaid-Produkt auf Voice over IP Basis am Handy vorgestellt. Nicht von Simyo, sondern von der Schwester „Blau“, die sich eigentlich durch Vertriebswege im kleinen und großen Handel viel breiter und eher als Marke für die preisbewußte Masse aufgestellt hat. Ausgerechnet Blau bringt diese App, wo man zu Blau-Tarifen auch über VoIP am Handy telefonieren kann – wenn der Original-Netzanbieter, bei dem man noch Kunde ist, das nicht irgendwie zu verhindern versucht.
Simyo – so war auf den Fluren zu hören – würde gerne die Festnetz-Rufnummer („Bundesweite Homezone“) anbieten, die E-Plus seinen BASE-Kunden mit 13 Jahren Verspätung schaltet, aber dennoch nicht zu spät. Dem Vernehmen nach könne Simyo das nicht bekommen, weil das Mutterhaus E-Plus um die Attraktivität seines BASE Angebotes fürchtet. Andere Quellen wollen hingegen gehört haben, daß „Blau“ das Angebot abgelehnt hätte, weil 5 Euro pro Festnetznummer inkl. aller ankommenden Verbindungen als „zu teuer“ empfunden worden sei.
Nanu? Ich kenne einige Kunden, welche die „bundesweite Homezone“ gerne genommen hätten. Auch für 5 Euro im Monat.
Vielleicht ist es Zeit für einen neuen wirklich „einfachen“ Anbieter? Oder vielleicht bekommen die orangenen Mobilfunker aus Düsseldorf mit steigenden Temperaturen neuen Schwung in die Sache. Er wäre ihnen zu wünschen.
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