Subjektive Eindrücke von Windows Mobile mit dem Lumia 800

Als Nokia seinen Abschied von Symbian und seine Ehe mit Microsoft und die Hinwendung auf Windows Phone 7 verkündete, traf das die Branche wie ein Donnerschlag. Denn es gab andere Zeiten.

Nokia Lumia 800

Das Lumia 800 von Nokia

Wer erinnert sich noch an den legendären Nokia Manager Anssi Vanjokki, der auf die Frage, ob Nokia irgendwas mit Microsoft Windows Mobile machen wolle, mit schneidendem Ton den Frager in den Senkel stellte: „Wir haben keine Absicht, so etwas zu tun!“ (und unausgesprochen im Raum schweben ließ: Wie kannst Du es überhaupt wagen, so eine Frage zu stellen?)

Microsofts eigene HandyVersuche waren anfangs verlächelt und verspottet worden, dennoch schlugen die ersten „brauchbaren“ Geräte wie der XDA von o2 oder der MDA von T-Mobile wie eine Bombe in den Markt ein. Windows Mobile Version 6 ist heute noch bei Industrieanwendern sehr populär, die ihre Handhelds mit Prozessautomatisierungen oder Lagerhaltungssystemen verknüpfen, da gibt es einige Anwendungen, die recht gut laufen, warum sollten sie wechseln und vor allen Dingen wohin?

Windows Mobile mit Kacheln (engl. Tiles) - Foto: Nokia

Und nun also Windows Mobile 7, aktuell 7.5 Codename „Mango“. Da ist für den Anwender alles neu. Das Handydisplay zeigt große Kacheln, zwei in einer Reihe und der Rest untereinander angeordnet. Viel Text in verschiedenen Größen, ein Touchscreen, mit dem man nach etwas Übung erstaunlich gut zurecht kommen kann.

Für Nokia findet ein dramatischer Paradigmenwechsel statt. Ein Windows 7 Phone ist ein Windows 7 Phone, wer es herstellt, sieht man nur am Typenschild, denn die Software und damit die Benutzerschnittstelle ist bei allen Geräten quasi gleich.

Ok. Nokia liefert seine legendären Nokia Maps mit mit lebenslangen kostenlosen Updates mit. Aber sonst? Früher stand Nokia für unschlagbar klare Bedienung, die mit fortschreitender Entwicklung bei Serie 40 und Symbian Serie 60 immer komplizierter und komplexer wurde, dennoch wurden die Geräte dafür geliebt. Früher stand Nokia für schräge Designs, die ein „Unmöglich“ beim Betrachter auslösten, aber am Ende doch gerade deswegen gekauft wurden. Und heute? Ist die Form durch Software und Funktionen weitgehend festgelegt.

Dann kam der Touchscreen, der zunächst einmal schick aussieht, aber Praktiker und echte Anwender schwören nach wie vor auf echte Tastaturen. Folglich lächelte Nokia nur über Apple’s iPhone und die Androiden von HTC und andern. Die Tastatur könnte durch Spracherkennung wie „Siri“ (von Apple übrigens) in Teilbereichen abgelöst werden, aber wollen Sie immer gut hörbar in der Öffentlichkeit Ihre e-mails und Memos diktieren, anstatt leise vor sich hin zu tippen?

Das Betriebssystem Symbian ist eigentlich weit gereift, aber alt, etwas behäbig und vielleicht ein wenig langweilig geworden, vielleicht aber lag es die ganze Zeit auch an Nokias eigene Sicht der mobilen Welt und die immer stärker spürbare gnadenlose Ausrichtung auf Effizienz und Kostensenkungen. Solche Aktionen wie die (im Nachhinein nicht sonderlich sinnvolle) Schließung eines Werkes in Bochum (und der Bau eines wohl wieder geschlossenen Werkes in Rumänien) oder der von manchen Kunden als „holprig“ wahrgenommene After-Sales-Service, kamen da nicht gut an.

Apple wählte den Weg der exklusiven, sprich geschlossenen Gesellschaft. Apple iPhone gibts nur von Apple und man muß in deren Welt tief eintauchen und nach deren Regeln mitspielen oder man bleibt draußen. Das Apple-Konzept funktioniert bislang ganz gut, weil die iPhones wirklich genial einfach zu bedienen sind.

Eine neue Generation schwört auf Android und die zahlreichen Möglichkeiten, die Google bereitsstellt. Android ist offener, man kann mehr selbst machen, aber auch da gibts Grenzen. Gegen Android spricht eine undurchsichtige Software-Update-Politik, denn jeder Handyhersteller kann entscheiden, ob er Updates des Kernsystems seinen Kunden zum Nachladen anbieten will oder nicht, weil die Anpassungen an die ‘Hardware sind speziell und daher laufen nicht alle Updates sofort.
Den „Root“-zugriff geben nur wenige Android-Handy-Hersteller, denn dann kann sich ein kundiger Anwender die Updates vielleicht selbst besorgen, was aber nicht immer ganz trivial zu installieren ist.

Bei Windows Phone 7 geht man jetzt auch den Weg der geschlossenen Gesellschaft. Microsoft schreibt den Herstellern harte technische Anforderungen an die Handys ins Pflichtenheft und das ist gut so. Denn jetzt läuft Windows Phone flüssig und flott. Was bei Symbian-Handys mitunter zur Qual werden kann, weil zu langsame Prozessoren verbaut wurden, ist bei Windows Phone bislang nicht zu beobachten.

Der Nachteil der schnellen Prozessoren und brillianten ist der Stromverbrauch. „Man muß sein eigenes Atomkraftwerk mitnehmen, weil der Akku laufend leer ist“, dieses Zitat eines Branchensprechers bringt es auf den Punkt. Einfache Telefone mit Serie 30 oder 40 von Nokia können mit einer Akkuladung eine Woche oder länger locker auskommen. Mit einem Hochleistungsphone wie dem Lumia 800 ist je nach Anwendungsszenario nach 1 oder maximal 2 Tagen „Aufladen“ angesagt. Ist keine Steckdose und kein energiespendender Laptop zur Hand, muß man sich ein Zuatzbatteriepack kaufen, welches über das Handykabel den Akku im Gerät auflädt. Energieeffizienz ist anders.

Der Einstieg … braucht Zeit.

Wer mit dem Nokia Lumia 800 oder einem seiner Brüder arbeiten will, muß sich dafür erst mal 1-2 Stunden Zeit nehmen, um sein „Öko-System“ einzurichten. Batterie und SIM- und Speicher-Karte ins Handy einlegen und loslegen ist nicht.

Erstens hat das das Lumia 800 einen festeingebauten Akku. Das hat man vom iPhone abgeschaut, auch die notwendige Micro-SIM-Karte kam erstmalig bei einem iPhone zum Einsatz. Und Speicherkarten, sie Micro-SD-Karten nimmt das Windows-Phone (wie auch das iPhone) auch nicht. Entweder der Speicher im Handy (16 GB) reicht, oder man muß aufräumen, dazu später mehr.

Das Auspackerlebnis beim Lumia 800 erinnert mich irgendwie stark an die Apple-Verpackungen: Viel design-gefaltetes Papier (hier in schwarz) , die gleiche Art die Kabel aufzuwickeln und mit stabiler Klarsichtfolie zu verpacken, die zusätzlichen Papierschachteln im Karton für spärliche Dokumenten und üppige Garantie- und Sicherheitsunterlagen in 40 Sprachen, ein Miniatur-Netzteilchen, das einen Standard USB Ausgang hat, wo das mitgelieferte USB-Verbindungskabel zum Handy, das EU-Norm-gerecht mit einem Micro-USB-Stecker endet, angeschlossen wird.

Die Datenübertragung vom heimischen PC zum Handy und zurück ist schon mal stark eingeschränkt, aber Sie werden das Kabel dennoch brauchen.

Um das Handy nutzen zu können, brauchen Sie einen internetfähigen PC, wo sie einige Konten vorher eingerichtet haben sollten: Eine „Windows Live ID“ (früher hieß die mal MSN-ID). Eine Google-Kennung (am besten mit einer e-mail Adresse bei Googlemail oder wenn Sie früh genug dran waren bei Gmail), die sie auch für Google Plus und zahlreiche Dienste wie „Contacts“ oder „Calendar“ und so weiter nutzen können. Eine Xbox-ID, die Sie dann brauchen, wenn Sie mal ein Spielchen wagen können, Spielstände werden im Netz gespeichert, Sie können dann u.U. auch auf der heimischen XBox weiter spielen oder im Netz gegen heimische Spieler antreten – je nach Spiel. Meine Welt ist das nicht, aber „Angry birds“ beispielsweise haben eine weltweite Fangemeinde.

Auf Ihrem PC dürfen Sie das Megaschlachtschiff „Zune“ installieren, aktuell ist die Version 4.8 (rund 100 MB Download). Ihr Phone kommuniziert teilweise nur via Zune, beispielsweise, um bestimmte Software-Updates auf das Handy zu spielen, teilweise geht es auch über die Funkverbindung (WLAN/WiFi oder Mobilfunknetz) Voraussetzung für Zune ist ein PC mit mindestens Windows XP Service Pack 3 und allen Updates, das sollten sie schon aus sicherheitsgründen beherzigen, unter Windows Vista oder Windows 7 gilt das gleiche, immer alles aktuell halten.

Das Handy will nach dem Einschalten den PIN-Code der SIM-Karte, fragt Sie nach Aufenthaltsland, Sprache und vielen Dingen wie den Zugangsdaten der WLAN-Verbindung, e-mail-Adresse, und wenn Sie ein Google-Konto haben, können Sie ihre Kontakte, Termine und e-mails elegant auf das Lumia 800 synchronisieren. Eine Software, die beispielsweise direkt am PC die Daten von Microsoft-Outlook mit dem Phone synchronisiert, gibt es bislang – soweit mir bekannt – nicht.

Auch private Dateien auf das Handy zu verschieben, geht so einfach nicht. Hilfreich ist bei Telekom-Kunden die sich ein Lumia 800 kaufen, die Applikation „Mediencenter“, die ab Werk schon installiert. Dann können Sie ihre Daten über die Telekom Cloud (früher hieß das schlicht T-Online Medien-Center) vom Handy zum PC auslagern oder vielleicht auch umgekehrt.

Ihre Musik auf dem PC synchronisiert das Zune Schlachtschiff, immerhin.

Bis Sie alles eingerichtet haben, kann das so eine Zeit dauern, zumal Sie erst mit der Touchscreen-Tastatur warm werden müssen. Ein Microsoft Exchange Konto bekamen wir nicht eingerichtet, entweder weil auf dem Exchange-Server noch ein SSL-zertifikat fehlte oder weil das Time-Out zu lange war, die Einrichtung brach nach einer gewissen Zeit ohne Fehlermeldung einfach ab.

Doe Verarbeitung des Lumia 800 ist hochwertig, im Karton wird sogar ein Latex-Gummi-Schutz für das Handy mitgeliefert, der vor Schrammen und Kratzern an den Kanten bewahren kann. Die Micro-USB-Anschlußbuchse befindet sich unter einer Klappe, die man per „Knopfdruck“ öffnen kann, daneben ist eine weitere Klappe, die zur SIM-Karte führt. Weitere Anschlüsse gibt es – außer einem Klinkenstecker für eine Kopfhörer/Mikrofonkombination nicht.

Wie beim heimischen Windows PC ist es wichtig, regelmäßig alle Updates auf das Handy zu spielen. Das kann je nach Update wenige Minuten oder auch mal ne halbe Stunde dauern.

Apps erwerben Sie im Appstore mit der „Live ID“, beim KAuf kann dem Handy ein Gutschein über den kostenlosen Bezug erster Apps beiliegen, viele Apps, die sie von Android oder Apple her kennen, gibts auch in der Windows Mobile Welt und täglich werden es mehr.

Blauzahn verbindet… nicht immer

In meinem Auto ist eine Bluetooth Freisprecheinrichtung von THB-Bury verbaut, die hinsichtlich des Verbindungsaufbau ihr Eigenleben führt. Zu bestimmten BlackBerrys geht es tadellos, insbesondere ältere Versionen, neuere Versionen trennen die Bluetooth-Verbindung nach eingegangenen Gesprächen, warum auch immer. Das Nokia Lumia 800 verband, aber ein freisprechendes Telefonieren klappte – warum auch immer nicht.

Ein Fazit:

Wer sich auf Windows Phone 7 einläßt, muß umdenken, sich dafür zeit nehmen, die neue bunte Welt zu begreifen. Wer noch ein gut laufendes Symbian Telefon von Nokia hat und damit glücklich ist, kann gerne noch eine Weile warten.

Wird die Ehe mit Microsoft auf die Dauer wirklich ein Erfolg? Oder hat Nokia beispielsweise mit dem Kauf des Handy-Betriebssystemhersteller „Smarterphone“ (auf Linux Basis) sich ein Hintertürchen offen gelassen?

Wird Symbian wirklich ganz vom Markt verschwinden?

Oder wird es eines Tages doch noch ein Nokia-Telefon mit Android geben?

Oder kommt am Ende ein ganz anderes Betriebssystem?

Vor Jahren hätten eingefleischte Nokianer dazu laut „Völlig unmöglich“ gerufen.

Und heute: Die Zeiten ändern sich. Nokia muß aufpassen, daß es seinen unverwechselbaren Charme des etwas „eigenwilligen finnischen Herstellers“ nicht verliert. Sonst besteht erhöhte Verwechslungsgefahr. Die nachwachsende Handy-Generation könnte mit den Namen Nokia bald nicht mehr viel anfangen.

Nokia: Das stand für auswechselbare ladbare Klingeltöne, wechselbare Oberschalen oder verrücktes Design, für Musik auf dem Handy und war einst bei der Jugend angesagt. Und heute?

Handys herstellen, können viele, darunter viele Super-Niedrigstlohn-Waschküchen im internationalen Vorwahlbereich +8. Von dort kommen Android-Geräte für unter 100 Euro und haben zum Teil schon zwei SIM-Karten-Steckplätze, einem Alptraum für hochpreisige Netzanbieter. Und: Ein Handy ist etwas persönliches. Wenn ein Hersteller den persönlichen Geschmack des Kunden nicht trifft oder verwechselbar wird, kauft der sich halt was anderes oder… warum auch nicht… bleibt bei seinem altbewährten Handy, solange das noch spielt.

Windows Mobile 7.5 Telefone von Nokia:

Lumia 710:

Preiswertes Einsteigergerät für knapp 350 Euro (ohne vertrag, inkl. Steuern), Testbericht bei Teltarif.de

Lumia 800:

Hochwertiger Erstling mit Windows Mobile 7.5 für knapp 450 Euro (ohne Vertrag)
Ab 4,95 Euro mit Vertrag (z.B. Telekom Complete Mobil XL ca. 90 Euro/Monat) oder 79,95 Euro (eimalig) mit Tarif Telekom Complete Mobile Special (44,95 Euro im Monat) Siehe http://www.telekom-mobilfunk.de alternativ auch bei Vodafone, o2, Mobilcom Debitel oder im „freien“ Handel erhältlich.

Lumia 900:

Brandneues Modell mit LTE-Unterstützung. Derzeit noch nicht lieferbar.

 

Tags: Lumia, Lumia 800, Microsoft, Nokia, o2, Symbian, Telekom, Test, Vodafone, Windows, Windows Mobile


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