Weiblicher Schamanismus: Tanz der Energien

Weiblicher Schamanismus: Tanz der Energien
Von Evelyn Thriene
Kim Keun Hwa, Meisterschamanin aus Korea, praktiziert einen zeremoniellen Ritus, der auf einer 5 000 Jahre alten Tradition beruht. Die 81-Jährige ist weltberühmt. Wenn sie in ihrer Heimat für das ganze Land ein schamanisches Ritual anbietet, kommen bis zu 50 000 Menschen. Die spirituellen Wurzeln Koreas sind tief in der Bevölkerung verankert. Dorfgemeinschaften praktizieren den Schamanismus für gute Ernten, erfolgreichen Fischfang und andere Gemeindeaufgaben. In Süd-Korea arbeiten aktuell 200 000 Menschen mit schamanischen Ritualen, darunter wenige Männer. Im bayerischen Chieming lebte jüngst eine asiatische Oase auf, inmitten eines ländlichen Idylls: Das ganztägig durchgeführte Ritual zeigt Tradition als Überlebensventil und Bereicherung für die moderne Zivilisation.
Der koreanische Schamanismus ist weiblich. Vielleicht waren die schamanischen Heilerinnen deshalb traditionellerweise in ihrem Berufsstand nicht sehr angesehen. Doch das Blatt hat sich gewendet. Der Schamanismus ist eine feste spirituelle Größe in Korea und die Welt interessiert sich dafür. In Deutschland wird er bekannt durch das „Institut zur Verbreitung des koreanischen Schamanismus“ in Bayern, geführt von der Schamanin Andrea Kalff, die von Kim Keun Hwa initiiert wurde.
Die weibliche Kraft – Verbindung zwischen Himmel und Erde
Am Ort des Geschehens ist ein großer Altar errichtet. Darauf finden sich üppig befüllte Teller mit bunten Früchten – Äpfel, Melonen, Ananas, Pflaumen, Mandarinen, Kiwis – Brot, Bier und Kunstgebilde aus Papier in Blumenform, weiße und verschiedenfarbige, die das Tableau schmücken. Es sind Opfergaben. An der Wand hängen traditionelle koreanische Bilder. Der Raum wird noch einmal penibel gereinigt und die Meisterschamanin und ihr Ritual-Team, Schamaninnen, Musiker und der Zeremonienmeister, legen farbige Roben an.
Die Zeremonie beginnt unter freiem Himmel mit Trommeln, Gesang und Glockenklang sowie der Anrufung des Spirit, eine Einladung an das Geistige teilzunehmen. Dann wechseln sich den ganzen Tag über Tanz, Gesang, Musik, die Rezitation von Beschwörungen und der Einsatz von Räucherstäbchen und Wasser ab. Der Ablauf ist genau festgelegt und die Choreographie entfaltet sich in rasantem Tempo. Die Tänze, die manchmal an die von Derwischen erinnern, werden vom Schwingen von bunten Tüchern und Fahnen begleitet. Einen Höhepunkt bildet die Kontaktaufnahme mit den Ahnen aus einem Trance-Zustand heraus. Schamaninnen stellen eine Verbindung zwischen „oben und unten“ her und klären eine komplexe Lebenssituation.
Die Rückkehr zur Liebe – Heilung einer Mutter-Tochter-Beziehung
Das Ritual findet zu Gunsten einer Mutter-Tochter-Beziehung statt. Vorbereitend hatte eine Schamanin Daten zur Familienkonstellation aufgenommen, die in ein Schriftbild verwandelt werden. Dieses ist konstant Teil des Rituals. Denn die Heilung einer Zweier-Konstellation geschieht nicht ohne die Familiensituation bis weit in die Vergangenheit hinein miteinzubeziehen und zu beleuchten. Abwechselnd werden Tochter und Mutter, mal singulär, dann wieder gemeinsam, in das Ritual herein gezogen. Das Hauptaugenmerk gilt der 16-jährigen Tochter. Sie wird Teil des rituellen Ablaufs und durchläuft in diesen Stunden eine energetische Wandlung. In der Pause wird ihr gelöster Gesichtsausdruck sichtbar. Die Spannungen schwinden mehr und mehr und am Ende sind Mutter und Tochter miteinander versöhnt. Im Mittelpunkt stehen Channelings von Ahnengeistern rund um die Kernfamilie. Mutter und Tochter versöhnen sich durch die Botschaften aus dem Jenseits zuerst mit ihrer Lebensgeschichte und finden dann zur Gemeinsamkeit zurück.
Der schamanische Rhythmus – Tanz der Energien
Die Präsenz von Klängen, Farben und Bewegung bringt eine starke magische Ausstrahlung der ganzen schamanischen Gruppe mit sich. Die harmonische Farbgestaltung der wechselnden Roben und Hüte sind ein ästhetischer Augenschmaus, das wiederkehrende Verbeugen vor dem Altar vermittelt Sakrales. Der Ort ist dem Alltag enthoben. Der Reigen sich wiederholender Elemente, vor allem Gesang und Tanz, rhythmisieren das Geschehen. Die anwesenden BeobachterInnen können an der Trance teilhaben und den Wechsel der Energien erspüren. Wenn die Meisterschamanin wirkt, entsteht eine so hohe Energie, dass der Berichterstatterin die Tränen in die Augen aufsteigen. Das Einschwingen auf das Ereignis führt vom Alltagsbewusstsein weg.
Der Rhythmus bringt einen ständigen Wechsel hervor. So können die AkteurInnen und die Anwesenden eine so lange Zeit am Ereignis teilnehmen. Auf der „Bühne“ wirken in der szenischen Darstellung die so unterschiedlichen Schamaninnen mal anmutig, mal kraftvoll, aber immer ganz in ihrer Würde. Ein Hauch von Hohepriesterinnen evoziert das alte weibliche Wissen vom Heilen. Es vollzieht sich Unerklärliches. Tanzelemente mit scharfen Klingen von traditionellen Messern verletzen die Schamaninnen trotz Eindringen in ihren Leib, Zunge, Beine und Arme, nicht. Es fließt kein Blut. Der Tanz der Energien hält alle in seinem Bann.
Die Urkraft schamanischer Riten – Begleitung im Alltag
Von der koreanischen Frühgeschichte bis heute: Vom Buddhismus beeinflusst, aber in seiner Urform erhalten lebt der Schamanismus eigenständig weiter. In der Agrargesellschaft lag die Betonung auf der Bindung zur Natur und die Begleitung durch das Jahr, in der Industriegesellschaft wird kein Gebäude seiner Bestimmung überführt, ohne das uralte Ritual zu pflegen, wobei ein Tisch mit Opfergaben dazugehört. Ein Schweinekopf oder ein ganzes totes Schwein als eine solche Gabe ist unverzichtbar. Über das Schwein werden negative Energien vertrieben. Kunst und Musik sind vom Schamanismus beeinflusst worden. Aber vor allem liegt seine Verwurzelung im Alltag. Er ist ein Weg menschliche Probleme zu lösen, indem Mensch und Geister (Ahnen) zusammengeführt werden. In der Heilung und im zwischenmenschlichen Verständnis liegt die Kernkompetenz der Schamaninnen. Zahlreiche Heilvorgänge sind nachgewiesen.
INFOKASTEN:
Andrea Kalff, erste Europäerin, die von Kim Keun Hwa in den traditionellen koreanischen Schamanismus berufen wurde; Zusammenarbeit mit ÄrztInnen, PsychologInnen und TherapeutInnen, Mitglied im Dachverband für Geistiges Heilen (DGH)
Institut zur Verbreitung des koreanischen Schamanismus, Chieming / Bayern
Mobil: 0179-4731353
http://www.andreakalff.com

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