Kochen im eigenen Saft war gestern! Raus aus den bequem eingerichteten Kuschelecken im Web und ab ins Tageslicht mit euren tollen neuen Rezepten! Das war eine der deutlichsten Botschaften an die 3.000 Besucher der zurückliegenden Republica in Berlin. Einen schmerzhaften Tritt vors Schienbein, wenn auch versüßt mit guten Gags, bekam die Internetgemeinde gleich am ersten Abend von Chefirokesen Sascha Lobo. Der beschwerte sich lautstark darüber, dass die Presse immer nur ihn anruft, wenn es ums (Social) Web geht (schade, dass ich zu der Zeit noch im Flieger saß!).
In eine ähnliche Kerbe schlug der Blogger Markus Beckedahl mit der Gründung der Lobbyorganisation digitale Gesellschaft (eine Aktion, die Sascha Lobo offenbar nicht so doll findet). Zum Schmunzeln war es schon, dass am zweiten Tag im Friedrichstadtpalast ausgerechnet der altgediente IBM-Chef-Querdenker Gunther Dueck die Zuhörer besonders mitriss mit seinem brillianten Vortrag, in dem er die versammelte Web-Avantgarde ebenfalls dazu aufforderte, die Bauchnabelschau zu beenden und sich stattdessen aktiv am notwendigen gesellschaftlichen Umbau zu beteiligen. Unbedingt anschauen!
Gut gefallen hat mir auch der Vortrag von Flattr-Gründer Peter Sunde, den er übrigens barfuß absolvierte (vielleicht sollte ich das auch mal ausprobieren?!). Dass der Micropayment-Webdienst gar nicht so einfach zu erklären ist, zeigt dieses Video. Was ist ein Kontrollverlust? fragte am Freitag Michael Seemann, der sich mit diesem Thema seit über einem Jahr auch auf dem gleichnamigen Blog befasst. Die anschließende Diskussion drehte sich vor allem um die Frage, ob Organisationsformen wie die repräsentative Demokraktie bzw. hierarchische Ordnungen in Zukunft immer mehr von vernetzteren und beweglicheren Formen der Interessenvertretung abgelöst werden. Ich glaube ja, und das gilt auch fürs Business! Danach sorgte Sascha Pallenberg in der Kalkscheune für sehr gute und informative Unterhaltung mit seinem Vortrag über Youtube als Zukunft des Bloggings.
Und sonst? Wie im vergangenen Jahr war es viel zu eng auf der Republica, über neue Räume für die Veranstaltung wird aber gottseidank schon nachgedacht. Die teilweise ziemlich harsche Kritik an der Veranstaltung teile ich allerdings nicht. Wie 2010 gab es genügend inhaltliche “Schmankerl” mitzunehmen, ganz abgesehen von dem klasse Networking, das die Republica ermöglicht. Fazit: Wenn ich bis dahin nicht unter die bekennenden Offliner gegangen bin, bin ich im nächsten Jahr wieder dabei.
Foto: Daniel Domscheit-Berg stellt das Projekt “Openleaks” vor (danke an @literaturpapst)