Was ist Hefewasser und was kann man damit anstellen?

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    Jeder, der sich ernsthaft mit dem Thema Brotbacken im Allgemeinen und Sauerteig im Speziellen beschäftigt, wird früher oder später auf das Thema Hefewasser stoßen. Ich muss zugeben, dass ich das Konzept Hefewasser zunächst für einigermaßen überflüssig und esoterisch gehalten habe. Wieso Hefewasser verwenden, wenn es Sauerteig auch tut? Am Ende haben mich die Neugier und der phantastische, jedoch leider mittlerweile stillgelegte, Blog Bernds Bakery dazu bewogen, das Backen mit Hefewasser auszuprobieren.

    Was soll ich sagen? Ich bin begeistert. Bisher waren alle ausprobierten Rezepte absolut überzeugend. Geschmack und Textur gewinnen mit Hefewasser deutlich. Der Ofentrieb legt ordentlich zu. Damit ist Hefewasser die nahezu ideale „Ofentrieb-Versicherung“ für alle diejenigen, die ihren Sauerteig auch mal eine Woche ungenutzt im Kühlschrank stehen haben. Außerdem befriedigt die Zucht von Hefewasser den menschlichen Spiel- und Kümmertrieb ungemein. So verrückt es klingt: die Faszination, gemeinsam mit meinem kleinen Sohn zu beobachten, wie sich die guten Bakterien gegen die bösen durchsetzen und das Rosinenwasser zunehmend an Aktivität, sprich: Blubber, gewinnt, war enorm. Und wir hatten jede Menge Spaß, morgens als erstes in der Küche das Glas anzusteuern um zu testen, wie die kleinen Rosinen-Arbeiter über Nacht an Kraft und Aktivität zugelegt hatten.

    Da es sowohl bei Bernds Bakery als auch beim Brotdoc sehr gute und vollständige Ausführungen zu den Hintergründen und zur Funktion von Hefewasser gibt, fasse ich mich hier mit der Theorie sehr kurz und beschränke mich kurz und knapp auf die wesentlichen Punkte, die man operativ wissen muss…

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    1. Worum geht es überhaupt?

    Hefewasser ist eine natürliche Alternative bzw. Ergänzung zu industriell hergestellter Hefe und/ oder Sauerteig. Man macht sich dabei natürliche Hefen und andere Mikroorganismen zunutze, die sich auf den verwendeten Trockenfrüchten sowie im Honig/ Zucker befinden. Denn dieses Mikroorganismen sind in der Lage, die alkoholische Gärung einzuleiten – mithin die Grundlage fürs Brotbacken.

    Im Vergleich zu industriell gefertigter Hefe hat Hefewasser genau einen Nachteil: es ist anspruchsvoller im Handling. Denn Hefewasser mag es warm, und es braucht etwas Zeit und Aufmerksamkeit bei der Herstellung wie bei der Pflege. Darüber hinaus hat Hefewasser nur Vorteile: denn Brote mit Hefewasser sind solchen mit industrieller Hefe sowohl im Geschmack als auch in der Textur deutlich überlegen. Außerdem halten sie besser frisch.

    2. Wie funktioniert es?

    2.1 Ansetzen

    Ähnlich wie bei Sauerteig und bei Lievito Madre führen auch beim Hefewasser viele Wege nach Rom. Allen Wegen gemein sind jedoch sechs Punkte:

    1.) Zutaten mit aktiven Hefen und Bioorganismen
    Man benötigt geeignete Zutaten um die alkoholische Gärung in Gang zu bringen. Diese Zutaten sollten möglichst nicht bzw. möglichst wenig industriell bearbeitet sein, denn die Industrie denkt in Effizienz und niedrigen Prozesskosten. Da hat Natürliches keinen Platz. Gut eignen sich z.B. getrocknete Korinthen, Pflaumen oder Aprikosen. Die Früchte sollten bio sein und nicht geölt.

    2.) Honig, unraffinierter Zucker
    Bio Honig und unraffinierter Zucker enthalten Enzyme, die den Gärprozess unterstützen. Ich nehme Honig.

    3.) Wasser
    Das Wasser sollte wenig, besser kein Chlor enthalten, denn Chlor hemmt den Gärprozess. Entweder man kocht das Wasser aus dem Kran ab oder man nimmt stilles Wasser aus der Flasche. Dieser Punkt ist sehr wichtig. Ich habe bei einem meiner ersten Auffrisch-Versuche aus Versehen nicht das abgekochte Wasser sondern Wasser aus dem Kran verwendet. Das Hefewasser hat in den folgenden Tagen deutlich weniger Aktivität entwickelt als bei den Versuchen mit abgekochtem Wasser.

    4.) Temperatur zwischen 24 und 30 Grad Celsius
    Ähnlich wie Sauerteig mag es Hefewasser warm. Mein erster Versuch im Sommer vergangenen Jahres bei 21 Grad Raumtemperatur ist auch prompt gescheitert. Die Temperatur ist demnach entscheidend. Wesentlich kühler als 24 Grad darf es nicht sein.

    5.) Grundlegende hygienische Standards
    Versteht sich von selbst. Es soll ja nicht schimmeln. Nach meiner Erfahrung ist es jedoch nicht notwendig, Gefäße oder Löffel abzukochen. Sorgfältig heiß abspülen und sauberes Arbeiten reicht völlig aus.

    6.) Ein passendes Gefäß
    Im Internet, insbesondere beim Brotdoc, wird wild diskutiert zum Thema PET- vs. Glas-Flasche. PET enthält Weichmacher und wer-weiß-was-noch. Glasflaschen könnten dem Druck nicht Stand halten. Ich nehme Bügelgläser ohne Dichtung. Das klappt super. Falls Ihr Euch doch für die Glasflasche entscheidet: VORSICHT!!!! Handelsübliche Wasserflaschen u.ä. sind für den potenziell erreichbaren Druck nicht ausgelegt!

    Basisrezept Erst-Ansatz

    3 EL nicht-geölte Bio-Korinthen o.ä. (s. oben)
    1 EL unraffinierten Bio-Rohrzucker (oder 1 TL Bio Honig)
    500 ml Wasser abgekocht und abgekühlt

    Korinthen, Honig und Wasser in ein Bügelglas mit 1 Liter Fassungsvermögen geben. Gut verrühren und dann ohne Gummi verschliessen.

    Das Glas vier bis fünf Tage an einem warmen Ort (ohne direkten Sonneneinfall) stehen lassen. Gut eignet sich im Winter das Fensterbrett über einer Heizung.

    Alternativ in den Backofen stellen, die Backofen-Lampe anstellen und die Tür einen Spalt offen lassen. Bei den ca. 28 Grad, die dann im Backofen herrschen, dauert die Prozedur nur ein bis zwei Tage.

    Einmal am Tag gut umrühren. Es reicht auch, wenn man das Glas ordentlich durchschüttelt.

    Wenn alles gut läuft, beginnen die Korinthen spätestens am zweiten Tag auf- und abzusteigen. Außerdem bilden sich erste dezente Bläschen.

    Nach fünf Tagen (bei der 24 Grad-Variante) ist der Prozess abgeschlossen. Dann riecht das Hefewasser deutlich alkoholisch, etwas nach Apfel und in Summe nach einer Mischung aus Bier, Cidre und einem – zugegeben nicht allzu guten – Champagner. Es darf kein Schimmel zu sehen sein!

    Wer sich nicht sicher ist, ob der Prozess bereits abgeschlossen ist, mischt 10 g Hefewasser mit 10 Mehl und bewahrt das Ergebnis 12 Stunden bei 24 – 30 Grad auf. Das Volumen muss sich in dieser Zeit verdreifachen.

    2.2 Lagern

    Man kann das Hefewasser verschlossen im Kühlschrank problemlos für mehrere Wochen aufbewahren. Ob die Früchte im Wasser verbleiben oder nicht macht keinen Unterschied.

    Vor dem nächsten Einsatz ist es allerdings ratsam, dem Hefewasser bei Raumtemperatur einige Stunden zum Aufwärmen zu geben und – bei längerer Lagerung – die Triebkraft zu kontrollieren. Dazu – wie oben – 10 g Hefwasser mit 10 g Mehl mischen und 12 Stunden bei mind. 24 Grad gehen lassen.

    Falls sich das Volumen nicht verdreifacht hat: Auffrischen!

    2.3 Auffrischen

    Man sollte vom Hefewasser immer mindestens 100 g zurückhalten um den Teig wieder aufzufrischen. Dabei nimmt die Kultur übrigens von Mal zu Mal an Triebkraft zu.

    Basis-Rezept Auffrischen

    100 ml Hefewasser
    3 EL nicht-geölte Bio-Korinthen o.ä. (s. oben)
    1 EL unraffinierten Bio-Rohrzucker (oder 1 TL Bio Honig)
    500 ml Wasser abgekocht und abgekühlt

    Das Rezept ist im Prinzip identisch mit dem Erst-Ansatz, ausser das 100 ml vom „alten“ Hefewasser dazu gegeben werden. Je nach Temperatur dauert der Vorgang 1 – 4 Tage. Man kann das Ganze entweder in ein neues Glas füllen oder die Zutaten zusätzlich in das „alte“ Glas geben. Das Ergebnis ist nach meiner Erfahrung identisch.

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    2.4 Verwenden

    Grundsätzlich kann man das Hefewasser für zwei Ziele einsetzen:

    1. Solo oder in Kombination mit Sauerteig zu einem Brot verbacken
    2. Einen Lievito Madre ansetzen

    2.4.1 Verbacken

    2.4.1.1 Solo

    Man kann Hefewasser direkt zum Brotbacken verwenden. Für den idealen Geschmack bietet sich dabei eine lange, kalte Gare im Kühlschrank an. . Bei diesem Ansatz wird entweder das gesamte Wasser oder ein Teil einfach durch Hefewasser ersetzt. Bei dem nachfolgenden Beispiel wurde Anstelle des Wassers komplett mit Hefewasser gearbeitet.

    Basis-Rezept: nur Hefewasser (frei nach Brotdoc)

    Vorteig

    300 g Hefewasser, gesiebt
    300 g 1050er Weizenmehl

    Mehl und Wasser sorgfältig verrühren und ca. zehn Srunden an einem warmem Ort (28 Grad) reifen lassen.

    Hauptteig

    Vorteig
    400 g Wasser, 40 Grad
    700 g 1050er Weizenmehl
    24 g Salz

    Alle Zutaten in der Küchenmaschine 7-8 Minuten langsam, dann 3-4 Minuten schnell verkneten (Thermomix: 6 Minuten auf Knetstufe).

    Der Teig muss sich von der Schüssel lösen.

    Die Teigtemperatur sollte bei 28 Grad liegen.

    Den Teig bei 28 – 30 Grad reifen lassen bis er sich mindestens verdoppelt, besser verdreifacht hat. Das dauert um die vier Stunden.

    Im Anschluss den Teig in zwei gleich große Teile teilen. Beide teile vorsichtig lang wirken, in Gärkörbchen verfrachten und 1 – 2 Stunden mit Schluss nach unten reifen lassen. Das Volumen sollte sich verdoppeln.

    Dann, wenn notwendig, einschneiden und im gut vorgeheizten Ofen auf einem Backstein bei 250Grad mit Dampf insg. 50 Minuten backen.

    Nach 15 Minuten die Temperatur 220 Grad reduzieren.

    2.4.1.2 In Kombination mit Sauerteig

    Die, für mich persönlich, attraktivste Variante ist die Verwendung von Hefewasser für einen Vorteig in Kombination mit einem zweiten Vorteig auf Sauerteig-Basis. Diese Methode liefert besonders schöne Ergebnisse. Die nachfolgende Daumenregel lässt sich auf nahezu alle Rezepte für Sauerteig-Brot anwenden – ein konkretes Beispiel ist das Pain de Méteil (s. unten).

    Daumenregel:

    Bei Broten mit Vorteig auf Sauerteig-Basis einfach ca. 25% des verwendeten Mehles mit ungefähr der gleichen Menge Hefewasser (oder etwas weniger) zu einem zweiten Vorteig verarbeiten und für um die 12 Stunden bei Raumtemperatur gehen gelassen. Dann vorgehen wie im Rezept (abzgl. der für den Hefewasser-Vorteig verwendeten Mehl- und Wasser-Menge natürlich).

    Nach Bernds Bakery kann man kann Vorteige auf Hefewasser-Basis sogar bis zu zwei Wochen im Kühlschrank aufbewahren. Zur Verwendung müssen sie dann einfach auf Zimmertemperatur gebracht werden. Das habe ich allerdings noch nicht ausprobiert.

    2.4.2 Für Lievito madre

    Aus Hefewasser lässt sich auch ein Lievito Madre erstellen. Die Hefewasser-Methode hat dabei den Vorteil, dass sie erheblich schneller geht als das „klassische“ Vorgehen.

    Lievito Madre mit Hefewasser nach Brotdoc

    Ansatz 1
    200 g Hefewasser, gesiebt
    200 g 550er Weizenmehl

    Wasser und Mehl sorgfältig verrühren und 10-12 Stunden an einem warmem Ort gehen lassen. Das Ergebnis sollte fruchtig und dezent alkoholisch riechen.

    Ansatz 2
    200 g Ansatz 1 (den Rest von Ansatz 1 kann man als Geschmacks-Kick im nächsten Brot verbacken)
    200 g 550er Weizenmehl
    100 g Wasser, 45 Grad

    Alle Zutaten gut verkneten und bei um die 28°C (Backofen mit angeschalteter Lampe) reifen lassen. Der Ansatz sollte sein Volumen verdreifachen. Je nach Aktivitätsgrad des Ansatzes kann das fünf Stunden dauern oder schneller gehen.

    Ansatz 3
    200 g von Ansatz 2 (den Rest von Ansatz 1 kann man als Geschmacks-Kick im nächsten Brot verbacken)
    200 g 550er Weizenmehl
    100 g Wasser, 45 Grad

    Alle Zutaten gut verkneten und erneut bei um die 28°C (Backofen mit angeschalteter Lampe) reifen lassen. Der Ansatz sollte sein wieder Volumen verdreifachen. Diese Entwicklung sollte nicht länger als 4 Stunden dauern. Falls nicht – Ansatz 3 wiederholen.

    Ist der Lievito Madre ausreichend triebstark (3 – 4 Stunden, s.o.), seid Ihr fertig und habt Euren eigenen, fitten Lievito Madre.

    Der muss einmal in der Woche gefüttert und dazwischen im Kühlschrank gelagert werden.

    Zum Füttern ein Mal die Woche zwei Teile alter Lievito Madre, 2 Teile 550er Weizenmehl und 1 Teil warmes Wasser verrühren.

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    Zum Rezept…

    Beim Pain de Méteil handelt es sich um ein in Frankreich sehr beliebtes Brot. Das ist kein Wunder. Die Krume ist ist fein und weich, die Kruste gleichermaßen dünn wie herrlich kross. Geschmacklich ist das Pain de Méteil eines der besten Brote, dass ich bisher gebacken habe. Ein neuer Favourit!

    Vorteig 1 – Sauerteig

    10 g aktives Anstellgut (Weizen oder Roggen, es geht beides)
    95 g 550er Roggenmehl
    95 g Wasser

    Vorteig 2 – Hefewasser

    140 g Hefewasser
    140 g 550er Weizenmehl

    Alternativ funktioniert das Ganze auch mit Hefe statt Hefewasser: dafür die 140 g Wasser und 140 g Mehl und 1 g frischer Hefe mischen und 12 Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen.

    Hauptteig

    Sauerteig
    Vorteig
    140 g Wasser
    205 g 550er Roggenmehl
    155 g 550er Weizenmehl 550
    12 g Salz

    Beide Vorteige mit dem Wasser mischen und alle weiteren Zutaten dazugeben. Die Teigtemperatur sollte bei 24 -25 Grad liegen.

    Im Anschluss 6 Minuten im Thermomix auf der Teigknetstufe kneten. Alternativ in einer Küchenmaschine vier Minuten auf langsamster Stufe, dann 4 Minuten auf zweiter Stufe kneten.

    Im Anschluss den Teig zwei Stunden gehen lassen, dabei alle 30 Minuten dehnen und falten.

    Den Teig lang wirken, mit dem Schluss nach unten in einen Gärkorb geben und für 1 bis 2 Stunden gehen lassen. Das Originalrezept gibt 75 Minuten bei 24 Grad an. Bei mir hat es bei 24 Grad gute zwei Stunden gedauert. Der Teig sollte sein Volumen ungefähr verdoppelt haben.

    Wenn der Teig fertig ist, den Teigling stürzen und kurz warten bis der Schluss aufgegangen ist. Dann das Brot bei 250 Grad mit Dampf backen. Die Temperatur nach 15 Minuten auf 230 Grad senken und 25 Minuten weiter backen.

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