Was gesagt worden ist

Ich beneide Günter Grass. Mit einem einzigen Gedicht1 dermaßen viel Medienaufmerksamkeit zu bekommen, das würde ich mir auch mal wünschen. Selbst auf der hebräischen Startseite der Haaretz-Internetpräsenz2 prangte am gestrigen Donnerstag (5.4.2012) Grassens Portrait. Für wenige Stunden. Sehr wenige. Man nahm es zur Kenntnis und das war's. Ein vielleicht vorbildliches Verhalten auch für deutsche Medien.

Seien wir mal ehrlich, mit einem Text dieser literarisch-poetischen Qualität wäre selbst auf einem Poetry Slam kein Blumentopf zu gewinnen. Und das ist keine Anspielung darauf, dass es bei den meisten Slams ohnehin nur Whiskey zu gewinnen gibt!

Nun, regelmäßigen Lesern dieses Blogs dürfte es nicht entgangen sein, dass ich kein großer Fan des Poetry Slam Hypes bin, da ich es in diesem Fall mit Jonathan Meese3 halte, der vollkommen recht hat, wenn er sagt, dass Kunst keine demokratische Entscheidung ist. Schließlich meinte schon Arnold Schönberg: wer fürs Publikum schreibt, denkt nicht in Musik. Und in diesem Punkt sind sich ja sowohl Günter Grass4 als auch Henryk M. Broder5 einig: der Autor darf nicht aus Furcht vor möglichen Reaktionen bzw. Reaktionen von der falschen Seite das Schreiben aufgeben.

Wenn aber Grass nicht fürs Publikum geschrieben hat, für wen dann? Schließlich sagt er doch im ARD Interview selbst: „In dem Fall ist dieses Gedicht ein Aufruf, weil ich um Unterstützung bitte.“

Unterstützung wofür? fragt man sich. Wogegen Grass sich richtet scheint ja offensichtlich, nämlich dagegen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Eine absolut unterstützenswerte Kritik, wäre sie doch nur glaubwürdig. Denn dass Grass selbst mit zweierlei Maß misst, lässt sich leider nicht leugnen.

Selbstverständlich ist es völlig legitim, die Atommacht Israel und die (potentielle) Atommacht Iran gegenüberzustellen. Man sollte dann aber nicht unerwähnt lassen, dass die erstere die Souveränität der letzteren anerkennt, während dies umgekehrt aber nicht der Fall ist, was doch einen signifikanten Unterschied ausmacht.

Dass Grass dann in der vorletzten Strophe seines Gedichtes fast etwas plump auch noch vom „Verursacher der erkennbaren Gefahr“ redet, macht die ganze Angelegenheit noch heikler. Und vom „Verdikt des 'Antisemitismus'“ kann in diesem Zusammenhang wohl kaum gesprochen werden, wenn man bedenkt, dass etliche Deutsche, wie etwa kürzlich Thomas de Maizière,6 ganz offen und sachlich die israelische Politik kritisieren ohne dafür als Judenhasser denunziert zu werden.

Aber auch wenn ich es noch für wert erachten würde zu erläutern, dass und warum Grass sich irrt, wenn er ausgerechnet Israel für die größte Gefahr im Nahen Osten hält, will ich eigentlich nicht wiederholen, was vermutlich schon vielfach geschrieben und gesagt wurde. Nur eines noch:

Im Dezember 2006 habe ich mir in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall einen Auszug aus dem grafischen Werk von Grass angesehen. Das war toll! Sein Gedicht in der Süddeutschen Zeitung hingegen war künstlerisch betrachtet... naja, ich will nicht sagen ein Griff ins Klo, aber zumindest in den Spülkasten. Und wer dort statt Gold- nur Silberfische fängt, sollte sich nicht wundern.

1http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809

2http://www.haaretz.co.il/

3http://www.jonathanmeese.com/

4http://tagesthemen.de/multimedia/video/video1093224.html

5http://www.youtube.com/watch?v=MPqGNu2tr5I

6http://www.tagesschau.de/inland/barakdemaiziere100.html


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