Wenn Ronja von Rönne in der Welt schreibt, dass der Feminismus sie als Frau anekele und ein durchsetzungsstarkes Frauenbild propagiert, Martenstein sich über eine Überbetonung sozialer Verursachung in den Gender Studies lustig macht oder Facebook-User auf Facebook schreiben, dass Feminismus Antisexismus sei, dann zeigt das vor allem eines: Der Ausdruck “Feminismus” verweist auf die unterschiedlichsten Bedeutungen und die Selbst-Darstellung als Feminist oder Antifeminist ist nicht notwendig progressiv oder konservativ, sondern zunächst inhaltlich absolut gehaltlos, wenn auch vielleicht öffentlichkeitswirksam. Die Debatte außerhalb der Wissenschaft lebt von extremen Verallgemeinerung und vom Missverstehen der Positionen und Gegenpositionen. Wäre man schon Feminist, wenn man im Allgemeinen gegen Sexismus ist, wenn also Antisexismus hinreichend für die Einordnung als Feminist wäre, dann wäre ich Feminist. Wenn aber zugleich die Ablehnung einer Frauenquote hinreichend wäre für die Einordung als mysogyner Vertreter eines antifeministischen Backlashes, dann wäre ich ein mysogynver Vertreter eines antifeministischen Backlashes. Ich wäre nach diesen Verständnissen Feminist und mysogyner Vertreter eines antifeministischen Backlashes. Das ist zwar möglich, aber nur, wenn mit Feminismus unterschiedliche Dinge gemeint sind.
Goethe lässt Mephisto in “Faust” sagen:
“Denn eben wo Begriffe fehlen,
da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
mit Worten ein System bereiten,
an Worte läßt sich trefflich glauben,
von einem Wort läßt sich kein Iota rauben.”
und spiegelt damit die Tendenzen von Menschen wider, insbesondere in normativen Fragen, im Politischen und im Religiösen so zu verallgemeinern, dass die Inhalte, die Gedanken und die Begriffe verloren gehen.
Zur Aufklärung seien hier verschiedene Aspekte angemerkt, die die Debatte vielleicht in eine differenziertere Richtung lenken könnten:
- Der Feminismus ist heterogen, der Ausdruck “Feminismus” polysem …
- Die Aussage, dass etwas sozial konstruiert ist, bedeutet nicht notwendig, dass dessen Ursachen nur in der Kultur liegen.
- Der Feminismus als politische Bewegungen lässt sich etwa grob in verschiedene Wellen gliedern und fein in einzelne Positionen einzelner AutorInnen, die sich mitunter stark widersprechen.
- Die Wahrheits- und Wissenschafstheorien sowie auch die wissenschaftlichen Gebiete und Verfahren, die von Feministinnen und in den Gender Studies vertreten und praktiziert werden, sind ebenfalls heterogen, so gibt es etwa Vertreterinnen eines analytischen Feminismus oder Verteterinnen eines empiristischen Feminismus, der absolute Wahrheitswerte konstatiert und etwa methodisch gender biases in empirischen Studien nachweist und sich Methoden überlegt, wie man diese Defizite ausmerzen kann – analog zu double-blind-Methoden und placebo-controlled-Verfahren in Medizin, Soziologie und Psychologie, die stark evidenzbasiert arbeiten oder aber auch stark relativistische Positionen.
- Es gibt auch normativ sehr unterschiedliche Positionen, die von Befürwortung von als gleichstellend intendierter sogenannter positiver Diskriminierung bishin zu bloß liberaler Gleichberechtigung reichen.
- Es ist ein Unterschied, ob man sagt, man sei für die gewaltsame Revolution und die Einrichtung des Matriarchats, ob man sagt, man sei für Gleichberechtigung, ob man sagt, man sei für Gleichstellung oder ob man sagt, man sei für die Befreiung von einem Gefängnis fester Genderrollen – etwa auch von in Genderrollen gefangenen Männern.
Plädoyer: Sagt doch erst einmal, worüber Ihr redet, bevor Ihr nichtssagende und allgemeine Ausdrücke mit Emotionen belegt .. und wenn man kein Ahnung hat, vielleicht einfach mal sich Ahnung aneignen … Wenn Ihr eine Meinung äußert, so behauptet konkrete Inhalte und begründet sie ..